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MAN Energy Solutions: VW-Spitzenmanager und MAN-Energy-Chef im Interview: "Stellenabbau lässt keinen kalt"

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VW-Spitzenmanager und MAN-Energy-Chef im Interview: "Stellenabbau lässt keinen kalt"

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    Der Großmotorenhersteller MAN Energy Solutions wird in Augsburg stellen abbauen.
    Der Großmotorenhersteller MAN Energy Solutions wird in Augsburg stellen abbauen. Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa

    Das Augsburger Traditions-Unternehmen MAN Energy Solutions, das früher MAN Diesel & Turbo hieß, wird nicht verkauft. Volkswagen bleibt bis mindestens Ende 2024 alleiniger Eigentümer des Motoren- und Turbomaschinenspezialisten. Doch die Firma muss deutlich effizienter werden und dafür 450 Millionen Euro einsparen. Im Rahmen des Programms „Performance 2023“ fallen rund 800 von zuletzt etwa 4400 Arbeitsplätzen allein in Augsburg weg. Wie es nun mit dem Betrieb weitergeht, erläuterten Volkswagen-Personalvorstand sowie MAN-Energy-Solutions-Aufsichtsratschef Gunnar Kilian und MAN-Energy-Solutions-Chef Uwe Lauber in einem Doppel-Interview.

    Herr Kilian, Sie haben Ihre Karriere mit einem Volontariat bei einer Lokalzeitung begonnen, sind gelernter Journalist, seit 2000 im Volkswagen Konzern tätig und wurden 2018 in den Vorstand berufen.

    Gunnar Kilian: Das Volontariat und die anschließende Redakteurstätigkeit waren eine gute Schule. Ich habe gelernt, mich schnell und fundiert in neue Themen einzuarbeiten. Das hilft mir heute noch. Dass ich lange bei Volkswagen bleibe, war anfangs nicht geplant. Ich wollte zwei bis drei Jahre hautnah erleben und vor allem verstehen, wie so ein großer Konzern funktioniert. Dann wollte ich wieder in die Medienlandschaft zurück. Doch Volkswagen war und ist einfach zu spannend für mich.

    Gunnar Kilian ist seit 2011 mit MAN Energy Solutions in Kontakt

    Seit wann beschäftigen Sie sich mit MAN Energy Solutions?

    Kilian: Bereits seitdem Volkswagen 2011 die Münchner MAN SE und damit auch die Augsburger MAN-Betriebe übernommen hat. Damals war ich noch nicht VW-Personal-Vorstand, sondern begleitete das Thema „MAN“ von der Arbeitnehmer-Seite. Erst als Pressesprecher, später als Geschäftsführer des Konzernbetriebsrats. Sprich, es ist eine Langzeit-Beziehung zwischen der Augsburger MAN und mir.

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    Und wie haben Sie, Herr Lauber, Herrn Kilian kennengelernt?

    Uwe Lauber: Etwa in dem Zeitraum, den Herr Kilian gerade angedeutet hat. Wir diskutierten zusammen in Wolfsburg, welche Zukunft der Augsburger Maschinenbauteil bei dem Fahrzeughersteller VW hat und wie man ihn weiterentwickeln kann. Wir sind ja ein Exot im Volkswagen-Konzern, schließlich haben wir keine Räder unten dran. Aber mir fiel gleich angenehm auf, dass Herr Kilian ein Faible für Maschinenbau hat. Von Anfang an war das die Basis für unsere gute Zusammenarbeit.

    Lange wurde spekuliert, dass MAN Energy Solutions wie die Augsburger Getriebetochter Renk von VW verkauft wird. Dabei hatte einst VW-Legende Ferdinand Piëch, für den Sie, Herr Kilian, über ein Jahr in dessen Salzburger Büro gearbeitet haben, ein klares Statement für den Verbleib des von ihm als Techniker bewunderten Unternehmens im VW-Reich abgegeben.

    Kilian: Ich bin froh, dass es uns gelungen ist, dass MAN Energy Solutions zunächst im Volkswagen Konzern verbleiben wird. Das heißt konkret, dass wir uns als Volkswagen jetzt aktiver dem Maschinenbau, wenn dieser auch nicht unser Kerngeschäft ist, annehmen.

