Nebelhorn, Fellhorn, Söllereck und Rubihorn sind nicht weit weg. Die berühmten Skischanzen lassen sich vom Firmensitz der Oberstdorfer Unternehmensgruppe Geiger in der Ferne ausmachen. Die Sonne scheint durch die großen Glasfenster des holzummantelten Gebäudes. Kuhschellen-Geläut begleitet das Gespräch mit Pius Geiger, einem der geschäftsführenden Gesellschafter des stark wachsenden Bau- und Umwelttechnik-Unternehmens. An der Wand hängt ein Holzkreuz. Der groß gewachsene Chef begrüßt den Gast mit festem Händedruck. Er trägt eine Trachtenjacke und sagt auf das Kruzifix zeigend: „Christlich-abendländische Werte sind uns wichtig.“ Schnell kommt Pius Geiger, der einen der drei Familienstämme vertritt, auf das Thema „Werte“ zu sprechen.
Firmen-Präsentationen verlaufen oft anders. Am Anfang steht meist ausführliche geschäftliche Selbstdarstellung. Es wird über erfolgreiche Projekte und Umsatz gesprochen. Nicht so bei dem Allgäuer Unternehmen. Ehe Pius Geiger das Wort „Erfolg“ eher beiläufig einstreut, referiert er mit sanfter Stimme und immer wieder auch in allgäuerischem Dialekt über das ethische Fundament, auf das Geiger gründe. Das ist nun gerade für die in moralischen Fragen durchaus anfällige Baubranche etwas Besonderes.
Pius Geiger legt vor allem auf eine Aussage wert „Die Mitarbeiter stehen bei uns im Mittelpunkt.“ Sie seien das Wesentliche eines Unternehmens. „Des isch mir wichtig“, sagt er und beugt den Kopf etwas vor in Richtung des Fragestellers. Lächelnd und durchaus mit einer gewissen Ironie meint Pius Geiger dann noch: „Es isch eher schwieriger, hervorragende Beschäftigte als gute Gesellschafter zu finden.“
Mitarbeiter sind bei Geiger zufrieden
Am Anfang steht also der Mensch in der Geiger-Welt. Das scheint wirklich so zu sein. Wer mit Mitarbeitern spricht, hört anerkennende Worte über den Allgäuer Humanismus. So hat die Firma eine Werte-Skala aufgestellt. Auf Platz eins rangiert hier – und das ist nach der Vorrede des Chefs keine Überraschung: „Mensch sein. Geiger sein.“
Nun müsste aber etwas mit Rendite kommen, schließlich hat das Unternehmen den Umsatz in den vergangenen fünf Jahren von 350 Millionen Euro auf rund eine halbe Milliarde Euro gesteigert. Die Zahl der Mitarbeiter nahm parallel von 1800 auf 2500 auch durch Übernahmen zu. Selbst wenn die Firma keine Angaben dazu macht, müssen die Gewinne mehr als ordentlich sein, sonst hätten nicht gerade in Deutschland immer neue Betriebe übernommen werden können.
Auf Platz zwei der Geiger-Skala folgt aber nicht „Leistungsfähig sein“ – eine Forderung, die erst auf Position vier zu finden ist. Denn nach dem Appell an die Menschlichkeit kommen zunächst „Fair sein“ und „Partner sein“. Der in Konzernen oft dominierende Wettbewerbsgedanke „Besser sein“ nimmt erst die fünfte Stelle in der Moral-Tabelle ein, gefolgt von „Beständig sein“ und „Ehrlich sein“.
Nun mag mancher sagen, Papier sei geduldig. Doch irgendetwas muss dran sein, an der immer wieder beschworenen Geiger-Mentalität. Sonst hätten sich die Mitarbeiter in einer anonymen Umfrage des Forschungs- und Beratungsunternehmens „Great Place to Work“ nicht überwiegend so positiv über ihr Unternehmen geäußert. Die Geiger-Chefs werben damit. Auf dem Firmensitz in Oberstdorf prangt ein riesiges Plakat, das klarstellt, hier befinde sich eben ein großartiger Platz, um zu arbeiten.
