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Musterverfahren: Prozess beginnt: VW-Anleger wollen Konzern Abgasrechnung vorlegen

Musterverfahren

Prozess beginnt: VW-Anleger wollen Konzern Abgasrechnung vorlegen

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    Ein vom Abgas-Skandal betroffener VW-Dieselmotor vom Typ EA189 in der Werkstatt.
    Ein vom Abgas-Skandal betroffener VW-Dieselmotor vom Typ EA189 in der Werkstatt. Foto: Julian Stratenschulte, dpa (Symbolbild)

    Beide Seiten treten unmittelbar vor Auftakt des Musterverfahrens der Anleger im Volkswagen-Dieselskandal selbstbewusst auf: "Uns schreckt nichts von den Argumenten", sagte Andreas Tilp, Anwalt der Musterklägerin Deka Investment. Er kündigte an, dass das Verfahren ohnehin zum Bundesgerichtshof gehen werde, "egal, wer gewinnt oder verliert". VW-Rechtsanwalt Markus Pfüller betonte, in dem Verfahren gehe es ausschließlich darum, ob Volkswagen seine Veröffentlichungspflichten gegenüber Aktionären und dem Kapitalmarkt erfüllt habe: "Wir sind davon überzeugt, dass dies der Fall ist."

    Die mündliche Verhandlung am Oberlandesgericht Braunschweig beginnt am Montag (10.00 Uhr) - die Aktionäre fordern im Musterverfahren Schadenersatz in Milliardenhöhe für erlittene Kursverluste. Die entscheidende Frage ist: Hat VW die Märkte rechtzeitig über die Affäre rund um millionenfachen Betrug mit manipulierten Dieselmotoren informiert? Unmittelbar nach Bekanntwerden des Skandals Ende September 2015 war der Kurs der VW-Aktie eingebrochen - zeitweise verloren die Vorzugspapiere des Konzerns fast die Hälfte ihres Werts. Anleger erlitten heftige Verluste.

    Diesel-Skandal: Was nach Entdeckung der VW-Affäre passierte

    3. September 2015:
    VW räumt hinter den Kulissen gegenüber der US-Umweltbehörde EPA Manipulationen bei Diesel-Abgastests ein.

    18. September 2015:
    Die EPA teilt mit, VW habe eine Software eingesetzt, um Test-Messungen des Schadstoffausstoßes künstlich zu drücken.

    23. September 2015:
    Rücktritt von VW-Vorstandschef Martin Winterkorn, zwei Tage später beruft der Aufsichtsrat Porsche-Chef Matthias Müller als Nachfolger.

    15. Oktober 2015:
    Das Kraftfahrt-Bundesamt ordnet einen Pflichtrückruf aller VW-Dieselautos mit Betrugs-Software an. In ganz Europa müssen 8,5 Millionen, in Deutschland 2,5 Millionen Wagen in die Werkstatt.

    22. April 2016:
    Der Abgas-Skandal brockt dem Volkswagen-Konzern für 2015 mit 1,6 Milliarden Euro den größten Verlust der Geschichte ein.

    8. August 2016:
    Das Landgericht Braunschweig gibt den Startschuss für ein Musterverfahren wegen milliardenschwerer Aktionärsklagen gegen VW.

    25. Oktober 2016:
    US-Rechtsstreit um VW-Dieselwagen mit 2,0-Liter-Motoren: VW einigt sich auf 16 Milliarden Dollar Entschädigung an Kunden, Behörden, Händler und US-Bundesstaaten.

    11. Januar 2017:
    VW und das US-Justizministerium vergleichen sich in strafrechtlichen Fragen auf eine Zahlung von 4,3 Milliarden Dollar.

    31. Mai 2017:
    Es wird bekannt, dass VW-Tochter Audi in Deutschland und Europa unzulässige Abgas-Software verwendet hat.

