Gepresstes Fischeiweiß statt Garnelen, Aromastoffe statt Meerrettich oder Formfleisch statt echtem Putenfleisch: Lebensmittelhersteller greifen gerne auf Imitate statt Originalzutaten zurück. Jetzt gibt es eine Liste mit betroffenen Produkten.
Gepresstes Fischeiweiß, zusammengefügte Fleischreste oder Aroma- und Farbstoffe - das klingt nicht unbedingt nach einer leckeren Mahlzeit. Doch diese Zutaten sind Bestandteil unserer Lebensmittel. Nur sind sich die Verbraucher dessen nicht bewusst, prangert jetzt die Verbraucherzentrale Hamburg an. Sie hat Lebensmittel auf ihre Inhaltsstoffe analysiert und herausgefunden, was wirklich in den Garnelen, dem Putensalat oder den Wasabi-Erdnüssen steckt.
Imitate sind billiger
Das Ergebnis: Die Hersteller der Lebensmittel sparen an den Originalzutaten und ersetzen sie durch billigere Imitate. Beispielsweise bei Wasabi-Erdnüssen (The Lorenz Bahlsen Snack-World). "Echter Meerrettich ist teurer, als Aroma- und Farbstoffe", erklärt Silke Schwartau von der Verbraucherzentrale den Hintergrund. "Das nutzen manche Lebensmittelhersteller".
Festgestellt worden sind diese Praktiken aber nicht nur bei den Erdnüssen und sowohl bei Billigmarken als auch bei teureren Markenprodukten. "Der Kunde sollte sich nicht von tollen Bildern oder einer ansprechenden Verpackung verleiten lassen. Sonst tappt er möglicherweise in die Plagiat-Falle", warnt Schwartau.
Auch bei der Verbraucherorganisation Foodwatch ärgern sich die Experten. Das Argument, die Hersteller würden mit dem Einsatz von Imitaten nur dem Wunsch der Verbraucher nach immer billigeren Lebensmitteln nachkommen, sei so nicht haltbar. "Dieses Argument wäre nur dann stichhaltig, wenn der Verbraucher den Unterschied zwischen qualitativ hochwertiger Ware und Imitaten auch wirklich erkennen könnte. Da solche Informationen fehlen, kann der Konsument nur über den Preis entscheiden", sagt Foodwatch-Pressesprecher Martin Rücker. Seine Erfahrung: "Irreführung ist nicht die Ausnahme sondern die Regel."
Schoko-Kekse ohne Schokolade und Schafskäse mit Kuhmilch
So muss der Kunde wissen, dass manche Schokokekse (Mini-Keks-Bolde, Delacre) gar keine Schokolade enthalten, dass im Putensalat (Du darfst Putensalat mit Joghurtdressing, Unilever Deutschland GmbH) vorwiegend Form-Fleisch steckt oder dass die Milch für den Schafskäse (Combi Weiß in Salzlake, EfeFirat Feinkost GmbH) auch von der Kuh kommen kann. Dazu kommt, dass manche "Originalzutaten wertvolle Inhaltsstoffe für eine gesunde Ernährung liefern, die Imitate dagegen nicht. Hier wird minderwertige Ware angeboten", sagt Schwartau.
Hersteller: Alles klar deklariert
Doch die Hersteller kontern und wollen die Vorwürfe nicht auf sich sitzen lassen. Im Fall von Nestlé hat die Verbraucherzentrale das Buitoni-Pesto Basilico bemängelt, da statt der klassischenInhaltsstoffe wie Pinienkerne, Olivenöl und Pecorino-Käse, "billigesSonneblumenöl, minderwertiges Cashewkernpulver und kostengünstigerHartkäse" verwendet werden. Doch der Nestlé-Sprecher kontert: "Wir verwenden keine billigen oderminderwertigen Zutaten und vor allem keine Aromen, wie angeprangert."
Mittlerweile (Update vom 15.07.2009) hat die Verbraucherzentrale ihre Aussage dahingehend auch revidiert. "Nach der Überprüfung diverser Zutatenlisten mussten wir feststellen, dass zwar sehr viele industriell hergestellte Pestoprodukte mit Aromen versetzt werden - nicht jedoch das Produkt ihrer Firma", heißt es in einem Schreiben der Verbraucherzentrale Hamburg an Nestlé.
Bleibt der Vorwurf im Raum, dass in betroffenem Pesto dennoch die klassischen Zutaten durch günstigere ersetzt werden. Wo der Hersteller doch auf seiner Internetseite mit demWerbeversprechen "MediterraneZutaten, Schätze der Natur" wirbt.
Die Antwort hierfür bleibt etwas vage, dafür erklärt derNestlé-Sprecher, dass alle Inhaltsstoffe korrekt auf der Verpackung angegeben seien und eine Täuschung des Kunden deshalb nicht vorliege. Für das Pesto, dessen Hauptbestandteil Basilikum sei, werde außerdem Basilikum verwendet, der extra für Nestlé gezüchtet werde. Er mache30 Prozent des Inhalts aus. Dem Versprechen nach mediterranenInhaltsstoffen werde man demnach gerecht.
Kakaocreme statt Schokolade
Ähnlich ist die Argumentation bei Delacre. "Auf der Verpackung unserer Kekse steht eindeutig, dass eine Kakao-Cremefüllung verwendet wird und keine Schokolade", erklärt eine Sprecherin. Die Verbraucherzentrale hatte die "Mini-Keks-Bolde Schoko" angeprangert. Statt Schokolade stecke nur eine "Kakaocremefüllung mit Schokoimitat aus fettarmem Kakaopulver, Zucker und gehärtetem Pflanzenfett" in der Süßware. Das streitet Delacre auch nicht ab. "Wir schreiben aber bewusst Schoko und nicht Schokolade auf die Verpackung. Schoko bedeutet Schokogeschmack. Das weiß der Kunde. Die Verbraucher sind nicht dumm", erläutert die Sprecherin.
Man müsse bei der Bezeichnung von Produkten tatsächlich vorsichtig sein und dürfe nichts versprechen, was man nicht halten könne. Doch die Vorwürfe der Verbraucherzentrale seien überzogen. Die Inhaltsstoffe seien durch die Angaben auf der Verpackung und die Bezeichnung der Kekse klar zu erkennen, so die Sprecherin weiter.
Das Fazit:
Die meisten Hersteller beachten die Vorgaben des Lebensmittelgesetzes und deklarieren ihre Produkte korrekt. Das bedeutet jedoch, dass der Konsument bei jedem Einkauf zunächst die Packungsangaben studieren muss, ehe er feststellt, ob die Wasabi-Erdnüssen (The
Lorenz
Bahlsen-Snack-World GmbH) auch wirklich mit japanischem
Meerrettich
oder einem "Algenkonzentrat, Aroma, Geschmacksverstärkern und Farbstoffen" verfeinert sind.