Verschwiegene Milliardenrisiken, verspätete Information an die Aktionäre – und dazu die drei gewichtigen Namen Herbert Diess, Hans Dieter Pötsch und Martin Winterkorn: Die alte und neue Führungsspitze von Volkswagen soll sich nach dem Willen der Braunschweiger Staatsanwaltschaft jetzt vor Gericht verantworten. Konzern-Boss Diess, Aufsichtsratschef Pötsch und dem früheren Vorstandsvorsitzenden Winterkorn wird vorgeworfen, Anleger nicht rechtzeitig über die drohenden finanziellen Folgen des Diesel-Debakels ins Bild gesetzt zu haben.
Die Anwalte der Beschuldigten wiesen den Vorwurf der Marktmanipulation zurück. „Das Unternehmen hat den Sachverhalt akribisch mit Unterstützung von internen und externen Experten untersucht“, betonte auch das für Rechtsfragen zuständige VW-Vorstandsmitglied Hiltrud Werner. „Das Ergebnis ist eindeutig: Die Vorwürfe sind unbegründet. Sollte es zu einem Prozess kommen, sind wir überzeugt davon, dass sämtliche Vorwürfe sich als haltlos erweisen werden.“ Trotzdem traf sich der Aufsichtsrat von Volkswagen am Dienstag zu einer Sondersitzung, die zunächst noch andauerte.
Vorwurf der Marktmanipulation: Herbert Diess kam 2015 zu VW
Der heutige Vorstandschef Diess kam im Juli 2015 zu Volkswagen, Konzernchef wurde der frühere BMW-Manager erst knapp drei Jahre später. Für ihn sei in keiner Weise absehbar gewesen, dass die Diesel-Affäre zu finanziellen Konsequenzen in einer für den Kapitalmarkt relevanten Größenordnung führen könnte, erklärten seine Verteidiger. Käme es zu einem Prozess, müsste Diess häufiger vor Gericht erscheinen. Vergleichbare Fälle haben gezeigt, wie stark das einen Vorstandsvorsitzenden und ein Unternehmen belastet.
Winterkorn wurde im April von der Staatsanwaltschaft Braunschweig schon einmal angeklagt. Ihm und vier weiteren Führungskräften wird im Zuge des Diesel-Skandals unter anderem schwerer Betrug vorgeworfen. In den USA erging im Mai 2018 sogar ein Haftbefehl gegen ihn, weil er schon vor dem Auffliegen der Affäre im September 2015 über Manipulationen an der Abgasreinigung von Dieselwagen informiert worden sein soll. Zudem laufen in Braunschweig Ermittlungen gegen mehrere Verdächtige wegen mutmaßlich falscher CO2- und Verbrauchsangaben. In München wird dem ehemaligen Audi-Chef Rupert Stadler und drei weiteren Angeklagten „Betrug, mittelbare Falschbeurkundung sowie strafbare Werbung“ zur Last gelegt.
Strafen im Diesel-Skandal
Gegen den Daimler-Konzern hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart im Zuge des Diesel-Skandals nach eigenen Angaben ein Bußgeld von 870 Millionen Euro verhängt. Eine fahrlässige Verletzung der Aufsichtspflicht bei der Zertifizierung von Fahrzeugen habe dazu geführt, dass Autos mit Dieselmotoren Genehmigungen erhielten, obwohl der Ausstoß von Stickoxiden teilweise nicht den Anforderungen entsprach.
Daimler will gegen den Bescheid keine Rechtsmittel einlegen. Zuvor waren schon mehrere andere Hersteller mit Bußgeldern belangt worden. Volkswagen und seine Töchter Audi und Porsche mussten zusammen Summen von mehr als zwei Milliarden Euro zahlen. Der Zulieferer Bosch bekam ebenfalls von der Staatsanwaltschaft Stuttgart ein Bußgeld in Höhe von 90 Millionen Euro aufgebrummt. (mit dpa)
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