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München: Ex-Audi-Chef Stadler wird schon vor dem Prozess attackiert

München

Ex-Audi-Chef Stadler wird schon vor dem Prozess attackiert

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    Der angeklagte Ex-Audi-Chef Rupert Stadler kam um 9.13 Uhr beim Gericht an.
    Der angeklagte Ex-Audi-Chef Rupert Stadler kam um 9.13 Uhr beim Gericht an. Foto: Holger Sabinsky-Wolf

    Es ist 9.13 Uhr am Mittwochvormittag, als der frühere Audi-Vorstandsvorsitzende Rupert Stadler, 57, vorfährt. In einem dicken Mercedes, nicht in einem Audi. Begleitet wird er von seinen Verteidigern Thilo Pfordte und Ulrike Thole. Er muss sich seinen Weg bahnen durch Dutzende Fotografen und Kameraleute. Es ist der erste öffentliche Auftritt des Ex-Audi-Chefs seit seiner Verhaftung im Juni 2018. Die Haare sind weißer und länger, die Brille ist anders. Der einstige "Manager des Jahres", der Audi zu ungeahnten Höhen geführt hat, trägt einen dunkelblauen Anzug, eine hellblaue Maske und hat einen olivgrünen Rucksack geschultert. 

    Dieselskandal: Stadler saß schon vier Monate in U-Haft

    Stadler muss nicht, wie angenommen, durch den Haupteingang, wo als erstes ein symbolträchtiger Abstieg über eine große Treppe 24 Stufen hinab geführt hätte. Er darf den Hintereingang nehmen, der von mehreren Justizwachtmeistern bewacht wird. Symbole finden sich trotzdem: Über der Szenerie mit rund 100 wartenden Journalisten steht bedrohlich ein Wachturm der JVA Stadelheim. Auf diesem Gelände findet der Prozess gegen Stadler und drei weitere Audi-Ingenieure statt. Tatsächlich kann es am Ende für manchen Angeklagten um die Frage gehen, ob er ins Gefängnis muss. Stadler saß schon vier Monate in U-Haft, der frühere Audi-Motorenchef Wolfgang Hatz sogar länger.

    Stadler sagt am Mittwochmorgen kein Wort. Sein Verteidiger Thilo Pfordte weist darauf hin, dass es vor einem Eingangs-Statement im Prozess nichts zu hören gibt vom prominentesten Angeklagten im ersten Strafprozess zum Dieselskandal. Bislang hat der ehemalige Topmanager alle Vorwürfe bestritten. Anders als den Ingenieure wird Stadler nicht vorgeworfen, die Schummel-Software in Auftrag gegeben und forciert zu haben. Vielmehr ist er angeklagt, weil er nach Auffliegen der Dieselaffäre 2015 in den USA nichts dagegen getan hat, dass die betroffenen Autos weiter verkauft wurden. Auch als saubere Diesel beworben wurden sie weiter. Für Stadler steht sehr viel auf dem Spiel.

    Diesel-Skandal: Was nach Entdeckung der VW-Affäre passierte

    3. September 2015:
    VW räumt hinter den Kulissen gegenüber der US-Umweltbehörde EPA Manipulationen bei Diesel-Abgastests ein.

    18. September 2015:
    Die EPA teilt mit, VW habe eine Software eingesetzt, um Test-Messungen des Schadstoffausstoßes künstlich zu drücken.

    23. September 2015:
    Rücktritt von VW-Vorstandschef Martin Winterkorn, zwei Tage später beruft der Aufsichtsrat Porsche-Chef Matthias Müller als Nachfolger.

    15. Oktober 2015:
    Das Kraftfahrt-Bundesamt ordnet einen Pflichtrückruf aller VW-Dieselautos mit Betrugs-Software an. In ganz Europa müssen 8,5 Millionen, in Deutschland 2,5 Millionen Wagen in die Werkstatt.

