Wenn Münchner die Schnauze richtig voll haben, sagen zumindest echte Vertreter dieser Spezies: „Langsam langt’s.“ Im Umkreis des in der Landeshauptstadt sitzenden BMW-Konzerns war diese Unmutsbekundung am Dienstag öfter zu hören. Spitz hieß es auch in Richtung der VW-Mannen nach Wolfsburg, nachdem diese schon wieder einen Top-Manager des Autobauers von der Isar abgeworben haben: „Wir freuen uns ja, dass wir die Kaderschmiede für den Nachwuchs an Führungskräften für die Branche sind, aber nun muss es gut sein.“
Schon Herbert Diess wechselte zu VW
Volkswagen hat nicht nur BMW-Spitzenmann Herbert Diess nach Niedersachsen gelotst, um den 59-Jährigen letztlich zum Konzern-Chef zu machen. Nun steht auch fest, dass mit Markus Duesmann, 49, wieder eine Münchner Spitzenkraft von VW herausgekauft wird. Welche Position der Westfale im Volkswagen-Reich bekleiden soll, steht noch nicht fest. Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer meint gegenüber unserer Redaktion jedenfalls: „Zu 90 Prozent wird er Audi-Chef.“ Aber es gebe bei Volkswagen einen weiteren Super-Posten zu vergeben. Diess fahnde auch nach einer Nummer zwei hinter ihm. Natürlich kommt Duesmann auch dafür infrage. Nach Recherchen unserer Redaktion steht noch nicht fest, welche der beiden Herausforderungen der in München hoch angesehene Manager annimmt.
Duesmann wäre jedenfalls eine exzellente Wahl für Audi, denn der Maschinenbau-Ingenieur bringt fachlich alles mit für den Job in Ingolstadt: Er versteht enorm viel von Motorenentwicklung und kennt sich auf dem Zukunftsfeld der Elektromobilität bestens aus, gerade was die Batterien-Technologie betrifft.
Zuletzt war Duesmann bei BMW im Vorstand für Einkauf, also die Beziehung zu Lieferanten zuständig – eine wichtige Tätigkeit, bei der es um viel Geld geht. Vor allem genießt der leidenschaftliche Motorradfahrer den Ruf, unbelastet in der Diesel-Affäre zu sein. Die Liste seiner fachlichen Qualifikationen ist lange. Dabei stechen Duesmanns Erfahrungen als Entwickler für Formel-1-Autos heraus, erst für Mercedes und später auch für BMW. Kein Wunder, dass er Unmengen an Patenten hält.
Der Diesel-Skandal bei Audi - eine Chronologie
18. September 2015: Die amerikanische Umweltbehörde EPA deckt auf, dass der VW-Konzern bei Dieselfahrzeugen die Ermittlungen der Abgaswerte manipuliert hat. Sie geben auf dem Prüfstand geschönte Werte aus. Auch der Audi A3 ist betroffen.
2. November 2015: Der Skandal weitet sich aus. Die EPA findet heraus, dass auch bei anderen Dieselmodellen die Abgasreinigungsanlage manipuliert wurde. Unter anderem beim Audi A6 Quattro, A7 Quattro, A8, A8L und Q5. Nun ist auch die Rede davon, dass Porsche Abgaswerte schönrechnet. Denn die Porsche-Diesel-Motoren werden von Audi entwickelt.
4. November 2015: Nach den neuen Vorwürfen der EPA stoppen VW, Porsche und Audi den Verkauf der betroffenen Autos in den USA.
21. November 2015: Die EPA teilt mit, dass Vertreter des VW-Konzerns eingeräumt haben, bei sämtliche Diesel-Fahrzeuge der Marken VW und Audi mit 3,0-Liter-Motoren aus den Modelljahren 2009 bis 2016 Schummelsoftware eingebaut zu haben.
23. November 2015: Audi räumt ein, zumindest in den USA in 3,0-Liter-Diesel-Autos Betrugssoftware eingebaut zu haben.
4. Januar 2016: Die USA verklagen VW, Audi und Porsche wegen des Einsatzes von Betrugssoftware.
6. November 2016: Es wird bekannt, dass wohl noch mehr Audi-Modelle mit einer Betrugssoftware ausgestattet worden sind. Diesmal soll der Autohersteller auch bei den CO2-Werten geschummelt haben.
