Der Raum heißt "Casablanca", in den Fendt an diesem Vormittag Journalisten zum Gespräch geladen hat. Und wenn man Peter-Josef Paffen in die Augen schaut, mag man ein klein wenig Wehmut erahnen. Zu sehen ist aber vor allem ein Mann, der mit sich augenscheinlich im Reinen ist. Nach über einem Jahrzehnt an der Spitze des Marktoberdorfer Traktorenherstellers AGCO/Fendt legt Paffen (65) sein Amt zum Jahresende nieder. Das ist die Botschaft, die das Unternehmen am Sonntag auf der weltgrößten Landtechnik-Messe Agritechnica in Hannover bekannt gibt.
Der Wechsel an der Fendt-Spitze war seit Längerem geplant. Paffen – darauf legt er Wert – verlässt das Unternehmen auf eigenen Wunsch und geht in den Ruhestand; sein Vertrag wäre noch länger gelaufen. "Mein Ziel war es immer, selbstbestimmt aufzuhören", sagt er. Und: "Ich gehe mit einem guten Gefühl." Nachfolger Paffens als Vorsitzender der AGCO/Fendt-Geschäftsführung wird ab Januar der 53-jährige Christoph Gröblinghoff. Der neue Fendt-Chef ist seit fünf Jahren bei der AGCO International GmbH in Neuhausen (Schweiz) für die Händlerentwicklung in Europa und dem Nahen Osten verantwortlich. Als Nachfolge-Kandidat war auch AGCO-Europachef Rob Smith gehandelt worden. Doch der wechselt Ende Januar als Chef zum finnischen Maschinenbauer Konecranes.
Fendt-Chef Paffen begeisterte sich schon früh für Landtechnik
Von einer "Ära Paffen" spricht Martin Richenhagen, Präsident und CEO des amerikanischen Fendt-Mutterkonzerns AGCO. "Peter-Josef Paffen hat die Hightech-Marke Fendt in den zurückliegenden zehn Jahren mit seiner Mannschaft zu neuen Höchstleistungen geführt und die Globalisierung entscheidend voran getrieben." Fendt betreibt in Marktoberdorf das laut Richenhagen"effizienteste und produktivste Traktorenwerk der Welt". Ursprünglich sei geplant gewesen, zeitgleich in den Ruhestand zu gehen, sagt Richenhagen. Nun wird Richenhagen wohl noch ein Jahr ohne seinen langjährigen Weggefährten weiter machen. Ganz abreißen wird der Kontakt aber ohnehin nicht: Im Frühjahr soll Paffen dem Fendt-Aufsichtsrat angehören.
1998 wechselte der gelernte Landwirt und Landtechnik-Ingenieur Paffen vom Landtechnik-Konzern International Harvester Company (IHC) ins Ostallgäu zum Traktorenhersteller Fendt. Das frühere Familienunternehmen gehörte zu diesem Zeitpunkt bereits ein Jahr zum AGCO-Konzern. Der gebürtige Rheinländer Paffen legte einen schnellen Aufstieg hin und gehörte bereits ab dem Jahr 2000 der Fendt-Geschäftsführung an.
Peter-Josef Paffen verlässt Fendt auf eigenen Wunsch
Im März 2009 ernannte der Fendt-Aufsichtsrat Peter-Josef Paffen zum Nachfolger des überraschend verstorbenen Fendt-Chefs Hermann Merschroth. Mitten in der Weltwirtschaftskrise bewies Paffen Geschick und führte Fendt erfolgreich durch die turbulente Phase. Unter Paffens Führung wurde im September 2012 das neue, laut Unternehmen "modernste Traktorenwerk der Welt" eröffnet, in das AGCO am Standort Marktoberdorf insgesamt 270 Millionen Euro investierte. Auch strategisch stellte sich der Hersteller neu auf: Mittlerweile präsentiert sich Fendt als Anbieter eines Vollsortiments (Full-Liner) mit Maschinen für sämtliche landwirtschaftlichen Prozesse. Darüber hinaus erhielt Fendt in den vergangenen Jahren den Zuschlag für strategische Großprojekte des AGCO-Konzerns wie zum Beispiel den Ausbau des Kabinenwerks in Asbach-Bäumenheim zum europäischen AGCO-Kompetenzzentrum für Kabinen. Zudem entstand am Fendt Stammsitz in Marktoberdorf das globale AGCO-Kompetenzzentrum für Digitalisierung mit rund 150 Arbeitsplätzen.
Im Jahr 2015 ergriff Paffen die Initiative für die "2020-Strategie". Das Ziel: Im Jahr 2020 insgesamt 20 000 Traktoren im Traktorenwerk Marktoberdorf zu bauen und zu verkaufen. Noch ist nicht sicher, ob die Marke erreicht wird, wenngleich sich Paffen zuversichtlich gibt. Den Schlussspurt muss nun sein Nachfolger hinlegen. Paffen geht nach einem, wie er sagt, "gigantisch guten Jahr". Über 18500 Traktoren werden heuer laut Paffen in Marktoberdorf vom Band rollen. Ein neuer Rekordwert.
Überhaupt kann Paffen auf eine überaus positive Bilanz zurückblicken: Von 2009 bis 2019 stieg der Traktorenabsatz um 50 Prozent. Der Umsatz der Marke Fendt hat sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt. In Deutschland kamen vier neue AGCO/Fendt Standorte hinzu. Mit dem Traktoren- und Getriebewerk in Marktoberdorf und dem Kabinenwerk in Asbach-Bäumenheim produziert AGCO inzwischen an sechs Standorten in Deutschland. Die Zahl der Beschäftigten erhöhte sich von 3300 im Jahr 2009 auf 6100 (ein Plus von über 85 Prozent).
Paffen-Nachfolger Gröblinghoff tritt in große Fußstapfen
Es sind also keine kleinen Fußstapfen, in die der neue Fendt- Chef Christoph Gröblinghoff tritt. Der 53-Jährige stammt aus Ostwestfalen. Vor seinem Studium machte er eine Ausbildung zum Landwirt. Der Diplom-Ingenieur Agrar war vor seinem Wechsel im Jahr 2014 zu AGCO zwei Jahre lang Generalbevollmächtigter der Raiffeisen Waren-Zentrale Rhein-Main. Seine neue Position nennt er "den besten Job, den man im AGCO-Konzern haben kann".
Was werden die künftig größten Herausforderungen für den neuen Mann an der Fendt-Spitze sein? Gröblinghoff nennt vier Schwerpunkte: Die 2020-Strategie erfolgreich zu Ende führen. Zudem müsse Fendt (geschätzter Umsatz 2,2 Milliarden Euro)seinen Rang als weltweiter Technologieführer nicht nur halten, sondern weiter ausbauen. Es gelte, den globalen Wachstumskurs erfolgreich fortführen, sagt Gröblinghoff. Das Unternehmen will mit Weltprodukten seine Marktanteile vor allem in Nord- und Südamerika sowie Asien erhöhen. Nicht zuletzt soll das Händlernetzwerk erweitert werden.
In Hannover gab AGCO/Fendt noch weitere Personalien bekannt: Nachfolgerin des langjährigen Finanzgeschäftsführers Michael Gschwender wird Ingrid Bußjäger-Martin (48), die zuletzt als Director Controlling bei Fendt tätig war. Gschwender geht nach 48 Jahren bei Fendt auf eigenen Wunsch in den Ruhestand. Neuer AGCO-Europachef wird ab Januar Torsten Dehner.
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