    25. August 2017:
    VW-Ingenieur James Liang wird in den USA zu 40 Monaten Gefängnis verurteilt. Er hatte 2016 als Kronzeuge ausgepackt.

    6. Dezember 2017:
    Der frühere VW-Manager Oliver Schmidt wird in den USA wegen Verschwörung zum Betrug und Verstoßes gegen Umweltgesetze zu sieben Jahren Haft verurteilt.

    12. April 2018:
    VW-Markenchef Herbert Diess wird zum Nachfolger von Müller an der Konzernspitze berufen.

    18. Juni 2018:
    Der Chef der VW-Tochter Audi, Rupert Stadler, wird verhaftet. Die Ermittler werfen ihm Falschbeurkundung im Zusammenhang mit den Abgasmanipulationen vor.

    10. September 2018:
    Beginn des Kapitalanleger-Musterverfahrens vor dem Oberlandesgericht Braunschweig. Musterklägerin ist die Sparkassen-Fondstochter Deka Investment. Ziel des Prozesses ist eine Rahmenentscheidung, die für alle Beteiligten bindend ist.

    30. Oktober 2018:

    Rupert Stadler wird aus der Untersuchungshaft entlassen. Seinen Posten als Vorstandsvorsitzender ist er jedoch los. Bram Schot übernimmt seinen Posten.

    31. Juli 2019:

    Die Staatsanwaltschaft München II erhebt Anklage gegen Rupert Stadler und drei weitere Manager. Ihnen wird Betrug, mittelbare Falschbeurkundung sowie strafbare Werbung vorgeworfen.

    Musterverfahren gegen Volkswagen: Rund 1670 Klagen gegen VW liegen vor

    Insgesamt machen die Kläger, vor allem institutionelle Investoren, Forderungen von fast 9 Milliarden Euro geltend. Im Musterverfahren selbst liegt der Streitwert bisher bei knapp 4 Milliarden Euro. Nach Tilps Worten fordert allein die Sparkassen-Fondstochter Deka Investment als Musterklägerin mehr als 200 Millionen Euro. Die weiteren Verfahren - rund 1670 Klagen liegen vor - ruhen bis zum Ergebnis in dem Prozess, der nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz geführt wird.

    Nach Einschätzung von VW-Rechtsanwalt Pfüller wird es in dem Verfahren zunächst um den weiteren Fahrplan gehen, dazu werde das Gericht seine Vorstellungen mitteilen. Geklärt werden müsse vor allem, welche inhaltlichen Schwerpunkte das

    Mammut-Verfahren will die wohl spannendste Frage zum Abgas-Skandal klären: Wer wusste wann was im VW-Konzern?

    In dem Mammut-Verfahren dürfte es auch um die wohl spannendste Frage zum Abgas-Skandal gehen: Wer wusste wann was im VW-Konzern? Nach Einschätzung von Anwalt Tilp betrifft das nicht allein den früheren Konzernlenker Martin Winterkorn und die Vorstandsebene - auch wenn Manager der Ebene darunter Mitwisser waren, werde dies dem Konzern zugerechnet.

    Volkswagen stellte mit der Ende Februar eingereichten Klageerwiderung vor allem klar: Es gab aus Sicht des Konzerns keine konkreten Anhaltspunkte für eine Kursrelevanz der Affäre, bis die US-Umweltbehörden am 18. September 2015 unerwartet mit ihren Anschuldigungen an die Öffentlichkeit gingen. Laut Gesetz müssen Nachrichten, die den Firmenwert beeinflussen können, umgehend ("ad hoc") veröffentlicht werden.

    Tilp dagegen betonte, spätestens im Juni 2008 sei Volkswagen bekannt gewesen, dass die strengen US-Vorgaben zum Stickoxidausstoß nicht eingehalten werden könnten. Danach habe VW betrogen - und weil die Anleger das nicht wussten, hätten sie Aktien zu teuer gekauft. (dpa)

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