15. März 2017: Während der Jahrespressekonferenz von Audi durchsuchen mehr als 100 Polizisten die Audi-Zentrale in Ingolstadt, weitere Standorte und die Wohnungen von Mitarbeitern. Grund ist ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwalt München II gegen Unbekannt wegen des Verdachts des Betrugs und der strafbaren Werbung.
1. Juni 2017: Das Verkehrsministerium findet heraus, dass Audi auch in Deutschland illegale Abschalteinrichtungen in Autos eingebaut hat. 24000 Fahrzeuge sind betroffen.
2. Juni 2017: Die Staatsanwaltschaft München II weitet ihr Ermittlungsverfahren gegen Audi aus. Nun geht es auch um Fahrzeugverkäufe in Deutschland und Europa
7. Juli 2017: Bei den Ermittlungen in der Diesel-Affäre wird zum ersten Mal in Deutschland ein Beschuldigter festgenommen. Dem Ex-Audi-Manager aus Neckarsulm werden Betrug und unlautere Werbung vorgeworfen.
4. August 2017: Die Münchner Staatsanwaltschaft leitet im Zusammenhang mit der Diesel-Affäre ein Bußgeldverfahren gegen mehrere Audi-Vorstände ein. Wegen möglicher Verletzung von Aufsichtspflichten laufe ein solches Verfahren gegen noch unbekannte Vorstände des Autobauers, teilt die Behörde mit.
28. September 2017: Im Zusammenhang mit der Abgasaffäre gibt zwei weitere Durchsuchungen. Ein weiterer Audi-Mitarbeiter kommt in Untersuchungshaft.
2. November 2017: Audi ruft weitere 5000 Diesel-Autos mit unzulässiger Abschalteinrichtung zurück.
21. Januar 2018: Das Kraftfahrtbundesamt ordnet einen weiteren Zwangsrückruf an. Diesmal müssen 130 000 Audis zurück in die Werkstätten.
6. Februar 2018: Die Staatsanwaltschaft München II durchsucht Geschäftsräume in der Audi-Zentrale in Ingolstadt und im Werk in Neckarsulm. Auch eine Privatwohnung wird durchsucht.
8. Mai 2018: Audi stoppt die Auslieferung des A6 und A7. Bei einer Überprüfung hätte sich herausgestellt, dass eine falsche Software zur Abgasreinigung in den Wagen verbaut worden sei. Allerdings wäre dies aus Versehen geschehen und nicht zum Zweck der Manipulation, sagt der Ingolstädter Konzern.
11. Juni 2018: Die Staatsanwaltschaft München II gibt bekannt, dass sie nun auch gegen Audi-Chef Rupert Stadler und den Beschaffungsvorstand Bernd Martens ermittelt.
18. Juni 2018: Audi-Chef Rupert Stadler sitzt in Untersuchungshaft. Es bestehe Verdunklungsgefahr.
Wann Duesmann bei VW anfängt, ist unklar
Der Techniker wirkt jedoch unverändert bodenständig. Einer, der ihn lange kennt, sagt: „Er kann Menschen führen, ja er ist ein Menschenfischer.“ Duesmann, der eine Tochter hat und nicht verheiratet ist, hatte keiner so recht auf den VW-Nachbesetzungszettel, nachdem Audi-Mann Rupert Stadler tief sank. Doch man hätte draufkommen können: Schließlich ist es naheliegend, dass Ex-BMW-Mann Diess nach München zum Wildern fährt. Wann Duesmann bei VW oder Audi anfängt, ist unklar. Schließlich läuft sein Vertrag bei BMW noch. Hier ist VW auf das Entgegenkommen des Aufsichtsrats des Münchner Konkurrenten angewiesen. Dort dürfte aber der ein oder andere ob den Dauer-Wilderern aus Wolfsburg verschnupft sein.
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