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Luftfahrt: Wie endet die Achterbahnfahrt der Lufthansa?

Luftfahrt

Wie endet die Achterbahnfahrt der Lufthansa?

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    Die Lufthansa geht durch die wohl schwierigste Woche ihrer Unternehmensgeschichte.
    Die Lufthansa geht durch die wohl schwierigste Woche ihrer Unternehmensgeschichte. Foto: dpa

    Eigentlich sind Achterbahnfahrten eine gute Sache. Höhenluft atmen, Kribbeln im Bauch, Beschleunigung spüren, den freien Fall. Klar, irgendeiner kreischt immer. Aber am Ende steigen alle Adrenalin-betankt wieder aus. Und das Leben geht weiter, wie man es kannte.

    Das gilt seit Corona für die Luftfahrt im Allgemeinen und die Lufthansa im Besonderen schon lange nicht mehr. Dennoch sagt der Luftfahrt-Experte Cord Schellenberg zu dem, was die Lufthansa gerade mitmachen muss: „Das ist eine sehr emotionale Achterbahnfahrt. Für die Eigner, die Aktionäre, große und kleine, die Mitarbeiter. Am wenigsten noch für die Passagiere. Auch wenn es für die wegen der noch nicht erstatteten Tickets auch um den möglichen Verlust von fast zwei Milliarden Euro geht.“

    Es sind schicksalsträchtige Tage für die stolze Airline. Nicht nur flog sie am Montag nach fast 32 Jahren aus dem Dax. Das aber war nur der Auftakt zu einer Woche, die in die Unternehmensgeschichte eingehen wird. Das von den Folgen der Pandemie heftigst mitgenommene Unternehmen soll mit neun Milliarden Euro an Staatshilfen gerettet werden. Das Paket auszuhandeln war nicht leicht, die Zeit drängt, denn die Lufthansa braucht Geld. Am Donnerstag nun sollen bei der außerordentlichen Hauptversammlung die Aktionäre über die historische Rettung abstimmen. Ob sie aber zustimmen, bleibt abzuwarten. Es wird immer fraglicher, wie diese Achterbahnfahrt endet.

    Was will Lufthansa-Großaktionär Heinz Hermann Thiele?

    Für Adrenalin bei allen Beteiligten hat zuletzt Heinz Hermann Thiele, größter Einzelaktionär der Lufthansa, gesorgt. Denn drei Tage vor besagter außerordentlicher Hauptversammlung blieb am Montag seine Strategie weiterhin unklar. Laut Berichten mehrerer Medien wollten in Berlin Regierungsvertreter mit Thiele und Lufthansa-Chef Carsten Spohr zusammenkommen. Der 79 Jahre alte Milliardär hatte sich in den vergangenen Monaten mehr als 15 Prozent der Lufthansa-Aktien gesichert. Da laut Spohr weniger als 38 Prozent der Stimmrechte bei der Hauptversammlung am Donnerstag vertreten sind, könnte er allein den geplanten Staatseinstieg verhindern.

    In einem FAZ-Interview hatte Thiele sich kritisch zur geplanten 20-Prozent-Beteiligung des Bundes geäußert. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) verteidigte allerdings erneut das staatliche Rettungspaket. „Wir hatten eine sehr gute Diskussion mit dem Lufthansa-Management und haben einen sehr guten Plan entwickelt, über den es auch Einigung mit Brüssel gibt“, sagte Scholz am Montag bei einer Konferenz in Frankfurt, zu der sich der Minister per Video aus Berlin zuschaltete. „Der Plan ist wohlüberlegt.“

    Lufthansa auf Scheitern des Rettungsplanes vorbereitet

    Das Unternehmen hat sich aber nach Spohrs Worten bereits auf das mögliche Scheitern des Rettungsplans vorbereitet. Man habe umfangreiche Vorbereitungen getroffen, um einen abrupten Stopp des Flugbetriebs zu verhindern, hatte er am Wochenende seiner Belegschaft schriftlich versichert. In der verbleibenden Zeit bis zur Anmeldung einer Insolvenz würde man dann mit der Bundesregierung weitere Optionen besprechen.

    Wie das Ganze nun ausgeht, weiß auch Luftfahrt-Experte Schellenberg nicht. Er betont aber, dass die Luftfahrt eine „sehr volatile Branche“ sei. Er kommentiert auch das Vorgehen Thieles nicht. Er sagt aber dies: „Wie wird man in der Luftfahrt Millionär? Indem man als Milliardär anfängt.“ Und er lenkt den Blick wieder auf die Passagiere: „Für die Kunden ist das auch eine dramatische Situation. Wir haben es mit einem Unternehmen zu tun, das 1,8 Milliarden Euro an Kundengeldern zurückhält. Diese Gelder würden, wenn es in die Insolenz geht, darin aufgehen. Sprich: Das staatliche Rettungspaket ist genau das, was die Kunden brauchen. Denn dann könnte man denen die Ticketgelder zurückerstatten. Gerade wird erheblich Raubbau am Vertrauen der Kunden betrieben.“

    Verhandlungen über Einsparungen bei der Lufthansa laufen weiter

    Parallel zu dem Achterbahn-Looping mit Thiele gingen die Verhandlungen um Einsparungen beim Personal weiter. Unternehmen und Gewerkschaftsvertreter bestätigten nur die Fortsetzung der Gespräche am Montag, wollten aber keinen Zeitpunkt für eine mögliche Einigung mehr nennen. Ursprünglich war dieser Montag als Termin avisiert worden, um die Ergebnisse noch vor der Hauptversammlung präsentieren zu können.

    Die Lufthansa hat wegen der dauerhaft geringeren Nachfrage den weltweiten Personalüberhang auf 22.000 Stellen beziffert. Davon entfallen rund 11.000 Stellen auf Deutschland. Bei den Verhandlungen sollen nun Maßnahmen vereinbart werden, um möglichst viele Mitarbeiter an Bord zu halten. Das sind zum Beispiel ausgeweitete Teilzeitmodelle und der Verzicht auf Gehaltssteigerungen und Zulagen. Beteiligt sind die Gewerkschaften Verdi, Ufo und Vereinigung Cockpit, die bereits verschiedene Sparvorschläge unterbreitet haben.

    Gewerkschaft Verdi warnt vor Ablehnung des Rettungspaketes

    Die Gewerkschaft Verdi warnte vor einer Ablehnung des Rettungspakets. Der Lufthansa drohe in diesem Fall ein Insolvenzverfahren, erklärte die stellvertretende Verdi-Vorsitzende Christine Behle. „Eine Insolvenz würde die Beschäftigtenstrukturen der Lufthansa zerstören und das öffentliche Vertrauen in die Lufthansa nachhaltig beschädigen. Mit der staatlichen Hilfe können Arbeitsplätze erhalten und Einkommen gesichert werden.“

    Die Sorgen um das Rettungspaket drückten die Anteile des Dax-Absteigers zwischenzeitlich deutlich um bis zu 9 Prozent, im weiteren Tagesverlauf erholte sich der Kurs aber wieder.

    Der Konzern mit 138.000 Beschäftigten rechnet damit, dass die Erholung der Nachfrage im Luftverkehr nur langsam verläuft. Derzeit hebt nur ein kleiner Teil der Lufthansa-Flotte zu Reisezielen ab. Im ersten Quartal brockte die Corona-Krise dem Konzern einen Verlust von 2,1 Milliarden Euro ein.

    Die Achterbahnfahrt der Lufthansa ist noch lange nicht vorbei. Der nächste größere Looping kommt gewiss. (mit dpa)

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