    Lauber: "Wir wollen alle unter dem VW-Dach bleiben"

    Aber, Herr Kilian, so weit geht Ihr Faible für Maschinenbau dann doch nicht, dass Volkswagen an den 4400 Arbeitsplätzen in Augsburg festhält und auf einen Job-Abbau verzichtet.

    Kilian: Technologisch überzeugt das Unternehmen absolut und hat die besten Voraussetzungen. Das wissen wir. Genauso klar ist aber auch, dass sich das Unternehmen in einer wirtschaftlich herausfordernden Situation befindet. Die Vorsteuerrendite lag 2019 bei nur 3,5 Prozent. Im Corona-Jahr 2020 waren es sogar nur etwa zwei Prozent. Daher hatten wir im vergangenen Jahr keine einfachen Gespräche mit der Arbeitnehmerseite bei MAN Energy Solutions. Wir wissen alle um die Stärken des Unternehmens. Doch wir müssen das Unternehmen wieder in eine vernünftige Ergebnissituation bringen. Das ist das Ziel. Herr Lauber, dessen Vertag wir gerade um fünf Jahre verlängert haben, und das MAN-Energy-Solutions-Team haben das klar im Fokus.

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    Was ist ein vernünftiges Ergebnis?

    Kilian: Wir peilen eine Vorsteuerrendite von rund neun Prozent bis 2023 an. Basis dafür ist das Performance-2023- Programm, das der Vorstand vorgelegt und dem der Aufsichtsrat zugestimmt hat. Im Vorfeld gab es dazu - wie angedeutet - intensive, bisweilen schwere Gespräche mit den Arbeitnehmervertretern. Es wurde sich kräftig gerieben. Doch ich bin insbesondere den Vertretern der IG Metall und des Betriebsrats dankbar, dass sie mitziehen und wir zusammen an der Zukunft arbeiten.

    Lauber: Das stimmt. Die Verhandlungen waren für alle Kräfte zehrend. Doch es gab eine Vertrauensbasis. Ob Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerseite: Wir wollten alle unter dem VW-Dach bleiben. Deshalb haben wir in hoher Geschwindigkeit den Interessensausgleich und den Sozialplan verhandelt. Natürlich schmerzt mich der Abbau von allein 800 Arbeitsplätzen in Augsburg und 1650 unternehmensweit. Aber es führt kein Weg daran vorbei. Unsere Performance muss besser werden. Wir brauchen höhere Gewinne, um Investitionen in Zukunftstechnologien wie den Ausbau der Wasserstoff-Aktivitäten selbstständig finanzieren zu können.

    Kilian: Es gab hoch emotionale Momente, denn es geht hier schließlich um Restrukturierung und auch - wie angesprochen - um Arbeitsplatzabbau. Das lässt keinen kalt und das darf es auch nicht. MAN ist eine der deutschen Traditionsfirmen. Mein Ur-Ur-Großvater hat seiner Zeit für MAN in Gustavsburg gearbeitet. Daher, vor allem aber aus den Gesprächen mit den heutigen Kollegen weiß ich, dass die MAN-Energy-Solutions-Mannschaft sehr stolz auf ihr Unternehmen und die Produkte ist, die in Augsburg oder Oberhausen gefertigt werden. Und das können die Beschäftigten auch sein. In ihrem jeweiligen Segment gehören die von ihnen gefertigten Produkte zu den besten auf dem Markt. Nicht umsonst sind wir in einigen Bereichen auch Weltmarktführer.

    Volkswagen ermöglicht MAN Energy Solutions den Fokus aufs Geschäft

    Warum muss das Unternehmen dennoch so hart saniert werden?

    Kilian: Die Restrukturierungsprogramme, die dem heutigen vorausgingen, waren nicht nachhaltig genug. Es wurde damals auf eine bessere Marktentwicklung gesetzt, die dann nicht kam. Jetzt ist uns jedoch ein tragfähiger Kompromiss gelungen, der greifen wird. Wir können für MAN Energy Solutions deshalb positiv nach vorne blicken. Die Kunden des Unternehmens sind begeistert von den Produkten. Das habe ich in Gesprächen mit Verantwortlichen aus dem Kundenkreis immer wieder erfahren. Das sorgt für eine spürbare Aufbruchsstimmung bei MAN Energy Solutions, die auch darauf basiert, dass Volkswagen es dem Unternehmen nun ermöglicht, sich in den kommenden Jahren auf das Geschäft zu konzentrieren. Das ist eine große Chance.

