Die Milliarden-Unternehmung Stuttgart 21 ist noch nicht fertig, um den Ausbau der ICE-Strecke Augsburg–Ulm wird weiter gerungen, da setzen Bund und Deutsche Bahn bereits das nächste Großprojekt auf die Schiene: den Fernbahntunnel Frankfurt. Geplant ist sein Verlauf unter der Innenstadt der Mainmetropole. Dazu soll der Frankfurter Hauptbahnhof nach unten hin ausgebaut und so an die neue Strecke angebunden werden.
Warum ist das nötig? Frankfurt hat einen Kopfbahnhof, den täglich über 1200 Züge von nah und fern ansteuern. 450.000 Reisende und Pendler steigen hier aus oder um. Kopfbahnhof heißt: Die Züge fahren rein und wieder raus, aber nicht durch. Da die Deutsche Bahn in den nächsten Jahren mit deutlich mehr Zugverkehr durch Frankfurt rechnet, soll der neue Tunnel samt der Hauptbahnhof-Erweiterung die Kapazitäten erhöhen und die oberirdische Drehscheibe entlasten. Und er soll helfen, Zugverspätungen zu reduzieren, die in Frankfurt regelmäßig entstehen. Wenn irgendwann alles fertig ist, könnte laut Bahn „ein Großteil“ des Fernverkehrs an den vier neuen Steigen des neuen Tiefbahnhofs – rund 35 Meter unter der Erde – halten und wieder losrollen. Es wären nach jetzigem Stand der Planung 250 mehr pro Tag, sagte DB-Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla. „Der Fernbahntunnel ist ein weiteres wichtiges Element für den Deutschlandtakt, der die Metropolen unseres Landes in einem 30-Minuten-Rhythmus verbinden wird.“
Kostenpunkt für den Frankfurter Fernbahntunnel: geschätzte 3,6 Milliarden Euro
Nachdem eine Studie bestätigt hat, dass das auf geschätzte 3,6 Milliarden Euro teure XXL-Projekt machbar ist, will die Bahn nun mit den konkreten Planungen beginnen. Bis die abgeschlossen sind, kann es dauern. Danach folgt die auf zehn Jahre ausgelegte Bauzeit. Bis also der erste Passagier im neuen Tiefbahnhof zusteigt, dürften noch Jahre vergehen. Die Bahn nennt als Baubeginn 2030. Der Bund möchte schon früher starten. Wann auch immer es losgeht, Stuttgart 21 ist bis dahin aber sicher fertig.
Und ist in Frankfurt Widerstand zu erwarten wie einst in der baden-württembergischen Landeshauptstadt? 2001 war das heftig diskutierte Vorhaben „Frankfurt 21“ zu den Akten gelegt worden – ähnlich wie in Stuttgart sollte der Kopfbahnhof damals durch einen Tiefbahnhof ersetzt werden. Dass sich das aktuelle Vorhaben davon unterscheidet, wurde Anfang der Woche bei der Vorstellung mehrmals und von verschiedenen Seiten betont. Das Vorbild liege nicht im Südwesten Deutschlands, sondern in Zürich, wo unter dem Kopfbahnhof ein zusätzlicher Tiefbahnhof entstanden ist – mit sehr guter Wirkung auf den Zugverkehr, wie auch der Fahrgastverband Pro Bahn betont.
Pro Bahn und BUND haben sich für das Projekt ausgesprochen
Zusammen mit weiteren Verbänden und Vereinen hat sich Pro Bahn in einer Resolution für das Frankfurter Vorhaben ausgesprochen. Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) gehört dazu. Dies vermindert zwar die Wahrscheinlichkeit, dass sich Protest gegen das Vorhaben formiert – möglich ist dies aber weiterhin, auch wenn Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) nicht damit rechnet.
Peter Stöferle, Experte für Mobilität und Stadtentwicklung bei der IHK Schwaben, befürwortet die Bahnpläne für Frankfurt und zieht die Verbindung zum größten und wichtigsten regionalen Vorhaben der Deutschen Bahn: „Der Frankfurter Fernbahntunnel ist wichtig für den Deutschlandtakt. Genauso übrigens wie die Bahnausbau- und -neubaustrecke zwischen Ulm und Augsburg. Diese Bausteine braucht es.“ Erst wenn beides – genauso übrigens wie die sich im Bau befindende ICE-Strecke von Stuttgart nach Ulm – fertig sei, werde es gelingen, von jeder Metropole des Landes alle halbe Stunde einen Zug in die nächste Metropole besteigen zu können. Derzeit gehe das nur jede Stunde, so Stöferle. Mit Blick auf den Frankfurter Fernbahntunnel rechnet er nicht mit einem baldigen Start. „Man hat in Deutschland bei Projekten dieser Größenordnung in aller Regel einen Vorlauf von mindestens fünf Jahren.“
Was ist mit der Ausbaustrecke Augsburg - Ulm?
Bei der Ausbaustrecke Augsburg–Ulm laufen derzeit die – in den betroffenen Landkreisen und Gemeinden viel diskutierten – Vorplanungen für vier verschiedene Trassenkorridore. Bis 2024 soll es eine Vorzugsvariante geben. Bis die ICEs mit 300 Stundenkilometern durch Bayerisch-Schwaben rauschen, um es dann in unter 30 Minuten von Augsburg bis zum Ulmer Hauptbahnhof zu schaffen, werden noch Jahre vergehen.
Stuttgart 21 soll bis 2025 fertig sein. Kostenrahmen von 8,2 Milliarden Euro, nach diversen Kostensteigerungen und zeitlichen Verschiebungen. (mit dpa)