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Mobilität: Die Deutsche Bahn verliert in Schwaben massiv Strecken

Mobilität

Die Deutsche Bahn verliert in Schwaben massiv Strecken

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    Ein Regionalexpress auf der Bahnlinie Kempten-München.
    Ein Regionalexpress auf der Bahnlinie Kempten-München. Foto: Hildenbrand, dpa (Archiv)

    Die Deutsche Bahn gerät in Schwaben im Nahverkehr immer stärker ins Abseits: Rund um Augsburg wird sich die DB ab 2022 so gut wie komplett aus dem Pendlerverkehr zurückziehen, nachdem der Betrieb des S-Bahn-ähnlichen Fugger-Express zwischen München, Donauwörth und Gessertshausen im Kreis an den britischen Konkurrenten "Go Ahead" geht. Augsburg ist kein Sonderfall: Von der Donautalbahn zwischen Ulm und Ingolstadt (Agilis) im Norden bis zur Bahnstrecke zwischen München und Lindau ("Alex") im Süden – die roten Nahverkehrszüge der DB sind in Schwaben deutlich seltener unterwegs als vor 15 Jahren.

    Hintergrund ist, dass seit der Bahnreform 1994 die Bundesländer darüber entscheiden, welches Eisenbahnunternehmen auf welcher Strecke fährt. Dabei geht es nur um den Betrieb – Gleise, Stellwerke und Bahnhöfe gehören weiterhin der Bahn. Auch auf die Fahrkartenpreise hat die Frage des Betreibers direkt keine Auswirkungen, zumal die Gesellschaften die Tickets gegenseitig anerkennen. In Schwaben machte der "Alex" zwischen München und Oberstdorf 2003 den Anfang, inzwischen werden auch die Linien von Augsburg nach Weilheim/Schongau, Ingolstadt/Eichstätt und Richtung Landsberg/Füssen von der Bayerischen Regiobahn (BRB) betrieben, die zum französischen Konzern Transdev gehört.

    Die DB betreibt momentan noch den Fugger-Express und sitzt beim Bahnverkehr im Allgäu und auf der Mittelschwaben- und Illertalbahn im Sattel. Zudem wird sie künftig den Betrieb der Strecke des Alex zwischen München und Lindau über Immenstadt wieder übernehmen, während der Betrieb der bald elektrifizierten Strecke über Memmingen/Hergatz an "Go Ahead" ging.

    "Verloren gegangene Regionalstrecken werden Bahn massiv treffen"

    "Die Bahn hat bundesweit viele Regionalstrecken verloren", sagt Professor Christian Böttger von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. Unmittelbar nach der Bahnreform hätten die Länder noch zögerlich an Private vergeben – das habe sich geändert. "In den nächsten Jahren werden die verlorenen gegangenen Regionalstrecken die Bahn massiv treffen", erwartet er. Im Geschäftsjahr 2017 trug DB Regio 508 Millionen Euro zum Vorsteuergewinn von 2,15 Milliarden Euro bei. Dieses Bein beginnt zu schwächeln, auch wenn die DB noch Platzhirsch in Bayern ist.

    Vergangenes Jahr fuhren die Nahverkehrszüge des DB-Konzerns 93 Millionen Zugkilometer, andere Bahnen brachten es auf 32 Millionen Kilometer. Beim Freistaat betont man, dass der Wettbewerb den Bahnverkehr gestärkt habe. 1995 legten Nahverkehrszüge in Bayern 82 Millionen Kilometer zurück, im vergangenen Jahr waren es 125 Millionen Kilometer. "Die Unternehmen arbeiten im Wettbewerb effizienter und investieren mehr in Service und weniger in Verwaltungsstrukturen", sagt Wolfgang Oeser, Sprecher der Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG). Das staatliche Unternehmen organisiert im Auftrag des Freistaats den Schienenverkehr. "Diese Effizienzgewinne kann die

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    Hintergrund ist, dass sich der Regionalverkehr aus zwei Quellen finanziert: zum einen aus den Fahrkarten-Einnahmen, zum anderen aus staatlichen Entgelten, die der Freistaat an die Bahnunternehmen zahlt – je weniger Zuschuss pro Kilometer gezahlt werden muss, desto mehr Kilometer kann man bestellen. Bahn-Fachmann Böttger sagt, dass früher teils noch um die zehn Euro pro gefahrenem Kilometer gezahlt wurden. Für die Strecke München – Passau gebe es inzwischen nur noch rund 1,80 Euro pro Kilometer. "Mit zunehmendem Wettbewerb geht die Qualität hoch und die Preise gehen runter." Ähnlich denkt man in der Politik: "Für die Bahnkunden hat das Vorteile, denn alle Wettbewerber müssen sich anstrengen und gute Angebote vorlegen. Dabei spielen auch Qualität und Service eine wichtige Rolle", so der CSU-Bundestagsabgeordnete und Verkehrs-Experte Ulrich Lange.

    Wer im Vergabewettbewerb gewinnt, darüber bestimmen der angebotene Preis gegenüber dem Freistaat und die angebotenen Standards. Teils schneidet die Deutsche Bahn zu schlecht ab: "Die Bahn hat in den vergangenen Jahren einen gewaltigen Overhead aufgebaut", kritisiert Experte Böttger – also eine teure Bürokratie. Ein zweites Kriterium ist die Qualität. Hier geht es zum Beispiel um Sauberkeit oder Eigenschaften der Züge wie den Sitzabstand. Im Mitte 2018 veröffentlichen Qualitätsranking der Bayerischen Eisenbahngesellschaft schnitten die Privatbahnen tendenziell überdurchschnittlich ab.

    Auch der Fahrgastverband Pro Bahn sieht den Wettbewerb auf der Schiene prinzipiell positiv, weil er die Eisenbahnunternehmen zu mehr Qualität zwinge. Gleichzeitig, so

    "Go Ahead" dürfte sich in Augsburg nicht ganz einfach tun

    Die regelmäßigen Betreiberwechsel machen die Lage nicht einfacher. Zwar sollen die Bahnunternehmen bei einem Wechsel dem Personal ihres Vorgängers ein Übernahmeangebot machen, doch mitunter bleibt das lieber beim alten Arbeitgeber. Als zum Jahreswechsel der Betrieb der Lechfeldbahn von der DB an die BRB ging, wollten dem Vernehmen nach nur wenige Beschäftigte wechseln, obwohl die

    Nötig, sagt Michael Ferber, Chef der Augsburger Geschäftsstelle der Eisenbahnergewerkschaft EVG, sei ein Branchentarifvertrag für alle Eisenbahnunternehmen, der Bestandteil von Ausschreibungen sein müsse. Das nehme den Druck von den Firmen, im Personalbereich ständig nach Einsparpotenzialen suchen zu müssen. Dass Strecken alle zehn Jahre neu vergeben werden, sei für Beschäftigte ein Unsicherheitsfaktor. "In regelmäßigem Abstand schwebt das Damoklesschwert über einem, ob der angestammte Arbeitsplatz im Unternehmen künftig noch vorhanden sein wird", so Ferber.

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