    Wie viele Mitarbeiter haben sich schon bereit erklärt, freiwillig über Altersteilzeit oder Abfindungen auszuscheiden?

    Lauber: Für rund 200 der 800 Arbeitsplätze in Augsburg, die wir abbauen wollen, haben wir bereits Einigungen mit Beschäftigten erzielt.

    Glauben Sie, dass genügend Mitarbeiter freiwillig mit Abfindungen oder Altersteilzeit-Regelungen gehen, sodass sie auf Entlassungen verzichten können?

    Lauber: Ich bin guter Dinge, dass wir den Abbau schaffen, ohne betriebsbedingt kündigen zu müssen. Aber erst Mitte des Jahres wissen wir, ob wir unser Ziel wirklich erreichen. Noch können wir es zumindest nicht ausschließen, dass betriebsbedingte Kündigungen notwendig sind.

    Doch ist dieser Personalabbau in der saftigen Höhe wirklich notwendig?

    Lauber: Es ist wichtig zu verstehen, dass Personalabbau nicht das Ziel ist, sondern die Folge. Es geht darum, 450 Millionen Euro einzusparen, um unsere Produkte zu wettbewerbsfähigen Preisen anbieten zu können. Dazu müssen wir notgedrungen auch Arbeitsplätze streichen. Doch wir werden jede Einsparmaßnahme wahrnehmen, die uns hilft, am Ende weniger Stellen abzubauen. Das haben wir auch schon erfolgreich getan: Als wir mit der Restrukturierung anfingen, ging es noch um einen viel höheren Personalabbau von über 1000 Arbeitsplätzen allein in Augsburg. Ein gutes Beispiel ist unsere Gießerei in Augsburg. Hier konnte eine Schließung vermieden werden, da die Sozialpartner gemeinsam einen alternativen Weg gefunden haben, indem wir nun auch für andere Unternehmen Gussteile anfertigen.

    MAN-Auftragsniveau ist seit Beginn der Pandemie deutlich gesunken

    Wie stark verhagelt Corona MAN Energy das Geschäft?

    Lauber: Das Vor-Corona-Auftrags-Niveau werden wir in einigen Segmenten wahrscheinlich erst wieder 2023 sehen. Ein Beispiel: Unsere Firma ist stark als Motorenlieferant im Kreuzfahrtgeschäft vertreten. Doch heute verlassen nur sehr wenige Kreuzfahrtschiffe die Häfen und werden gewartet. Unsere Kunden verbrennen jedes Quartal fast eine Milliarde Euro. Selbst wenn dieses Geschäft Mitte des Jahres wieder anläuft, werden die Kreuzfahrtschiffe mit Passagierzahlen, die nur 30 bis 40 Prozent der früheren Auslastung ausmachen, auslaufen. Das ist natürlich nicht gewinnbringend. Das trifft auch uns.

    Gibt es Hoffnungszeichen?

    Lauber: Das Geschäft mit Containerschiffen erholt sich schnell. Trotz oder gerade auch wegen Covid-19 haben sich die Frachtraten für Container, die von Asien aus etwa nach Europa transportiert werden, in den vergangenen zwölf Monaten verdoppelt bis verdreifacht. Deshalb werden wieder neue Containerschiffe gebaut. Die Reeder verdienen wieder Geld. Wenn sich der Neubau belebt, ist das natürlich gut für uns als Motorenlieferant für diese Schiffe. Hier sehen wir ein Licht am Ende des Tunnels, ja das Licht kommt immer näher auf uns zu.

    Wie kann MAN Energy Volkswagen unterstützen?

