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Mobilität: Auto-Experte: „Wir tun in der Krise genau das Falsche“

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Auto-Experte: „Wir tun in der Krise genau das Falsche“

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    Statt E-Autos zu subventionieren, sollte die Politik in der Krise eher Autos mit herkömmlichen Antrieben fördern, sagt Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer.
    Statt E-Autos zu subventionieren, sollte die Politik in der Krise eher Autos mit herkömmlichen Antrieben fördern, sagt Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer. Foto: Edith Geuppert, dpa

    Herr Dudenhöffer, wenn man die Nachrichten aus der Branche so verfolgt, kann einem um die deutsche Autoindustrie Angst und Bange werden…

    Ferdinand Dudenhöffer: Zumindest wird ihre einstmalige technologische Vormachtstellung, etwa im Bereich der Antriebe, von immer mehr ausländischen Konkurrenten mit Erfolg angegriffen. Tesla wird vor 2030 so groß sein wie Daimler oder BMW und danach vermutlich immer weiter wachsen.

    Woran kommt diese Schwäche?

    Dudenhöffer: Viele Firmen waren sich zu lange zu sicher, den Diesel in die Zukunft retten zu können. Auf den satten Gewinnen, die er brachte, haben sie sich ausgeruht. Das war eine Fehleinschätzung, denn der Pkw-Diesel ist nicht zukunftsfähig. Er wird immer weiter an Bedeutung verlieren. Im Kleinwagensegment ist er fast nicht mehr anzutreffen. Dass es so weit gekommen ist, muss man aber auch der Politik anlasten.

    Politik muss Autobauern alternative Antriebe deutlicher aufzeigen

    Warum denn das? Technologie ist doch Sache der Konzerne…

    Dudenhöffer:  Die Politik hat nicht entschieden genug klar gemacht, dass sie es beim Thema alternative Antriebe ernst meint. Man kann nicht wie Frau Merkel es getan hat erst verkünden, eine Million E-Autos auf der Straße haben zu wollen und dann jahrelang auf Tauchstation gehen. Man hätte das Ziel durch weitere politische Maßnahmen klar untermauern müssen, um den Autobauern unmissverständlich zu signalisieren: „Ihr müsst diesen Weg einschlagen.“ Das ist unterblieben.

    Ein Beispiel bitte…

    Dudenhöffer: Das beste Beispiel für diese inkonsistente Politik ist die Kraftstoffbesteuerung. Wenn an der Zapfsäule der Liter Diesel 95 Cent kostet, wird keiner auf teure Elektroautos umsteigen. Seit Jahrzehnten genießt Dieselkraftstoff in Deutschland ein fast einmaliges Steuerprivileg. An diesem festzuhalten, wo man doch gleichzeitig in eine ökologische Mobilitätszukunft aufbrechen will, ist komplett unverständlich. Aber da traut sich die Politik nicht ran, weil sie nicht Millionen Dieselfahrer gegen sich aufbringen will. Dann darf sie sich aber auch nicht beschweren, dass die Autobauer Fahrzeuge herstellen, die mit entsprechenden Diesel-Antrieben unterwegs sind. Wenn die Politik die Weichen so stellt, dass E-Mobilität im Markt nicht funktionieren kann, dann kann sie doch den Konzernen nicht den Vorwurf machen, dass sie nicht alle Weichen in Richtung Elektromobilität stellen.

    Ganz so untätig wie Sie sagen ist die Politik in Klimafragen ja nicht. Der Einstieg in die CO2-Bepreisung im Verkehrssektor wird Sprit im Verlauf spürbar verteuern. Gleichzeitig gibt es immer härtere Zielvorgaben für den CO2- und Spritverbrauch von Autos auf EU-Ebene…

    Dudenhöffer: Die Schritte, insbesondere der Einstieg in die CO2-Bepreisung, sind viel zu zaghaft, als dass sie beim Endkunden eine Verhaltensänderung hervorrufen würden. Dann kostet Diesel eben an der Zapfsäule zehn Cent mehr. Ja und? Dann sind wir immer noch bei 1,10 Euro pro Liter. Das bringt nichts. Diesel und Benzin müssen einen deutlich höheren Preis haben, wenn wir umsteigen wollen. Punkt. Man kann nicht Duschen ohne dabei nass zu werden.

    Für die Auto-Industrie lohnt sich ein Blick in die Schweiz

    Was sollte geschehen?

