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Meitingen: Japaner übernehmen SGL: Was das für die Jobs in Meitingen bedeutet

Meitingen

Japaner übernehmen SGL: Was das für die Jobs in Meitingen bedeutet

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    Ein japanisches Unternehmen wird das  Graphitelektrodengeschäft des deutschen Unternehmens SGL Group in Meitingen übernehmen.
    Ein japanisches Unternehmen wird das Graphitelektrodengeschäft des deutschen Unternehmens SGL Group in Meitingen übernehmen. Foto: Andreas Lode (Archiv)

    Es war ein zähes Ringen. Bieter aus China, Russland und den USA galten lange als heiße Favoriten für die Übernahme eines interessanten deutschen Industriegeschäfts. Am Ende zogen überraschend die Japaner allen davon. Wie am Donnerstag bekannt gegeben wurde, wird der 1939 gegründete Konzern Showa Denko, eines der führenden Chemie-Unternehmen Japans mit weltweit mehr als 10.000 Mitarbeitern, das Graphitelektrodengeschäft des deutschen Unternehmens SGL Group übernehmen. Der immer wieder genannte chinesische Anbieter Chemchina ist aus dem Rennen.

    Damit ist vorerst der Vormarsch chinesischer Investoren in unserer Region gestoppt. Zuvor hatten Riesen aus dem asiatischen Land den Augsburger Roboterbauer Kuka und eine frühere Sparte des Osram-Konzerns mit einem Standort in Augsburg übernommen. Am nördlich von

    Denn sie arbeiten bei der Sparte, die Graphitelektroden liefert. Diese sehen aus wie ein langer, schwarzer Stab und sind notwendig, um Stahlschrott zu schmelzen. Die Verbindungsteile, also die Nippel der Elektroden, werden in Meitingen hergestellt. So gab es auch den Spruch: „Die Welt hängt am Meitinger Nippel.“

    Für die 200 Mitarbeiter in Meitingen ist die Übernahme positiv

    Aus Sicht der 200 Meitinger Frauen und Männer ist die Übernahme positiv: Dank eines Standortsicherungsvertrages sind ihre Jobs nach Darstellung des Unternehmens bis Februar 2018 erst einmal garantiert. Was dann kommt, entscheidet der neue Investor aus Japan. SGL selbst will keine Prognose treffen, wie es weitergehen könnte. Vonseiten des Konzerns hieß es nur, für die Strategie des Geschäfts sei der neue Eigentümer zuständig.

    So viel ist aber klar und sollte die Beschäftigten beruhigen: Die Geschäfte von Showa Denko und des SGL-Graphitelektrodenbereichs ergänzen sich. Während die Japaner gut in Asien und den USA aufgestellt sind, ist SGL in Europa stark. Wenn es bei solchen Übernahmen kaum Überlappungen gibt, war das bei ähnlichen Transaktionen oft ein Anzeichen dafür, dass Beschäftigten keine großen Einschnitte drohen.

    Doch all das sind Spekulationen. Entscheidend ist, was die Japaner vorhaben. Showa-Denko-Chef Hideo Ichikawa sagte nur: „Mit dem Kauf streben wir eine globale Führungsposition im Graphitelektrodenmarkt an.“ SGL-Boss Jürgen Köhler, der das in einer Krise steckende Unternehmen sanieren will, meinte: „Wir haben den idealen Eigentümer für das Geschäft gefunden.“

    Insgesamt sichern sich die Japaner einen SGL-Bereich mit rund 950 Mitarbeitern und sechs Produktionsstätten in Deutschland, Österreich, Spanien, USA und Malaysia. Der voraussichtliche Verkaufserlös soll bei mindestens 200 Millionen Euro liegen. Das Geschäft soll im ersten Halbjahr 2017 unter Dach und Fach gebracht werden. Showa Denko erzielte zuletzt bei einem Umsatz von 6,8 Milliarden Euro ein operatives Ergebnis von 0,3 Milliarden Euro. Die Firma genießt einen guten Ruf.

    SGL verliert großen Teil seines Geschäfts

    Die SGL Group trennt sich von der Graphitelektrodensparte, weil es vor allem wegen chinesischer Anbieter in der Stahlindustrie weltweit Überkapazitäten gibt. Das hat die Preise in den Keller fallen lassen, was SGL vor große Schwierigkeiten stellt. Für SGL ist der Konzernumbau aber damit längst nicht vorbei. SGL-Chef Jürgen Köhler will 2017 auch das Geschäft mit Kathoden, Hochofenauskleidungen und Kohlenstoffelektroden verkaufen, wie er Mittag erklärte.

    Anders als das jetzt nach Japan verkaufte Geschäft seien diese Bereiche „nachhaltig profitabel“, sodass SGL auf einen guten Verkaufspreis hofft. Als mögliche Käufer nannte Köhler globale Wettbewerber, Unternehmen aus China und Finanzinvestoren. Hier ist Meitingen nach Darstellung eines SGL-Sprechers mit acht Arbeitsplätzen nicht so stark betroffen. Die Produktionsstätten mit über 600 Mitarbeitern liegen in Polen.

    Einschnitte wird es außerdem noch in der Verwaltung geben, kündigte Köhler an. Sie soll an die geringere Unternehmensgröße angepasst werden. Gekürzt werden soll bei Personal und den Sachkosten. SGL hofft, einen zweistelligen Millionenbetrag einsparen zu können. Ein Konzept für die Kürzungen in der Verwaltung soll bis Ende des Jahres stehen.

    Mit dem Geld aus den Verkäufen will SGL Schulden zurückzuzahlen. SGL verliert damit aber auch einen großen Teil seines Geschäfts. Die Unternehmensteile, die abgestoßen werden, stehen bisher für rund 40 Prozent des Umsatzes von rund 1,3 Milliarden Euro. „Wir schrumpfen, wir werden aber auch profitabler“, sagte Köhler. Wenn nun der klassische Zuliefer-Bereich für die Stahl- oder Aluminiumherstellung verkauft wird, wo will dann das Unternehmen in Zukunft wachsen?

    Köhler setzt hier auf dynamische Bereiche wie Mobilität, Energieerzeugung und Energiespeicherung. Graphit sei zum Beispiel für die Herstellung von Akkus für Elektroautos nötig. „Ohne Graphit und Carbon gibt es auch keine Halbleiter, keine LEDs“, sagte er. Leichtbauteile aus Kohlenstoff-Faser wiederum können im Autobau verwendet werden, auch in der Windkraft-Industrie stößt der Leichtbau auf Nachfrage. Meitingen ist ein wichtiger Standort für die Fertigung von Geweben aus Carbon- oder Glasfasern sowie für Bauteile aus carbonfaserverstärktem Kunststoff.

    Das technologisch interessante SGL-Faserverbundgeschäft, dank dessen die Karosserien von Elektroautos wie dem BMW i3 leicht sind, bleibt damit in deutscher Hand. Es wäre auch verwunderlich, wenn SGL-Großaktionärin Susanne Klatten sich von diesem Zukunftsbereich getrennt hätte. Denn die Unternehmerin ist auch bei BMW bestimmende Anteilseignerin. SGL und

    SGL-Chef Köhler macht jetzt Druck, um das Unternehmen besseren Zeiten entgegenzuführen. Er stellte in Aussicht, den Umsatz nach den Verkäufen der Unternehmensteile von dann noch 700 bis 800 Millionen Euro auf 1,1 Milliarden Euro steigern zu wollen.

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