Das Ziel der Verordnung klingt denkbar simpel: Wo „Bio“ draufsteht, muss auch „Bio“ drin sein. Doch der Versuch der 28 Mitgliedstaaten der EU, sich auf gemeinsame Standards für den Wachstumsmarkt zu einigen, zieht sich schon drei Jahre hin. Erst vor wenigen Wochen wurde ein Treffen zur Verständigung von Europäischer Kommission, EU-Parlament und Mitgliedstaaten kurzfristig abgesagt. Begründung: keine Chance auf Einigung. Als die Agrarminister der Gemeinschaft gestern in Luxemburg zusammenkamen, um informell über das Thema zu beraten, platzte dem deutschen Agrarminister Christian Schmidt (CSU) erkennbar der Kragen: „Wenn wir in den nächsten Wochen nicht zu einem Ergebnis kommen sollten, dann muss ein neuer Anlauf gestartet werden“, sagte er. Seine Amtskollegen waren einverstanden. Bis zur Sommerpause soll es noch einen letzten Kompromissversuch geben.
Der Bio-Markt ist unübersichtlich geworden
Der Bio-Markt legt seit Jahren rasant zu. Allein in Deutschland wuchs der Markt im Jahr 2015 um rund 13 Prozent. Zu viel für die 26855 Betriebe, die sich verpflichtet haben, auf 1185471 Hektar die EU-Vorschriften für den ökologischen Landbau einzuhalten. Das sind 9,7 Prozent der Betriebe und etwa 7,1 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Deutschland. Doch der Verbraucher will mehr.
Um die Nachfrage zu stillen, wird importiert, aus anderen EU-Ländern, aber auch aus Drittstaaten. Aber 64 Import-Standards sorgen für ein heilloses Chaos. Und zusammen mit den Wünschen der Mitgliedstaaten sei ein „praktisch kaum zu entwirrendes Durcheinander“ entstanden, heißt es in Brüssel.
Die EU-Länder sind sich schon bei der Frage, wie der Bio-Anbau vor Pestiziden von konventionell genutzten Flächen geschützt werden soll, uneins. Auch die Frage, ob Bio-Höfe herkömmliches Saatgut erwerben dürfen und welchen Anteil des Viehfutters sie selbst anbauen müssen, steht im Raum. In seinem Entwurf aus dem Jahr 2014 wollte Brüssel ehrgeizige Ziele setzen: So sollte die Pestizidbelastung von Bio-Essen die Grenzwerte von Babynahrung nicht überschreiten. Das war selbst dem Bundesverband für Umwelt- und Naturschutz (BUND) zu ambitioniert.
Ein einheitlicher Standard für alle Bio-Produkte muss her
Darauf, dass es keine Einigung gibt, reagieren viele Verbraucher verärgert. Immerhin gaben allein die Deutschen 2016 rund 9,5 Milliarden Euro für Bio-Essen aus. Dass eine Vielzahl der Produkte nicht dem Standard entspricht, sorgt immer wieder für Vertrauenskrisen. In diesem Jahr erreichten die Kommission wieder zahlreiche Beschwerden über vermeintlich seriöse Kontrollstellen, die das Bio-Siegel verliehen, obwohl es keineswegs angebracht wäre.
Die neue Brüsseler Öko-Verordnung soll solchen Praktiken einen Riegel vorschieben. Doch dazu müssten alle Beteiligten und die zuständigen Verbände mitmachen. Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft hat jedenfalls inzwischen die wesentlichen Forderungen der EU übernommen und spricht sich für intensivere Kontrollen der Importe aus Drittländern aus. Damit müssten eigentlich alle leben können, möchte man meinen. Für eine Einigung der Gemeinschaft hat es dennoch bisher nicht gereicht.