Baufirma Geiger sucht viele neue Mitarbeiter
Der Bedarf der Firma an neuen Beschäftigten ist enorm. Derzeit sucht das Unternehmen rund 190 zusätzliche Mitarbeiter – ein zum Teil schwieriges Unterfangen in Zeiten des Facharbeitermangels. Die Angebote reichen vom Bauarbeiter über den Vorabeiter bis zum Bauleiter. Auch Elektriker oder Entsorgungstechniker werden gesucht. Der Mensch steht in Hochkonjunkturzeiten zumindest in Wachstumsbereichen wie der Bau- und Entsorgungsbranche im Mittelpunkt.
So ist Pius Geiger froh, dass auch ein Flüchtling aus dem Senegal seine Mannschaft verstärkt. Er hat eine dreijährige Ausbildung zum Straßen- und Tiefbauer erfolgreich absolviert. Den Einstieg als Auszubildender bei Geiger wagte der Mann mit 43 Jahren. „Als ich von seinem Alter hörte, hat’s mich beinah vom Hocker g’rissen“, sagt Pius Geiger und lächelt. Weltoffenheit passt prima in sein christlich-abendländisches Weltbild. Neben Toleranz ist vor allem Kreativität in der Nachwuchssuche gefragt. Geiger versucht schon seit langem Jugendliche für die 22 verschiedenen Berufe des Hauses mit einem besonderen Zuckerl zu begeistern.
So können die derzeit rund 100 Lehrlinge, die mit guter Leistung glänzen und sich auch ehrenamtlich etwa bei Bergwacht engagieren, auf Kosten der Firma zwei Monate lange ein hauseigenes BMW-Mini-Cabriolet in Geiger-Grün fahren. Das Beste dabei: Die Spritkosten übernimmt der Arbeitgeber. Die Aktion hat einst mit einem Smart begonnen. Wahrscheinlich rechnet sich diese Auto-Strategie sogar. Denn die stolzen Fahrer des Geiger-Mobils erzählen Freunden, was die Firma sich einfallen lässt, um neue Beschäftigte zu finden. Da mag der ein oder andere in der Geiger-Personalabteilung anklopfen.
Was bezeichnend ist: Als das Gespräch darauf kommt, wie nun der Artikel über Geiger am besten bebildert werden könne, sagt der 59-jährige Pius Geiger: „Wie wäre es mit dem Foto eines Auszubildenden? Ob er nicht auch zu sehen sein will? Wenn überhaupt reiche von ihm ein kleines Bild, meint der Chef.
Das ist nun wirklich ungewöhnlich bei solchen Anlässen. Ebenso wie die Tatsache, dass es noch eines Nachhakens bedarf, um dann auf die Wurzeln des Erfolgs der Firma zu kommen. Was dabei auffällt: Geiger ist breit aufgestellt. So gewinnt das Unternehmen aus eigenen Steinbrüchen und Kiesgruben die notwendigen Materialien, um etwa Straßen und Gebäude zu bauen.
Mit dem Allgäuer Schrattenkalk aus dem Steinbruch in Wertach werden etwa die auch als Gartenzäune beliebten Steinkörbe befüllt. Neben dem Bau von Gebäuden wie dem Hotel Leonardo in Ulm ist Geiger ein Spezialist für die Entwicklung aufgegebener, mit Umweltaltlasten versehener Industrie-Areale in moderne Wohn- und Gewerbeanlangen. Das Unternehmen saniert derzeit eine riesige Aluschlacken-Deponie in einem Wiener Außenbezirk. Das Gelände ist sechs Fußballfelder groß. Daneben bringen Experten der Firma alte Brücken, Kanäle oder Park-Garagen wieder auf Vordermann.
Stuttgart 21 bringt Geiger einen spektakulären Auftrag
Den wohl spektakulärsten Auftrag hat den Allgäuern das Milliarden-Projekt Stuttgart 21 beschert: Sie mischen hier bei verschiedenen Tunnelbau-Projekten auf der Strecke von Stuttgart nach Ulm mit. Aus den so entstandenen riesigen Röhren räumen Geiger-Mitarbeiter Millionen Tonnen Ausbruchmaterial heraus und entsorgen es. Die Liste der Geiger-Erfolge ist lang.
Pius Geiger spricht dann aber lieber noch über einen anderen Wert, der ihm auch besonders wichtig ist, nämlich die Bodenständigkeit: „Bei uns im Allgäu zählt noch ein Handschlag. Wir sind hier dahoam und unserer schönen Umwelt verpflichtet. Wir sehen sie ja auch täglich.“