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Lehrstellenoffensive: Ausbildung: Vorurteile schrecken Jugendliche von Friseur-Lehre ab

Lehrstellenoffensive

Ausbildung: Vorurteile schrecken Jugendliche von Friseur-Lehre ab

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    Friseurin Tina Wolf (rechts) hat ihre dreijährige Ausbildung bei Meisterin Dorothea Maurer-Keck (links) absolviert.
    Friseurin Tina Wolf (rechts) hat ihre dreijährige Ausbildung bei Meisterin Dorothea Maurer-Keck (links) absolviert. Foto: Bernhard Weizenegger

    An der Marktstraße in Offingen im Landkreis Günzburg ist nicht viel los an diesem Nachmittag. Es gibt nur wenige Läden, die Lebensmittelmärkte stehen am Ortsrand. Nicht nur deshalb fällt der Friseursalon Keck auf, den es hier seit über 40 Jahren gibt und der inzwischen in die Räume der früheren Schlecker-Filiale gezogen ist. Er ist modern, aber gemütlich – und neben dem Eingang gibt es außer der Zeitschriftenecke eine Lotto-Annahmestelle. Hier wird in das Geschäft investiert, das Klischee „Friseure brauchen nichts zu können“, das Chefin Dorothea Maurer-Keck oft hört, wird nicht bedient.

    „Man muss Köpfchen haben, um zu bestehen“, sagt die 27-Jährige. Sie und die Kolleginnen leben das Laden-Motto und geben es an Azubis weiter: „Mit Freude Friseure“. Spaß an diesem Beruf hätten allerdings immer weniger, sagt sie. Zwar sei es eine Ausnahme, dass sich für den Ausbildungsplatz im vergangenen Jahr keiner gemeldet hat und sie ihn erst im Spätsommer besetzen kann. Aber Vorurteile von schlechten Arbeitszeiten und einem geringen Gehalt schreckten Jugendliche ab. Und deren Eltern. Gerade die sagten das offen, wie kürzlich beim Informationstag an der Berufsschule Günzburg. Dort gebe es nur noch eine Klasse für angehende Friseure mit 20 Schülern, vor ein paar Jahren seien es doppelt so viele gewesen. „Wenn das so weitergeht, wird dort bald keiner mehr in unserem Beruf ausgebildet“, befürchtet die Meisterin.

    Maurer-Keck kritisiert die Billig-Konkurrenz

    Dabei sei die Arbeit vielseitig. Es würden nicht nur Haare geschnitten, ein Friseur sei auch „Seelenklempner“. Zudem kämen die Kunden, um sich wohlzufühlen, umsorgt zu werden und sich eine Auszeit vom Alltag zu gönnen. Darauf müssen die Friseurinnen mit neuen Konzepten reagieren. Aber ist die Billig-Konkurrenz nicht ohnehin zu groß? Maurer-Keck spürt sie nicht, doch ihr missfällt, was dahinter- steckt: Die fehlende Wertschätzung für die Mitarbeiter, die vom Gehalt nicht leben könnten und Unterstützung vom Staat brauchten. Etwas gegen dieses Modell zu tun, hätten die Kunden in der Hand. Zumal sie dort kaum Service bekämen und alles extra zahlen müssten, sodass die Preise nicht viel günstiger seien.

    Und was ist mit dem Vorurteil des geringen Gehalts in der Branche? „Wer gute Leistungen bringt, kann gut verdienen“, betont die Chefin. „Und die Arbeitszeiten sind auch nicht schlecht, Krankenschwestern haben schlechtere.“ Die Diskussion um Mindestlöhne gibt es bei ihr nicht, denn sie bezahle mehr als den Branchentarif. „Als Wertschätzung für meine Mitarbeiter“, erklärt sie.

    Kreativität zählt mehr als Zeugnisnoten

    Das Einstiegsgehalt für Ausgelernte liege bei 1400 Euro brutto, wer sich engagiert und den Umsatz steigert, kann mehr bekommen. Wer als Meister nicht selbstständig ist, könne es auf gut 1900 Euro bringen, sonst auf 2100. „Doch viele Lehrlinge wollen kaum etwas arbeiten, aber viel bekommen“, kritisiert sie. Ganz davon abgesehen, dass sie sich nicht viel sagen ließen. Das ärgert Maurer-Keck. Genauso wenig mag sie, dass manche Friseure Azubis zum Putzen missbrauchten.

    Zeugnisse findet die junge Frau zwar zweitrangig, die Zensuren in Mathematik, Deutsch und den Naturwissenschaften sollten aber nicht schlechter als eine Drei sein. Letztlich komme es aber auf die Persönlichkeit und Kreativität an. Die Entscheidung bringen Praktikum und Probearbeiten. Im Schnitt bekomme sie aber nicht mehr als vier Bewerbungen im Jahr. Das war mal anders, sagt ihre Mutter Hannelore Keck. Sie ist auch Friseurin, springt im Salon öfter ein und hat die Erfahrung gemacht: Früher wurde einem in ihrem Beruf noch mehr Wertschätzung entgegengebracht.

    Weitere Informationen gibt es auf unserer Website zur Lehrstellenoffensive.

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