    22. April 2016:
    Der Abgas-Skandal brockt dem Volkswagen-Konzern für 2015 mit 1,6 Milliarden Euro den größten Verlust der Geschichte ein.

    8. August 2016:
    Das Landgericht Braunschweig gibt den Startschuss für ein Musterverfahren wegen milliardenschwerer Aktionärsklagen gegen VW.

    25. Oktober 2016:
    US-Rechtsstreit um VW-Dieselwagen mit 2,0-Liter-Motoren: VW einigt sich auf 16 Milliarden Dollar Entschädigung an Kunden, Behörden, Händler und US-Bundesstaaten.

    11. Januar 2017:
    VW und das US-Justizministerium vergleichen sich in strafrechtlichen Fragen auf eine Zahlung von 4,3 Milliarden Dollar.

    31. Mai 2017:
    Es wird bekannt, dass VW-Tochter Audi in Deutschland und Europa unzulässige Abgas-Software verwendet hat.

    25. August 2017:
    VW-Ingenieur James Liang wird in den USA zu 40 Monaten Gefängnis verurteilt. Er hatte 2016 als Kronzeuge ausgepackt.

    6. Dezember 2017:
    Der frühere VW-Manager Oliver Schmidt wird in den USA wegen Verschwörung zum Betrug und Verstoßes gegen Umweltgesetze zu sieben Jahren Haft verurteilt.

    12. April 2018:
    VW-Markenchef Herbert Diess wird zum Nachfolger von Müller an der Konzernspitze berufen.

    18. Juni 2018:
    Der Chef der VW-Tochter Audi, Rupert Stadler, wird verhaftet. Die Ermittler werfen ihm Falschbeurkundung im Zusammenhang mit den Abgasmanipulationen vor.

    10. September 2018:
    Beginn des Kapitalanleger-Musterverfahrens vor dem Oberlandesgericht Braunschweig. Musterklägerin ist die Sparkassen-Fondstochter Deka Investment. Ziel des Prozesses ist eine Rahmenentscheidung, die für alle Beteiligten bindend ist.

    30. Oktober 2018:

    Rupert Stadler wird aus der Untersuchungshaft entlassen. Seinen Posten als Vorstandsvorsitzender ist er jedoch los. Bram Schot übernimmt seinen Posten.

    31. Juli 2019:

    Die Staatsanwaltschaft München II erhebt Anklage gegen Rupert Stadler und drei weitere Manager. Ihnen wird Betrug, mittelbare Falschbeurkundung sowie strafbare Werbung vorgeworfen.

    Der Schlagabtausch beginnt schon vor dem offiziellen Prozessbeginn

    Ein paar Minuten vor dem früheren Audi-Chef ist Walter Lechner zum Gericht gekommen. Der renommierte Münchner Anwalt verteidigt Giovanni P., den damaligen Abteilungsleiter in der Audi-Motorenabteilung. P. hat bereits im Ermittlungsverfahren ausgesagt und wird dies wohl auch im Prozess tun. Er ist der Mann, der seine früheren Vorgesetzten schwer belasten kann. Und so geht der Schlagabtausch doch bereits vor dem offiziellen Prozessbeginn um 9.30 Uhr los. Denn Verteidiger Walter Lechner sagt ein paar bemerkenswerte Sätze wie: "Die Produktion eines Autos macht nicht ein Einzelner." Lechner spricht auch von einem "Organisationsversagen" bei Audi. Und dann kommt eine Bemerkung, die beim früheren Audi-Vorstandsvorsitzenden Stadler einschlagen wird: "Die Verantwortung liegt immer bei denen, die oben stehen." Eine klare Kampfansage. Ob sich Stadler vernünftig gegen die Anschuldigungen seines früheren Abteilungsleiters wehren kann, muss der Prozess zeigen. Er ist auf 181 Verhandlungstage bis Ende 2022 angesetzt.

    Hier finden Sie alle Artikel und News zum Prozess gegen Rupert Stadler.

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