    Dudenhöffer: Mutige Richtungsentscheidungen müssen her. Ein Blick in die Schweiz lohnt da. Dort gehen die Einnahmen aus der Kraftstoffbesteuerung direkt in den Topf einer Behörde und werden dann ausschließlich für den Umbau von Verkehr und Mobilität verwendet. Bei uns wandert ein Großteil der Steuereinnahmen in den allgemeinen Staatssäckel und wird je nach Laune zum Stopfen diverser Steuerlöcher verwendet. Man muss die Entscheidung über die Mittelverwendung der Politik entziehen und sie rein zweckgebunden einsetzen, um langfristig in die richtige Richtung zu steuern. Politiker sind Unholde. Nicht weil sie böse sind, sondern weil sie sich permanent vor dem Wählerwillen fürchten. Wenn man sich die politischen Initiativen im Bereich der Mobilität der letzten Jahre anschaut, muss man einfach feststellen, dass wir Entscheidungen im Talk-Show-Rhythmus treffen.

    Zu was für einem Fahrzeug würden Sie Autokäufern raten?

    Dudenhöffer: Es ist im Moment nicht einfach, das zu sagen. Einerseits haben wir hohe Kaufprämien von bis zu 9000 Euro für E-Fahrzeuge und Anreize bei der KfZ-Steuer. Auf der anderen Seite sehen wir sehr niedrige Spritpreise, die meiner Einschätzung nach nicht schnell wieder steigen werden. Bei den Kraftstoffpreisen einen deutlichen Anreiz nach oben zu setzen, würde die Kaufentscheidung vereinfachen.

    Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer glaubt daran, dass VW ein großes Potential bei E-Autos hat.
    Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer glaubt daran, dass VW ein großes Potential bei E-Autos hat. Foto: Nicolas Blandin, dpa

    Aber die Käufe von E-Autos kommen aufgrund der Förderung doch in Gang.

    Dudenhöffer: Da sind wir jetzt bei den Subventionen. Volkswirtschaftlich tun wir in der Krise genau das Falsche. In der größten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit subventionieren wir E-Autos, die aktuell etwa neun Prozent an den Neuzulassungen ausmachen, massiv. Die Folge sind Wartezeiten von bis zu 1,5 Jahren auf die Fahrzeuge. Gleichzeitig sind all die Werke mit zehntausenden Beschäftigten, in denen Verbrenner vom Band laufen, stark unterausgelastet. China macht das anders. Dort hat man in der Krise kurzfristig die Förderung für E-Autos ausgesetzt und die Nachfrage auf herkömmliche Antriebe zurückgelenkt. Als Resultat springt die Autobranche zügig wieder an.

    Wie sind ihre Prognosen für die deutsche Autobranche?

    Dudenhöffer: VW wird nach dem Dieseldebakel seinen Weg gehen und hat das Potenzial bei E-Autos zügig zu Tesla aufzuschließen. Auch Daimler geht in diese Richtung und richtet seine Produktpalette mit reinen E-Plattformen recht konsequent aus. Paradoxerweise scheint derjenige Konzern, der mit der E-Mobilität am frühesten dran war – BMW –, jetzt am zögerlichsten zu sein.

    Müssen wir damit rechnen, dass Konzerne wie Daimler noch stärker unter chinesischen den Einfluss geraten?

    Dudenhöffer: Man kann Daimler nur wünschen, dass die Chinesen mehr Einfluss gewinnen. Warum sollte das eine Gefahr sein? China wird in Schlüsseltechnologien wie neuen Antrieben oder autonomem Fahren einer der Technologieführer weltweit sein. Daimler-Großaktionär Geely hat aus seiner Tochter Volvo in kurzer Zeit eine blühende Marke gemacht.

    Laut EU-Plänen sollen Autos bis 2030 noch zwei Liter Sprit auf 100 Kilometer brauchen. Ist das überambitioniert?

    Dudenhöffer: Nein, auch das ist richtig und für die Branche zu schaffen. Es zwingt die Unternehmen konsequent in Richtung E-Mobilität umzulenken, weil ganz klar ist, dass die Vorgaben nur einzuhalten sein werden, wenn in zehn Jahren etwa zwei Drittel der Neufahrzeuge reine E-Autos sind.

    Und die Jobs?

    Dudenhöffer: Die Verschärfung der CO2-Anforderungen schafft eher Arbeitsplätze als dass es sie kostet. Insbesondere wenn man Gegeneffekte mit einrechnet, etwa dass Tesla sein Werk in Brandenburg massiv erweitert, was dann wahrscheinlich wäre.

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