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Medizintechnik: Sein Unternehmen stellt Kühlschränke für den Corona-Impfstoff her

Medizintechnik

Sein Unternehmen stellt Kühlschränke für den Corona-Impfstoff her

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    Das Unternehmen von Peter Binder baut Kühlschränke für Medizinprodukte. Die sind gerade jetzt in der Krise sehr gefragt.
    Das Unternehmen von Peter Binder baut Kühlschränke für Medizinprodukte. Die sind gerade jetzt in der Krise sehr gefragt. Foto: Binder GmbH

    Wäre das Ganze nicht so traurig, Peter M. Binder würde wahrscheinlich einen Luftsprung machen. Den Chef des gleichnamigen Medizintechnik-Spezialisten aus Tuttlingen in Baden-Württemberg kannten bis vor wenigen Tagen vor allem Fachleute: ein paar Wissenschaftler, einige Einkäufer von Pharma- und Automobilfirmen und vielleicht der eine oder andere Beamte im Gesundheitsministerium.

    Und jetzt stehen vor seiner Firmenzentrale am Rande Tuttlingens, das sich selbstbewusst als „Weltzentrum der Medizintechnik“ bezeichnet, Fernsehteams von NBC und France-Info und wollen Details zu Ultra-Kühlung, Produktionskapazitäten und Kältemitteln wissen.

    Wegen der Corona-Pandemie herrscht bei der Binder Ausnahmezustand

    Keine Frage, bei der Binder GmbH, einem sogenannten Hidden-Champion, herrscht gerade Ausnahmezustand. Der hat viel zu tun mit dem nationalen Notstand, der in Sachen Corona-Pandemie herrscht. In der Bekämpfung des Virus kommt dem Mittelständler, der zuletzt einen Jahresumsatz von 74 Millionen Euro gemacht hat, nämlich eine zentrale Bedeutung zu.

    Der Grund: Kein anderes Unternehmen in Deutschland stellt Kühlschränke her, die so leistungsfähig sind, dass sie Temperaturen von bis zu 90 Grad Celsius unter null problemlos halten können. Und das ist genau jener Temperaturbereich, der benötigt wird, um die neuen Impfstoffe von Pharmafirmen wie Biontech, Pfizer oder Curevac sicher zu lagern. Und so stehen plötzlich alle Schlange vor Binders Produktionswerk am Fuße der Schwäbischen Alb. Globale Logistikkonzerne ordern die bis zu 20.000 Euro teuren Spezialschränke ebenso wie Labore, Pharmahersteller, Gesundheitsbehörden oder die Schweizer Armee, die in der Eidgenossenschaft die Verteilung der Impfdosen übernehmen wird.

    Corona-Impfstoff von Biontech und Pfizer muss tiefgekühlt werden

    „Wir produzieren unter Hochdruck“, sagt der Firmenchef, der den Gerätebauer 1983 mit nur fünf Mitarbeitern als Garagenfirma gegründet hat. Bis Jahresende könne man „eine hohe vierstellige Zahl an Ultra-Tiefkühlschränken“ ausliefern. Die Spezialisierung von Binder auf wenige Produkte helfe dabei, die Fertigung schnell auf die nötigen Kapazitäten hochzufahren.

    Geschwindigkeit wird auch nötig sein, denn die Menge an Impfstoff, die im Kampf gegen das Coronavirus gebraucht wird, ist enorm. In den kommenden zwei Jahren werden nach Analysten-Berechnungen rund zehn Milliarden Impfdosen weltweit transportiert und gelagert werden müssen. Allein Deutschland hat sich in einem ersten Schritt rund 57 Millionen Ampullen des Biontech/Pfizer-Wirkstoffs gesichert. Aber damit fängt die Herausforderung erst an.

    40.000 Impfdosen passen in einen Binder-Kühlschrank

    Der Tuttlinger Mittelständler Binder stellt Ultra-Tiefkühlschränke her. Das macht das Unternehmen in der Corona-Krise unersetzlich: Jedes Impfzentrum wird mehrere Geräte zur Kühlung des Impfstoffs benötigen.
    Der Tuttlinger Mittelständler Binder stellt Ultra-Tiefkühlschränke her. Das macht das Unternehmen in der Corona-Krise unersetzlich: Jedes Impfzentrum wird mehrere Geräte zur Kühlung des Impfstoffs benötigen. Foto: Binder GmbH

    Die sensiblen Wirkstoffe werden nach der Zulassung aus den pharmazeutischen Produktionswerken in isolierten Transportboxen, die mit Trockeneis ausgestattet sind, zu 60 deutschen Impfzentren verfrachtet. Dort müssen die Ampullen eingelagert werden. Zehn bis 15 Ultra-Tiefkühlschränke braucht jedes dieser Zentren, schätzt Binder. Etwa 40.000 Dosen könnten in jedem der mannshohen Binder-Schränke aufbewahrt werden.

    Dass die Corona-Krise die Nachfrage befeuern wird, weiß man bei Binder schon seit dem Frühjahr. Damals erhielt das Familienunternehmen erste Anfragen von Logistikern und wurde hellhörig. Firmen wie DH klopften an und wollten wissen, ob man mit den Spezial-Kühlschränken die eigenen Luftfrachtdrehkreuze und Verteilzentren aufrüsten könne. Dass Weltkonzerne in der baden-württembergischen Provinz anrufen, ist indes so ungewöhnlich nicht. Neben Binder können mit Panasonic aus Japan oder dem US-Konzern Thermo Fisher allenfalls einige wenige ausländische Konkurrenten ähnliche Hightech-Schränke liefern.

    Der Hersteller Binder will stark wachsen

    Man habe seine eigenen Lager daher „früh vollgemacht“, sagt Binder. Ein Umstand, der dem Unternehmen, das mittlerweile im Vier-Schicht-Betrieb arbeitet, jetzt hilft, der Nachfrage Herr zu werden. Dass nun so ein „Hype“ ausgelöst werden würde, habe ihn dann aber doch überrascht, wie Binder in einem Fernsehinterview vor wenigen Tagen sagte. Unrecht ist ihm die explosionsartig gestiegene Nachfrage natürlich nicht.

    Schon weit vor der Corona-Krise hatte Binder das ambitionierte Ziel ausgegeben, den Umsatz bis 2025 um gut die Hälfte auf 120 Millionen Euro zu steigern. Die Mitarbeiterzahl von Binder soll um etwa ein Fünftel auf 500 steigen – ein Plan, der unter den neuen Vorzeichen locker aufgehen könnte. Insbesondere, weil die Nachfrage nach den Kühlboxen nach Meinung von Branchenkennern noch länger hoch bleiben wird.

    Dass Binders Produkte jetzt so gefragt sind, hängt im Übrigen nicht zuletzt damit zusammen, dass das Unternehmen jährlich bis zu zehn Prozent des Umsatzes in Forschung und Entwicklung investiert. In normalen Zeiten ist das ein teurer „Spaß“ für einen Familienunternehmer. In der Krise hilft ihm der dadurch gewonnene technologische Vorsprung nun wohl, das Geschäft seines Lebens zu machen.

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