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Massentierhaltung: Deutsche essen immer mehr Huhn

Massentierhaltung

Deutsche essen immer mehr Huhn

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    Tausende Hühner in einem Stall eines Geflügelmastbetriebes im brandenburgischen Storkow
    Tausende Hühner in einem Stall eines Geflügelmastbetriebes im brandenburgischen Storkow Foto: dpa

    Die Deutschen lieben Brathähnchen, Hähnchenbrustfilet und Hähnchenschenkel, sie essen davon jährlich mehr. Die Menge der geschlachteten Jungmasthühner hat sich zwischen 2001 und 2010 verdoppelt: von rund 400.000 Tonnen auf über 800.000, wie das Statistische Bundesamt ausweist. Der durchschnittliche Deutsche isst rund 12 Kilo Geflügelfleisch und 29 Kilo Schweinefleisch im Jahr. Das könnte sich allerdings ändern, zumindest weltweit: Die Welternährungsbehörde FAO schätzt, dass spätestens 2018 das Huhn das Schwein als wichtigsten Fleischlieferanten abgelöst haben wird. Allein in Deutschland wurden 2011 über 600 Millionen Jungmasthühner geschlachtet; das sind rund 1,7 Millionen pro Tag.

    Ein ganzes Leben in vier Wochen

    Diese Massen können nur erreicht werden, weil alles effektiv und schnell geht. Die Hühner werden so gemästet und sind mittlerweile so gezüchtet, dass sie in kürzester Zeit schlachtreif sind: In rund vier Wochen bringt ein Masthuhn in einem konventionellen Betrieb das durchschnittliche Schlachtgewicht von 1,5 Kilogramm auf die Waage. In den 1980er Jahren dauerte das noch über acht Wochen.

    Dioxin-Hühnchen und gepanschtes Speiseöl - Lebensmittelskandale in Europa

    GIFTÖL: Mehr als 1200 Menschen starben 1981, nachdem sie gepanschtes spanisches Speiseöl zu sich nahmen. Das Rapsöl, das in Frankreich zu industriellen Zwecken hergestellt worden war, wurde in Spanien als Speiseöl verkauft. Mehr als 20.000 Menschen erlitten Vergiftungen durch das Öl, das mit Anilin verseucht war. Nach dem Skandal brachen die Verkaufszahlen für Olivenöl drastisch ein und erholten sich erst zwei Jahre später wieder.

    BSE: Die Rinderseuche BSE wurde 1986 erstmals bei Kühen in Großbritannien nachgewiesen und breitete sich in ganz Europa aus. Auf dem Höhepunkt der Krise verhängte die Europäische Union 1996 ein Exportverbot für britisches Rindfleisch. Forscher hatten zuvor nachgewiesen, dass der Verzehr von BSE-belastetem Fleisch zur neuen Variante der tödlich verlaufenden Creutzfeldt-Jakob-Krankheit beim Menschen führen kann. Durch die Krankheit, an der in Großbritannien 170 Menschen starben, wird das Gehirn nach und nach wie ein Schwamm durchlöchert.

    DIOXINHÜHNCHEN: 1999 wurde das krebserregende Dioxin in belgischem Hühnerfutter nachgewiesen. Geflügel und Eier aus belgischer Produktion wurden europaweit aus den Ladenregalen verbannt, was die Geflügelindustrie in eine schwere Krise stürzte. Belgien führte daraufhin ein Frühwarnsystem für verunreinigte Futtermittel ein. Als Konsequenz aus dem Skandal wandten sich viele Verbraucher von Eiern und Geflügel aus Massentierhaltung ab.

    VOGELGRIPPE: Vier Jahre nach dem Dioxinskandal ging erneut die Angst vor Geflügelfleisch um. Verantwortlich war die Vogelgrippe, die 2003 in Asien auftrat. Das H5N1-Virus, das die Krankheit auslöst, befällt vor allem Vögel, kann aber auch auf den Menschen übertragen werden und schwere Atemwegsinfektionen auslösen. Mehr als 240 Menschen starben an der Krankheit.

    EHEC: Nach den großen Fleischskandalen ist es nun Gemüse, das für die Verbreitung des lebensgefährlichen Darmkeims EHEC verantwortlich gemacht wird. Zunächst galten spanische Gurken als Quelle des Keims. Inzwischen werden die Erreger in Sprossen, also Gemüsekeimlingen, vermutet. Allein in Deutschland starben bislang mehr als zwanzig Menschen an der EHEC-Epidemie.

    In einem konventionellen Mastbetrieb leben die Tiere auf engstem Raum und fast ohne Tageslicht. 39 Kilogramm pro Quadratmeter darf der Mäster halten; das entspricht etwa 24 Tieren pro Quadratmeter – oder einem Huhn auf dem Platz eines DIN-A4-Blatts. Der Deutsche Tierschutzbund prangert die Haltung der Hühner in konventionellen Betrieben schon lange an. Die Tiere seien des beliebten Hähnchenbrustfilets wegen zu gezüchteten Krüppeln gemacht worden. Denn: Der Brustmuskel des Tiers wurde dafür übernatürlich groß gezüchtet. Die Folge sei, dass die Beine und Hüften dem Druck nicht mehr standhalten können und es zu schmerzhaften Beindeformationen komme. Ein weiteres Problem sieht der Verband in der Hygiene: Zumeist werde im Stall nur am Anfang frisch eingestreut. Die Tiere würden also oftmals in ihrem Kot liegen, schneller krank werden und bräuchten mehr Antibiotikum.

    Was aber bedeutet „Bio“ für die Qualität des Hühnerfleischs? Und für die Haltung des Huhns? Ein Biohuhn, so viel ist sicher, hat es besser als seine Artgenossen in konventioneller Massenhaltung: Es lebt länger, hat mehr Platz, bekommt Auslauf und frisst teureres (nicht genmanipuliertes) Biofutter. Auf Antibiotika wird weitgehend verzichtet.

    Nur ein Prozent sind Bio-Hühner

    All das kostet den Landwirt und den Verbraucher natürlich mehr Geld. Die Mehrheit der Deutschen greift daher zum billigen Huhn: Der Anteil der Biohühner am Markt macht dem Anbauverband Bioland zufolge nur rund ein Prozent aus. Mit dem bekannten Soziologen Ulrich Beck kann man sagen: Der Konsument bestimmt, wie sein Huhn lebt – und wie viel ein Tierleben wert ist.

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