Der erste Tag im Münchner Audi-Dieselprozess gehörte der Anklage - am zweiten haben jetzt die Verteidiger das Wort. Am Dienstagvormittag sollen die Anwälte des ehemaligen Audi-Chefs Rupert Stadler, des früheren Porsche-Technikvorstands Wolfgang Hatz sowie der beiden angeklagten Motorenentwickler ihre Sicht der Dinge darlegen. Am ersten Prozesstag vergangene Woche hatte die Staatsanwaltschaft zunächst die Anklage vorgetragen.
Prozessbeobachter rechnen mit gegenseitigen Schuldzuweisungen
Die Anklage legt allen vieren Betrug zur Last. Hatz, von 2001 bis 2009 Leiter der Motorenentwicklung bei Audi, soll zusammen mit den beiden Ingenieuren bei den Abgaswerten ab 2008 getrickst haben. Mit Hilfe illegaler Software sollen so hunderttausende Fahrzeuge die Grenzwerte auf dem Prüfstand eingehalten, auf der Straße aber überschritten haben. Stadler soll zwar erst 2015 von Manipulationen erfahren, dann aber den Verkauf in Europa nicht gestoppt haben.
Prozessbeobachter rechneten im Vorfeld mit gegenseitigen Schuldzuweisungen. Die beiden Ingenieure haben zumindest weitgehend gestanden. Als Abteilungsleiter und Unterabteilungsleiter sehen sie sich aber eher als Befehlsempfänger und ausführende Organe.
Laut Anklage soll Hatz alle Manipulationen abgesegnet haben, um den Start der "Clean-Diesel"-Kampagne in den USA nicht zu gefährden. Hatz weist die Vorwürfe der Anklage jedoch zurück. Stadler sieht sich von den Audi-Motorexperten hinters Licht geführt, die ihm versichert hätten, der Sechszylinder sei sauber.
Verteidiger: Motorentwickler Giovanni P. räumt Mitwirkung an Abgastricksereien ein
Der leitende Motorentwickler Giovanni P. hat seine Mitwirkung an den Abgastricksereien nach Angaben seines Verteidigers "offen eingeräumt", will aber nur ein kleiner Befehlsempfänger gewesen sein. "Alles wurde von oben bestimmt", sagte sein Anwalt Walter Lechner am Dienstag. Die Probleme mit den für die Abgasreinigung zu kleinen Adblue-Tanks seien "allen Beteiligten bis zur Konzernspitze von VW und Audi bekannt" gewesen. Die strategische Entscheidung habe der Vorstand getroffen. Auf die Anklagebank gehöre "das Unternehmen Audi AG".
P. habe als Abteilungsleiter nur "die Anweisungen von oben an seine Mitarbeiter weitergegeben", so Lechner. Er habe keinerlei Entscheidungsbefugnis gehabt, seinen Vorgesetzten nichts verheimlicht und sie niemals getäuscht.
Mit Spannung wird auch die Auskunft der Wirtschaftsstrafkammer zu den Autos der Richter erwartet. Die Verteidiger von Stadler und Hatz wollen von den Richtern und Schöffen wissen, ob sie Dieselautos aus dem VW-Konzern gefahren haben und damit als Betroffene vielleicht befangen sein könnten. Im Prozess, der mehr als zwei Jahre dauern soll, sitzen für den Fall von Ausfällen Ersatzrichter und -schöffen neben der Kammer auf der Richterbank.
Die Kammer plant, nach den Erklärungen der Verteidiger am Nachmittag mit der Anhörung der Angeklagten zu beginnen. In der Reihenfolge der Anklage würde der Ingenieur Giovanni P. den Anfang machen. Seine Verteidiger haben angekündigt, dass er sich umfassend zur Sache äußern wird. Seine Einlassung zur Sache dürfte dann am Mittwoch fortgesetzt werden. (dpa)
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