Jetzt, in Zeiten der Corona-Krise, macht der US-Versandhändler Amazon glänzende Geschäfte. Die Nachfrage ist groß, viele Menschen bestellen von zu Hause aus am Computer oder per Smartphone, da viele Läden geschlossen haben. In den USA, aber auch in Deutschland sollen zusätzliche Mitarbeiter eingestellt werden. Wie ernst nimmt das Unternehmen aber den Schutz der eigenen Mitarbeiter gegen Corona? Nach Ansicht von Gewerkschaften nicht ernst genug. Die Arbeitnehmervertreter schlagen Alarm.
In Frankreich hielt ein Gericht Anfang dieser Woche die Schutzvorkehrungen an den französischen Standorten für nicht ausreichend. Die Folge: Amazon musste im Nachbarland bis auf Weiteres Teile seiner Versand- und Lageraktivitäten einstellen. Nur noch Bestellungen von Lebensmitteln, Hygiene- und Medizinprodukten durften dem Gerichtsbeschluss zufolge angenommen und versandt werden. Das Unternehmen müsse zudem in allen Lagern eine Risikobewertung durchführen und stärkere Gesundheitsvorkehrungen treffen. Geklagt hatte in Frankreich die Gewerkschaftsgruppe Union Syndicale Solidaires. Bis auf Weiteres lässt Amazon jetzt die Logistikzentren in Frankreich geschlossen. Wann sie wieder öffnen, ist offen.
Verdi: „Unzureichende Vorkehrungen gegen Ansteckung“
Auch in Deutschland hatte die Gewerkschaft Verdi Kritik an Amazon geäußert: „Aus mehreren Standorten werden nach wie vor unzureichende Vorkehrungen gegen Ansteckung berichtet“, schrieb die Gewerkschaft in einer Information. Die Gewerkschaft ärgerte auch eine befristete Lohnerhöhung um zwei Euro pro Stunde: „In einigen Versandzentren wird dieses Geld nur als Anwesenheitsprämie gezahlt. Und das kann gerade jetzt fatale Folgen haben, weil sich erkrankte Beschäftigte zur Arbeit schleppen“, bemängelte Verdi.
Amazon: „Die Vorwürfe haben nicht der Realität entsprochen“
Das Unternehmen Amazon selbst verweist aber darauf, dass es inzwischen weitgehende Schritte unternommen habe, um die Gesundheit der Mitarbeiter zu schützen. „Die Vorwürfe haben schon damals nicht der Realität entsprochen und das tun sie heute noch weniger“, sagt Amazon-Sprecher Stephan Eichenseher. „Wir haben mehr als 150 Prozesse in unserem Logistikzentrum umgestellt, um Mitarbeiter und Kunden zu schützen“, betont er.
Das Unternehmen nennt eine lange Liste an Schutzmaßnahmen. Dazu gehören zum Beispiel die verstärkte Reinigung aller Standorte, die Desinfektion von Türgriffen oder größere Abstände der Möbel im Pausenbereich. Amazon habe zudem begonnen, Start- und Pausenzeiten der Schichten zu staffeln, damit Abstand gehalten werden kann. Allen Mitarbeitern stünden Masken zur Verfügung. Und an allen Standorten werde vor Betreten des Gebäudes zudem die Körpertemperatur kontrolliert.
Gewerkschaft fordert Betriebsvereinbarung zu Hygiene und Gesundheit
Die Gewerkschaft Verdi bleibt aber skeptisch: „Auf dem Papier lesen sich die Maßnahmen schön“, sagt Gewerkschaftssekretärin Sylwia Lech in Augsburg. In der Praxis würden sie aber nicht optimal umgesetzt. Bei insgesamt 1800 Beschäftigten in Graben kämen in der Früh-, Spät- und Nachtschicht noch immer viele Menschen gleichzeitig an, sagt sie – auch wenn man den Schichtbeginn beispielsweise auf zwei Zeitpunkte entzerrt. „Wenn dann 400 statt 800 Menschen auf einmal ankommen, sind es immer noch zu viel“, sagt sie. An den Eingängen lasse sich dann schwer Abstand halten. „Die Zeitfenster sind zu klein, die Schichten zu groß.“ Und bei der Messung der Temperatur bilden sich ebenfalls „Trauben“ von Menschen, schildert es Sylwia Lech.
Verdi fordert deshalb, dass das Unternehmen das Thema mit dem Betriebsrat berät und fachmännischen Rat einholt, zum Beispiel bei Gesundheitsämtern. „Amazon muss zur Gesundheit und Hygiene eine Betriebsvereinbarung schaffen und dabei fachmännische Beratung hinzuziehen“, fordert Sylwia Lech. Denn das Thema „Corona“ werde die Wirtschaft noch länger beschäftigen, ist sie sich sicher.
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