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Lieferengpass: Babynahrung: Das Geschäft mit der Angst der Mütter

Lieferengpass

Babynahrung: Das Geschäft mit der Angst der Mütter

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    Deutsches Milchpulver ist in China so beliebt, dass es hierzulande zu Engpässen kommt.
    Deutsches Milchpulver ist in China so beliebt, dass es hierzulande zu Engpässen kommt. Foto: Armin Weigel (dpa)

    Wenn Dirk Tretter von Deutschland nach China reist, dann immer mit einem großen Koffer. Neben allerlei Köstlichkeiten aus seiner schwäbischen Heimat, befindet sich darin aber auch Ungewöhnliches: kiloweise Milchpulver. Der 43-Jährige, der aus der Nähe von Ulm stammt, lebt seit 14 Jahren in China, pendelt mehrmals im Jahr zwischen alter und neuer Heimat hin und her. Das wissen auch Freunde und Arbeitskollegen und geben ihm stets einen Wunschzettel mit. „Da steht auch immer Milchpulver drauf“, erzählt Tretter. Denn deutsche Qualität werde in China sehr geschätzt.

    So sehr, dass nun in Deutschland die Regale leer bleiben. Wo sonst Milchpulver wie „Milumil“ und „Aptamil“ zu finden sind, weist ein Schild auf Lieferengpässe hin: „Abgabe von Babymilchpulver nur noch in haushaltsüblichen Mengen“, heißt es da. Die Drogeriekette „dm“ gibt zum Beispiel nur noch drei Packungen pro Haushalt ab.

    Denn Spekulanten in China machen Kasse mit der Angst der Mütter: 2008 starben dort Säuglinge an belasteter Milch, Hunderttausende erkrankten. Die chinesischen Hersteller hatten Milchpulver mit der giftigen Chemikalie Melamin gepanscht. 2012 wurden in der Säuglingsnahrung eines chinesischen Herstellers erhöhte Mengen Quecksilber gefunden. Aus Sorge greifen Chinas Mütter auf Produkte „Made in Germany“ zurück.

    Babymilchpulver wird für das Dreifache im Internet versteigert

    Milupa-Sprecher Stefan Stohl weiß: Chinesen misstrauen landeseigenen Produkten und setzen „lieber auf deutsche Qualität“. Findige Asiaten haben daraus eine Geschäftsidee entwickelt: Sie decken sich in Online-Shops und Läden mit Milchpulver ein und versteigern die Ware zum Beispiel auf der Internetplattform Taobao, dem chinesischen Pendant zu Ebay. Dort wird die 800-Gramm-Dose Aptamil für 295 Yuan angeboten. Umgerechnet wären das etwa 36 Euro. Hierzulande kostet sie nur bis zu 12 Euro.

    Zu Beginn kauften laut Drogerie-Mitarbeitern Studenten hier die Milupa-Produkte für China. Inzwischen hat sich der Markt professionalisiert: Drogeriemärkte berichten von Kleinhändlern, die Babynahrung palettenweise kaufen wollen. Sie wenden sich sogar direkt an den Hersteller.

    Der Engpass sorgt für Zoff zwischen verärgerten Müttern und hilflosem Personal der Drogerien. Milupa hat eine umfangreiche „Entschuldigung“ auf seiner Internetseite: „Unsere Produktion läuft auf vollen Kapazitäten, rund um die Uhr, an sieben Tagen in der Woche.“ Inzwischen hat man sogar eine neue Produktionslinie anlaufen lassen. Die Firma Nestlé, die in ihrem Werk in Biessenhofen (Ostallgäu) vor allem Säuglings- und Kleinkindnahrung herstellt, hat hingegen keine Engpässe. Das bestätigt Sara Mruck unserer Zeitung: „Wir haben in Biessenhofen 2011 erweitert und unsere Kapazität verdoppelt“, sagt sie. Außerdem produziere man dort auch speziell für den asiatischen Markt. „China ist für uns ein wichtiges Exportland.“

    Hongkong: Bis zu zwei Jahre Haft für Schmuggel von Babynahrung

    Doch warum reagieren chinesische Eltern erst vier Jahre nach dem Nahrungsmittelskandal so? Sie konnten bis vor kurzem aus anderen Quellen schöpfen. Unter anderem hat Hongkong im März die Schotten dicht gemacht: Seitdem dürfen Reisende in die Volksrepublik nur zwei Dosen über die Grenze nehmen. Verstöße kosten bis zu 50 000 Euro oder zwei Jahre Haft.

    Diese Exportbeschränkung ist auch für Dirk Tretter einer der Gründe für den Ansturm auf die deutschen Produkte. Ein weiterer ist seiner Meinung nach die chinesische Ein-Kind-Politik: „Die Kinder werden deshalb sehr verwöhnt und bekommen nur das Allerbeste.“ Und deswegen wird der 43-Jährige Shanghaier auch in den nächsten Jahren auf dem Rückflug von Deutschland eines sicher mit im Gepäck haben: Babymilchpulver.

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