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Nord Stream 2: Das steckt hinter dem Streit um die Pipeline durch die Ostsee

Nord Stream 2

Das steckt hinter dem Streit um die Pipeline durch die Ostsee

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    Droht auf den letzten Kilometern das Aus? Auf einem Verlegeschiff werden die Rohre für die Pipeline Nord Stream 2 zusammengeschweißt.
    Droht auf den letzten Kilometern das Aus? Auf einem Verlegeschiff werden die Rohre für die Pipeline Nord Stream 2 zusammengeschweißt. Foto: Bernd Wüstneck, dpa

    Eigentlich geht es nur um den Bau einer Pipeline. Doch kaum ein Infrastrukturprojekt ist politisch so umstritten, wie Nord Stream 2. Jetzt gerät die Röhre angesichts des Giftanschlags auf den russischen Regierungskritikers Alexej Nawalny abermals in die Diskussion. Deutsche Politiker, unter anderem der Grünen oder der Linken, fordern einen Baustopp.

    Die Bundesregierung lehnt dies nicht mehr rundheraus ab: Sie lässt die Zukunft des Gasprojekts Nord Stream 2 offen. Noch sei es zwar zu früh zu entscheiden, ob der Fall Konsequenzen für den Bau der Ostseepipeline haben werde, sagt Regierungssprecher Steffen Seibert. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) halte es aber auch für falsch, etwas auszuschließen. Was ist da genau in der Ostsee geplant? Und weshalb ist das Projekt so umstritten?

    Was versteckt sich hinter dem Projekt Nord Stream 2?

    Nord Stream 2 ist eine Gaspipeline, die sich derzeit im Bau befindet und Erdgas aus Russland nach Europa bringen soll. Die Pipeline wird auf dem Boden der Ostsee verlegt. Sie beginnt in der Nähe der Narwa-Bucht in der Region Leningrad. In Deutschland endet sie in Lubmin bei Greifswald an der Ostseeküste.

    Die Pipeline ist rund 1230 Kilometer lang und soll pro Jahr 55 Milliarden Kubikmeter Gas nach Europa transportieren können. Auf dem Boden der Ostsee gibt es bereits die fertiggestellte Pipeline Nord Stream 1 mit derselben Kapazität. Nord Stream 1 ging 2011 in Betrieb.

    Weshalb ist das Projekt so umstritten?

    Seit Jahren wird über die Ostseepipeline Nord Stream 2 gestritten. US-Präsident Donald Trump zum Beispiel wirft Deutschland vor, es lasse sich von den USA militärisch vor Russland schützen, verschaffe Moskau aber gleichzeitig hohe Einnahmen aus Gasexporten. Kritiker werfen Trump dagegen vor, die Pipeline nur verhindern zu wollen, um mehr amerikanisches Flüssiggas in Europa verkaufen zu können. Aber auch europäische Länder üben Kritik.

    Polen zum Beispiel hat die Pipeline scharf kritisiert. Europa, so das Argument, dürfe sich nicht in zu starke Abhängigkeit von russischem Gas begeben. Zudem mache sich Europa erpressbar, da Russland drohen könnte, den Gashahn zu schließen. Es gibt aber auch ökonomische Gründe für die Kritik. Länder wie die Ukraine verdienen zum Beispiel an Gebühren für die Durchleitung von russischem Gas nach Europa in bestehenden Pipelines an Land. Da Nord Stream 1 und 2 auf dem Boden der Ostsee verlaufen, sind sie hier außen vor.

    Wie sieht der Kurs der Bundesregierung aus, vor allem angesichts des Giftanschlags auf Nawalny?

    Die Bundesregierung erhöht den Druck gegenüber Russland, das betrifft auch die Pipeline. Kanzlerin Merkel jedenfalls schließe sich den warnenden Worten von Außenminister Heiko Maas (SPD) vom Wochenende an, sagte ihr Sprecher Steffen Seibert. Maas hatte in einem Interview gesagt: „Ich hoffe nicht, dass die Russen uns zwingen, unsere Haltung zu Nord Stream 2 zu ändern.“ Er halte es für falsch, Auswirkungen auf die Pipeline von vornherein auszuschließen.

    Bislang hat die Bundesregierung Russland zwar mit harten Worten zur Aufklärung aufgefordert, eine Verknüpfung mit dem europäisch-russischen Gasprojekt aber vermieden. Seibert betonte, es gebe die klare Erwartung, dass Russland schwerwiegende Fragen zum Fall Nawalny beantworte. Damit sei jedoch nicht innerhalb weniger Tage zu rechnen.

    Wie weit ist der Bau der Pipeline?

    Die Pipeline ist zu 94 Prozent fertig. Von den insgesamt 2460 Kilometern – die sich ergeben, weil die 1230 Kilometer lange Pipeline aus zwei parallelen Strängen besteht – fehlen nur noch gut 150. Etwa 120 in dänischen und mehr als 30 in deutschen Gewässern.

    Im Dezember 2019 waren die Bauarbeiten vor der dänischen Insel Bornholm abrupt gestoppt worden, weil die beiden Schweizer Verlegeschiffe ihre Arbeit einstellten. Grund dafür waren Sanktionen der USA, mit denen die Trump-Regierung das Projekt bekämpft.

    Wer ist an Nord Stream 2 beteiligt?

    Bei Nord Stream 2 ist der russische Energiekonzern Gazprom formal einziger Anteilseigner. Dazu kommen aber als Unterstützer die deutschen Konzerne Wintershall und Uniper sowie die niederländisch-britische Shell, Engie aus Frankreich und OMV aus Österreich. Ein großer Unterstützer ist Altkanzler Gerhard Schröder (SPD). Er arbeitet als Präsident des Verwaltungsrats für Nord Stream 2. Darüber hinaus sind über 670 Unternehmen aus mehreren europäischen Ländern am Projekt beteiligt.

    Wie wichtig ist das Projekt für Russland?

    Das Projekt ist wichtig für Russland. Der Export von Rohstoffen ist eine zentrale Einnahmequelle des Landes. Für Russland ist Deutschland als weltweit großer Gas-Importeur ein wichtiger Handelspartner.

    Macht sich Deutschland wirklich abhängig vom russischen Gas?

    Im Jahr 2017 lag der Anteil russischen Gases am deutschen Erdgasimport nach Angaben der deutschen Energiewirtschaft bei rund 40 Prozent. Nach Meinung von Energieökonom Marc Oliver Bettzüge ist die Gaspipeline Nord Stream 2 aber „nicht von existenzieller Bedeutung für die Sicherheit und Wirtschaftlichkeit der Gasversorgung in Deutschland oder Europa.“

    Zwar könnte Nord Stream 2 die Gaspreise in der EU senken. Eine Angebotslücke beim Gas drohe aber ohne die Pipeline nicht, sagte der Professor der Uni Köln. (mit dpa)

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