    Lauber: Wir treiben die Wasserstoff-Technologie voran und haben vor wenigen Monaten den ebenfalls in Augsburg ansässigen Wasserstoff-Spezialisten H-TEC Systems übernommen. Gemeinsam wollen wir die Elektrolyse, also die Gewinnung von grünem Wasserstoff, im industriellen Maßstab voranbringen. Damit können wir auch Volkswagen unterstützen. Wasserstoff kann im Lkw-Geschäft eine Rolle spielen. Vor allem können wir helfen, die VW-Werke rund um die Welt zu dekarbonisieren, also weg von der Kohle als Energielieferant – gerade bei der Wärmeversorgung ­– zu kommen. Das machen wir schon jetzt erfolgreich: In Dänemark bauen wir derzeit eine riesige Wärmepumpe mit 50MW Leistung, die dann eine 50.000 Einwohner Gemeinde klimaneutral mit Wärme versorgt. Das hat vorher ein Kohlekraftwerk gemacht. Mit dem neuen Produkt haben wir uns gegen die Konkurrenz durchgesetzt.

    "MAN Energy Solutions muss Produkte zu wettbewerbsfähigem Preis anbieten"

    So kann MAN Energy Solutions für VW immer wichtiger werden auf dem Weg zum grünen Mobilitäts-Konzern. Wächst hier zusammen, was zusammengehört? Kann MAN Energy Solutions über 2024 hinaus Teil der VW-Familie bleiben?

    Kilian: Die Perspektive dafür ist gegeben, wenn das jetzige Programm erfolgreich ist. Wenn wir auch als Volkswagen für MAN Energy Solutions eine operative Rendite von neun Prozent anpeilen, dient das der Absicherung der Zukunft des Unternehmens. MAN Energy Solutions muss in der Lage sein, Investitionen wie in die Wasserstofftechnologie selbst zu tragen. Das Unternehmen muss seine Produkte zu wettbewerbsfähigen Kosten anbieten.

    So vielfältig lässt sich Wasserstoff einsetzen

    Strom und Wärme: Wasserstoff ist energiereich. Erneuerbar erzeugte Energie lässt sich damit längere Zeit speichern. Wird etwa nachts oder im Winter Strom benötigt, kann der Wasserstoff wieder zur Stromerzeugung genutzt werden. Dies geschieht in einer Brennstoffzelle. Dabei wird auch Wärme frei, die zum Heizen genutzt werden kann. Der Strom aus der Brennstoffzelle kann dann im Haus genutzt werden oder zurück ins Stromnetz fließen.

    Verkehr: Mit Wasserstoff kann man auch Autos, Laster oder Züge antreiben. Das funktioniert auch über eine Brennstoffzelle, die mit dem Wasserstoff Strom erzeugt. Der Strom treibt dann einen E-Motor und damit das Fahrzeug an. Auf Basis von Wasserstoff lassen sich auch künstliche Treibstoffe herstellen, zum Beispiel Kerosin. Der Vorteil: Diese sind dann nicht mehr fossilen Ursprungs und klimaneutral.

    Industrie: Wasserstoff kann auch in der Industrie helfen, Emissionen des Klimagases CO₂ zu senken. Besonders große Vermeidungspotentiale gibt es in der Stahlindustrie. Statt Koks lässt sich Wasserstoff in Hochöfen einsetzen, den Sauerstoffgehalt von Eisenerz zu senken.

    Und was passiert, wenn bis 2024 nicht neun Prozent Rendite eingefahren werden?

    Kilian: Wenn sich abzeichnet, dass wir die angestrebte Rendite nicht erreichen, müssen wir uns rechtzeitig wieder zusammensetzen und besprechen, wie man das Ziel erreicht. Da werde ich nicht locker lassen.

    Funktioniert dieser Weg sozialverträglich, also ohne betriebsbedingte Kündigungen?

    Kilian: Eine solche sozialverträgliche Transformation ist möglich, wenn Instrumente wie Altersteilzeit oder auch Abfindungen eingesetzt und akzeptiert werden. Aber: wir können letztlich Kündigungen bei MAN Energy Solutions nur ausschließen, wenn die Angebote angenommen werden. Zugleich müssen wir Kollegen, die im Unternehmen bleiben, weiter qualifizieren und damit ihre Arbeitsplätze sichern. Das geht Hand in Hand und kann gut im Sinne aller Beteiligten gelingen. Das zeigen mir auch meine Erfahrungen der Transformation bei Volkswagen. Trotzdem muss klar sein, dass nicht alles, was gut für den Automobilbau ist, eins zu eins auf den Maschinenbau übertragen werden kann. Daher ist es mir besonders wichtig, dass MAN Energy Solutions innerhalb unseres Konzerns weiter auch eigene Freiheiten hat.

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