Wenn Deutschlands vormalige Vorzeige-Airline, die altehrwürdige Lufthansa, in Dunkelblau, ein wenig Gelb und viel Weiß dezent daherkommt, geht es bei Wizz Air direkter zu. Der jugendliche Billigflieger aus Ungarn geht in Pink in die Luft. Als Lowcost Carrier ist das an der Londoner Börse notierte Unternehmen kein direkter Konkurrent der Lufthansa. Aber während die Lufthansa nur schwer durch die Krise kommt, wird Wizz Air als Beispiel dafür genannt, wie man behände in schweren Zeiten agiert.
George Michalopoulos, Top-Manager (CCO) von Wizz Air, hat sich an das Fliegen während der Pandemie jedenfalls längst gewöhnt. Auf die Frage, wo er hinreisen würde, um Corona mal zu vergessen, antwortet er mit der Gegenfrage: „Wohin könnte ich denn überhaupt fliegen?“ Genau das sei doch das große Problem. „Innerhalb der Europäischen Union hat jedes Land unterschiedliche Regeln, die teilweise noch innerhalb der Länder weiter variieren. Die Kunden wissen nicht, wohin sie fliegen dürfen und wohin nicht. Deshalb haben Airlines es so schwer. Grundsätzlich ist die Nachfrage da. Das sehen wir, wenn sich ein Markt wieder öffnet.“
Im August 2020 war Wizz Air zu 80 Prozent ausgelastet
Im Augenblick nutzt Wizz Air 20 Prozent seiner insgesamt 136 Maschinen. Im August 2020 war man zu rund 80 Prozent ausgelastet. Wann man dort wieder ankommt? „Schwer zu sagen, das liegt nicht in unserer Hand.“ Sehr viel hänge davon ab, wie schnell die Impfungen voranschreiten.
Wieso kommt Wizz Air vergleichsweise gut durch die Krise? Michalopoulos sagt, das Ziel der Fluglinie sei vor allen Dingen, „agil“ zu bleiben. Dank einer erneuerten Flotte, der laut Michalopoulos „jüngsten in Europa“, hat Wizz Air vergleichsweise niedrige Kosten und kann viele Maschinen in Bereitschaft halten. Sobald es auf einer der Strecke Lockerungen und mehr Passagiere gibt, wird sehr zügig hochgefahren. „Am schnellsten“, betont Michalopoulos. Man biete mehr Ziele an, um flexibler reagieren zu können, diversifiziere das Angebot. Vor allem auf den osteuropäischen Heimatmärkten, aber auch, wie jüngst, in Italien. Zudem sei Wizz Air mit 1,5 Milliarden Euro an liquiden Mitteln in die Krise gegangen. Solche Cash-Reserven helfen. „Sie sind der Hauptgrund dafür, dass wir so agieren können.“ Vor allem aber wegen der modernisierten Flotte glaubt Wizz Air als „struktureller Gewinner“ aus der Krise hervorzugehen. Staatshilfen habe man keine bekommen, sagt Michalopoulos, schon aber ein Darlehen der Bank von England in Höhe von 300 Millionen Pfund und 500 Millionen Euro durch die kürzlich erfolgte Emission einer Anleihe.
700 Millionen Euro "verbrannt", 1000 Leute mussten gehen
Natürlich ist auch Wizz Air nicht unbeschadet geblieben. Laut Michalopoulos habe Wizz Air wegen Corona rund 700 Millionen Euro „verbrannt“. 1000 Angestellte mussten gehen, Tarifverträge gibt es nicht.
Der größte Konkurrent für Wizz Air ist Ryanair. Und wie diese sieht auch die ungarische Fluglinie Staatshilfen für die Lufthansa etwa oder Alitalia kritisch. Michalopoulos sagt: „Diese Hilfen aus Steuermitteln zerstören die Märkte, weil sie für ungleiche Ausgangsbedingungen sorgen. Staatshilfen werfen eine Menge Fragen auf. Airlines sollten sich selbst tragen, sie sollten – wie es bei Banken geschieht – Stresstests unterzogen werden.“
Luftfahrt-Experte Philipp Goedeking: "Die machen Ryanair sicher viele Kopfschmerzen"
Philipp Goedeking ist Managing Partner bei dem auf Luftfahrt spezialisierten Beratungsunternehmen Avinomics in Frankfurt. Er hat jahrelange Expertise im Geschäft und sagt über Wizz Air: „Die Airline ist sehr gut aufgestellt. Die machen Ryanair sicher viele Kopfschmerzen und sind ein sehr ernst zu nehmender Spieler geworden.“ In Sachen Wettbewerbsfähigkeit stehe „Wizz“ sehr gut da und komme in der Corona-Krise „sehr gut zurecht“. Auch die Flotte sei im weltweiten Vergleich sehr gut, einen Tick hinter Ryanair, weil nicht ganz so einheitlich, aber in der Krise überaus konkurrenzfähig. Beim Ranking zur Wettbewerbsfähigkeit von Airlines rangieren die Ungarn laut Goedeking auf Platz 13 von 500 weltweit. Im extrem instabilen Markt könne Wizz Air zudem Schwächen der Konkurrenz schnell ausnutzen und zugleich strategische Fehler vermeiden. Sprich: Die Finger von der Langstrecke lassen. Bei der Flotte, die ausgebaut werden soll, hätten die Ungarn in den Kaufverhandlungen ferner „einen langen Hebel“.
Zudem, bestätigt Goedeking, sei Wizz Air sehr gut in Sachen Cash aufgestellt: „Die haben Zugang zum Kapitalmarkt. Viele Airlines haben das nicht.“ Nur Lob also? Fast. Mit Blick auf das Personal gibt der Luftfahrt-Experte zu bedenken: „Keine Tarifbindung ist kein nachhaltiges Kostenargument. Das wird ihnen irgendwann auf die Füße fallen.“ Noch aber ist der Markt gesättigt mit Piloten und Kabinen-Crews. DieKrise ist nochlange nichtvorbei.
Allerdings geht auch nach Corona der Klimawandel beschleunigt weiter. Auf die Frage, ob die Welt in diesen Zeiten wirklich noch mehr Billigflieger braucht, antwortet Michalopoulos so: „Wenn man der Meinung ist, dass es einen Markt für Flüge gibt, dann hängt es davon ab, mit welcher Technologie die Flugzeuge ausgestattet sind, ob sie modern und treibstoffsparend oder ob sie alt sind.“ Es gehe zum Beispiel auch darum, ob Verbindungsflüge erlaubt sein sollten, wenn es umweltfreundlichere Direktverbindungen gibt. Oder, fragt Michalopoulos weiter, sind die Plätze in einem Flugzeug ausgereizt oder könnte man sich doch die Business-Class sparen, dafür aber mehr Leute mitnehmen? „Die Pandemie hat die Probleme verschärft, weil Airlines aufgehört haben, ihre Flotten zu erneuern.“
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