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Lieferkettengesetz: "Das Einzige, was wirklich gegen Kinderarbeit hilft, sind höhere Preise"

Die Schokolade, die wir essen, hat einen bitteren Beigeschmack. In ihr steckt die Arbeit von Kindern aus den Ländern, wo der Kakao wächst. Der Kaffee, den wir trinken, hat den gleichen bitteren Beigeschmack. Die Hersteller hatten versprochen, dass keine Kinder mehr auf den Plantagen ausgebeutet werden. Doch Kinderarbeit ist beim Anbau von Kakao und Kaffee trotz aller Schwüre noch lange nicht ausgerottet. Im Gegenteil: Eine im vergangenen Herbst veröffentlichte Untersuchung der Universität Chicago im Auftrag der US-Regierung kommt zu dem Schluss, dass in den beiden afrikanischen Kakaoländern Elfenbeinküste und Ghana die Kinderarbeit wieder zugenommen hat.

Der Studie zufolge haben dort 1,56 Millionen Kinder auf den Plantagen geschuftet. Sie müssen Chemikalien spritzen, schwere Lasten schleppen und die Kakaofrucht mit der Machete hacken. Vergangenes Jahr wurden die Kaffeeriesen Starbucks und Nespresso in einer britischen TV-Dokumentation überführt, dass in ihrem Kaffee Kinderarbeit enthalten ist.

Das Lieferkettengesetz wird das ändern, versichert Bundesentwicklungshilfeminister Gerd Müller. Deutsche Unternehmen müssen demnach dafür Sorge tragen, dass ihre Zulieferer die Menschenrechte einhalten. Das Verbot von Kinderarbeit ist integraler Bestandteil dessen. Verletzen Zulieferer die Menschenrechte, drohen auch den Firmen hierzulande Strafen. Deutschland hat die Macht, die Zustände zu ändern. Sowohl beim Export von Schokolade als auch von fertig geröstetem Kaffee gehört die Bundesrepublik zu den führenden Ländern weltweit. Bei Kaffee zeugen die Namen reicher Familiendynastien davon – Jacobs, Dallmayr, Darboven.

Verbraucher in Deutschland müssten mehr zahlen, um Kinderarbeit zu verhindern

Doch dass das Elend der Kinder beim Anbau von Kaffee und Kakao durch Paragrafen aus dem Deutschen Bundestag schnell gestoppt wird, daran können zwei Männer nicht glauben, die sich intensiv mit der Problematik befasst haben. Der eine heißt Fernando Morales-de la Cruz und stammt aus Guatemala. In seiner Heimat werden Kinder beim Anbau der roten und grünen Bohnen ausgebeutet und der Chance auf Bildung beraubt. „Deutschland ist der Weltmeister der Kinderarbeit bei Kaffee und Kakao“, empört sich Morales-de la Cruz. Für ihn ist das Lieferkettengesetz eine Beruhigungspille für die Öffentlichkeit. Die Unternehmen können sich nach seiner Lesart einfach aus der Verantwortung stehlen, weil das Gesetz ihre Sorgfaltspflicht auf den eigenen Geschäftsbereich und direkte Zulieferer beschränkt.

In den Anbauländern von Kaffee und Kakao mehrere Ebenen zwischenzuschalten, hält der Aktivist aus Guatemala für einen Klacks. „Das Einzige, was wirklich gegen Kinderarbeit hilft, sind höhere Preise für Kaffee und Kakao“, meint Fernando Morales-de la Cruz. Dann hätten die Bauern genügend Geld und könnten ihre Kinder in die Schule schicken. Damit das geschehen kann, müssten die Verbraucher in Deutschland und anderen wohlhabenden Ländern mehr für Kaffee und Schokolade zahlen. „10 Cent mehr für einen Schokoriegel, 10 Cent mehr für eine Tasse Kaffee würden reichen“, sagt der Kämpfer gegen Kinderarbeit.

Der Erfolg des Lieferkettengesetzes wird von der Intensität der Kontrollen abhängen

Der zweite Mann, der sich intensiv mit dem Lieferkettengesetz befasst hat, heißt Markus Krajewski. Er ist Professor für Völkerrecht an der Universität Erlangen-Nürnberg. Seine Einschätzung zum Gesetzentwurf stellte er im Bundestag vor. Der Jurist ist weniger skeptisch als Morales-de la Cruz. „Die Unternehmen müssen auch bei ihren mittelbaren Zulieferern die Einhaltung prüfen“, sagt Krajewski. Das sei der Fall, wenn sie zum Beispiel Hinweise auf Kinderarbeit bekämen.

Wie stark das Gesetz wirkt, wird nach Meinung des Experten davon abhängen, wie intensiv das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle gemeldeten Missständen nachgeht und wie es die Gerichte auslegen. Wunder erwartet auch Krajewski nicht: „Durch das Gesetz wird die Kinderarbeit bei der Herstellung von Kaffee und Kakao nicht verschwinden.“ Die Unternehmen könnten sich aber nicht einfach wegducken.

Lesen Sie dazu auch unseren Kommentar: Für Unternehmen ist es Zeit, mehr Verantwortung zu übernehmen

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