Als der 37-jährige Textilmanager Sanjiv Singh vor gut einem Jahr die Firmenspitze bei Bäumler übernahm, schien der weltbekannte Modehersteller endgültig auf das sichere wirtschaftliche Ufer zuzusteuern. Jetzt ist alles anders: Nach dem Münchner Mode-Imperium Escada hat nun auch die Bäumler AG Insolvenzanträge für sich und die Tochter Bäumler Retail GmbH gestellt.
Das Ingolstädter Traditionsunternehmen gibt als Grund für die Finanzkrise die Sperrung der Kreditlinie durch die GMAC Bank an. Dabei handelt es sich um einen der weltweit größten Finanzdienstleister, hinter dem General Motors Konzern steht. Bäumler könnte indirekt also auch wegen der Opel-Krise unter die Räder gekommen sein. Die Hausbank des Modeherstellers hat nach Informationen unserer Zeitung zuletzt einen "kleinen einstelligen Millionenbetrag" versagt. "Das Einfrieren der Kreditlinie trifft uns zum jetzigen Zeitpunkt besonders hart, denn die von uns im Januar 2009 erworbene Cerruti-1881-Lizenz sollte ab 2010 das geplante Wachstum bringen. Jetzt mussten wir den Weg zum Amtsgericht antreten", bedauert Sanjiv Singh. Der räumt allerdings auch ein, dass man seit Monaten intensiv auf der Suche nach neuen Investoren war, weil die bisherigen Geldgeber Eos und Credit Suisse International kein weiteres Kapital zur Verfügung stellen konnten. Bis zuletzt habe man sehr gute Gespräche mit potenziellen neuen Geldgebern geführt, doch dann habe die Hausbank alles platzen lassen. "Wir sind sehr enttäuscht, dass die GMAC Bank nach bisher guter Zusammenarbeit das Engagement bei der Bäumler AG nicht fortführen möchte", hält auch Finanzvorstand Richard Lohner mit Kritik nicht mehr hinterm Berg.
Weil es nicht um riesige Millionenbeträge handelt, sind die am Standort Ingolstadt betroffenen 208 Mitarbeiter (50 davon im Tochterunternehmen) hoffnungsfroh, dass der Münchener Insolvenzverwalter Martin Prager rasch Lösungen findet. Prager selbst gibt allerdings noch keine Einschätzung der Lage ab. Die Produktion in Ingolstadt läuft völlig normal weiter, die Stimmung in der Belegschaft sei "relativ gut", sagt Betriebsratsvorsitzende Karin Siebein.
Bäumler hat am Stammsitz erst im vergangenen Jahr mehr als zehn Millionen Euro in einen repräsentativen Neubau investiert. Das Unternehmen wurde im Laufe der Jahrzehnte immer kleiner. In Zeiten des Wirtschaftswunders standen über 800 Menschen auf der Lohnliste. Viele Jahre lag der Name Bäumler mit Weltmarken wie Boss auf Augenhöhe. Die Designer entwerfen auch Herren- und Damenbekleidung für die Marken Kaiser Design und Féraud. Einst kamen die Entwürfe für bis zu 15 bekannte Modenamen aus dem Hause Bäumler.
Für dieses Jahr rechnete man wegen der allgemeinen Wirtschafts- und Finanzkrise mit einem Umsatzrückgang von 15 Prozent. Das breite Paket zur Umstrukturierung des Unternehmens habe bereits an vielen Schnittstellen Wirkung gezeigt und "wir sind für die Zukunft eigentlich gut aufgestellt gewesen", sagt Sanjiv Singh. Doch inmitten dieser Konsolidierungsphase wurde nun der Geldhahn zugedreht.
(Harald Jung)