Als Luca Strehle noch Vorstandsvorsitzender von Strenesse war, erzählte er einmal, welche Kunden er für das Mode-Unternehmen im Blick hat. „Uns geht es um die tolle Frau“, sagte er. Souverän sollte sie sein, mit einem Sinn für Stil und Ästhetik, und gerne auch mal sexy. Aber nicht übertrieben sexy, stellte Strehle klar, eben „cool sexy“. Es war eine Beschreibung der Zielgruppe, doch in gewisser Weise sprach Strehle damals auch darüber, wie sich das Nördlinger Mode-Unternehmen selber gerne sieht. Seit geraumer Zeit hat dieses Selbstverständnis Risse. Auf coole Art sexy? Nicht unbedingt etwas, das man mit einem insolventen Unternehmen in Verbindung bringt. Und souverän?
Nun ja. Der Luxusmode-Hersteller ist mal wieder in heftigen Turbulenzen, oder immer noch, je nachdem, wie man es nimmt. Seit April 2014 taumelt Strenesse am Abgrund. Damals hatte das Unternehmen Insolvenz in Eigenverwaltung anmelden müssen, es war pleite. Michael Pluta kam als Chefsanierer in den Vorstand, Strehle ging ein halbes Jahr später. Pluta, ein Insolvenzexperte, der zuvor die Spielzeugfirma Märklin saniert hatte, sollte Strenesse wieder fit machen. Er entließ Mitarbeiter, sparte Kosten ein und machte sich auf die Suche nach einem Investor. Einen solchen fand er zuletzt auch. Eine Finanzgesellschaft unter Beteiligung des s.Oliver-Gründers Bernd Freier war offenbar bereit, einzusteigen. Alle Mitarbeiter sollten übernommen werden. Das Geschäft, so heißt es aus unternehmensnahen Quellen, war beinahe beschlossene Sache.
Familie Strehle gegen Einstieg von s.Oliver
Aber eben nur beinahe. Nicht jeder war glücklich mit dem geplanten Verkauf, allen voran die Familie Strehle nicht. Die Strehles, das sind konkret: Gerd Strehle, der das Unternehmen 45 Jahre geleitet hat, ehe er sich 2012 vom Chefsessel zurückzog und seitdem den Aufsichtsrat führt. Und sein Sohn Luca, von 2012 bis 2014 Vorstandsvorsitzender von Strenesse und seitdem ohne offizielle Funktion im Unternehmen, was sich freilich wieder ändern könnte. Kurz bevor die Einigung mit der Finanzgesellschaft um den s.Oliver–Gründer zustande kam, fasste der Aufsichtsrat jedenfalls den Beschluss, Pluta abzusetzen. Weil die Familie befürchtete, dass das Unternehmen zerschlagen werden könnte, sagte ein anwaltlicher Vertreter des Gremiums damals. Weil die Einigung bedeutet hätte, dass die Strehles bei Strenesse nichts mehr zu sagen gehabt hätten, sagen andere. Die Familie favorisierte ein anderes Geschäft: Die Kapitalgesellschaft „Sirius Venture Partners“ sollte einsteigen, als Investmentpartner eines Konsortiums, an dem auch Luca Strehle beteiligt war.
Pluta wusste von diesen Verhandlungen offenbar lange nichts, und er hatte weitere Gegner. Mit Frank Günther, dem Vertreter der Anleihegläubiger und mächtigsten Mann im Gläubigerausschuss, war er sich spinnenfeind. Hinter den Kulissen tobte ein Machtkampf um die künftige Ausrichtung des insolventen Unternehmens. Mit dem Ergebnis, dass sich am Ende beide mögliche Investoren wieder zurückzogen. Warum Sirius absprang, will Luca Strehle nicht näher beschreiben. Er sagte nur, es sei ein normaler Vorgang, dass sich ein Investorenkonsortium eine Firma anschaue und zum Schluss komme, es passe nicht.
240 Mitarbeiter fürchten um ihre Arbeitsplätze
Der von Pluta vorangetriebene Deal kam offenbar auch nicht zustande, weil die Meldung über die geplante Absetzung des Sanierers dazwischenkam. S.Oliver-Chef Bernd Freier, ein öffentlichkeitsscheuer Manager, habe danach die Lust verloren, heißt es. Wenig später packte Pluta seine Koffer. Der Sachwalter Hans-Jörg Nerlich hatte dem Beschluss des Aufsichtsrates zugestimmt. In der Insolvenz in Eigenverwaltung ist dieser Schritt notwendig, will das Gremium einen Vorstand absetzen.
Wie es jetzt weitergeht, ist unklar. Der Spiegel berichtete zuletzt über den Plan Luca Strehles, den Designer Kevin Lobo an Bord zu holen, der zuletzt bei Hugo Boss war. Strenesse wolle zudem die Erlöse durch einen Ausbau des Männermode-Segmentes verbessern, das bislang nur zehn Prozent der Einnahmen ausmacht. Äußern will sich Strenesse dazu nicht.
Die Mitarbeiter haben derweil Angst um ihren Arbeitsplatz. Die verbliebenen Mitarbeiter, muss man dazusagen, denn während früher 500 Menschen bei Strenesse beschäftigt waren, sind es heute 240. Viele von ihnen hatten auf einen Einstieg von s.Oliver gehofft. Pluta war bei ihnen nicht unbedingt beliebt, wurde aber durchaus respektiert, auch weil Strenesse zuletzt wieder schwarze Zahlen schrieb. Sein Abgang hat die Mitarbeiter verunsichert. Auf die Strehles sind viele von ihnen nicht gut zu sprechen. Alleiniger Vorstand bei Strenesse ist nun Gerhard Geuder, der bislang neben Pluta als Finanzvorstand agierte. Er führt auch die Verhandlungen mit möglichen Investoren. Man befinde sich in laufenden Verhandlungen mit Interessenten, heißt es von Strenesse. Ein wenig klingt es wie eine Durchhalteparole.