Die Corona-Krise wirkt sich auf nahezu alle Teile des Lebens aus. Abstand und Masken im Alltag sowie Jobverluste sind nur ein paar Beispiele, die aufzeigen, wo das Virus seine Spuren hinterlässt. Mit am stärksten von den Einschränkungen betroffen war die Gastronomie. Restaurants mussten ihre Türen schließen, viele Menschen trauen auch auch jetzt noch nicht, auswärts Essen zu gehen. Ein Thema, das in der Branche schon länger für Kritik sorgt, ist die dortige Lebensmittelverschwendung. Ob nun im Restaurant, in Supermärkten oder in den Haushalten selbst, es wird zu viel weggeworfen. Noch mehr durch die Pandemie?
Die Ergebnisse des Ernährungsreports 2020 des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft zeigen, dass das Virus den Ernährungsalltag der Deutschen verändert hat. Lebensmittel aus der Region haben demnach wieder an Bedeutung gewonnen. Es sei ein neues Bewusstsein und eine neue Wertschätzung für Lebensmittel entstanden – und für die Arbeit derjenigen, die sie produzieren.
Folgen der Pandemie: Gesamtabfallmenge sinkt, Lebensmittelabfall steigt
Um der Frage auf den Grund zu gehen, ob nun mehr Lebensmittel durch die Pandemie verschwendet werden, erstellte die deutsche Gesellschaft für Abfallwirtschaft (DGAW) eine Prognose über die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Abfallströme. Dem Bereich Agrarwirtschaft und Nahrungsmittelindustrie prognostiziert die Gesellschaft einen Coronafaktor von 1,08. So seien die Mengen an Lebensmittelabfällen nach der Corona-Krise um 1,08 mal höher. Konkret steigen damit die Lebensmittelabfallmengen um fast ein halbes Kilo pro Haushalt und Monat, von 5,542 kg auf 5,985 kg und das trotz eines zu erwartenden Rückgangs des Bruttoinlandsprodukts und insgesamt weniger Gesamtabfall.
Dieser Anstieg ist für Stig Tanzmann, Referent für Landwirtschaft bei Brot für die Welt, ein Skandal. "Oft ist das nur eine Folge von Gedankenlosigkeit", sagt er. Denn schon durch wenige Maßnahmen könne dagegen einiges unternommen werden.
Gelöst ist das Problem in Deutschland lange nicht
Mehr als die Hälfte aller Lebensmittelabfälle sind theoretisch vermeidbar. Das geht aus einer Studie des Thünen Instituts hervor. Das Institut forscht für Politik und Gesellschaft in Fragen der Land- und Ernährungswirtschaft. Es erarbeitete im Auftrag des Bundeslandwirtschaftsministeriums eine Strategie, wie Lebensmittelabfälle verringert werden können. Aus ihr geht hervor, dass der größte Anteil an Lebensmitteln in den Haushalten verschwendet wird. Doch auch Gastronomie und Handel haben demnach enorme Einsparungspotenziale.
Als vermeidbar gelten in diesem Zusammenhang alle Lebensmittel, die zum Zeitpunkt der Entsorgung uneingeschränkt genießbar oder bei rechtzeitiger Verwendung genießbar gewesen wären. So sollen beispielsweise in der Gastronomie laut dem Bericht etwa 1,22 Millionen Tonnen von 1,69 Millionen Tonnen Lebensmittelabfall vermeidbar gewesen sein. Das entspricht etwa 72 Prozent.
Gegen die Lebensmittelverschwendung: Was tun Unternehmen?
Wie große Unternehmen dieses Problem angehen wollen, zeigt etwa eine Initiative von McDonald's. Der Fast-Food-Konzern optimiert für die Müllvermeidung seine Bedarfsplanung und Bestellvorgänge. Im Jahr 2018 habe McDonald's Deutschland mit seinen 1489 Restaurants 365.545 Tonnen Rohwaren für die Herstellung seiner Produkte verarbeitet. Im selben Jahr betrug der Anteil an Speiseabfall in den Restaurants 15.390 Tonnen. Um darüber hinaus den Auswirkungen der Pandemie ebenfalls entgegenzusteuern, habe sich McDonald's Deutschland dazu entschieden, Lebensmittel an die Tafel und Caritas zu spenden. "Gemeinsam mit unserem Logistikdienstleister HAVI Logistics GmbH haben wir beispielsweise Bio-Milch, Cheddar-Käse und die für die Frühstücksprodukte genutzten Freilandeier verteilt", sagte eine Sprecherin.
Auch bei Supermärkten und Discountern soll weiter Müll reduziert werden, trotz der vergleichsweise niedrigen Zahl an verschwendeten Lebensmitteln. Bei Lidl soll zum Beispiel die Initiative "Lidl - Lebensmittelrettung" dafür sorgen, dass bis 2025 die Lebensmittelabfälle um bis zu 30 Prozent weniger werden. Die Initiative setzt dafür an mehreren Stellen an. Zum einen soll der Einkauf umstrukturiert, aber auch die Lagerung der Lebensmittel verbessert und die Zusammenarbeit mit den Tafeln enger gestaltet werden.
Welthungerhilfe: Eine Frage der Wertschätzung
Genau wie für den Brot-für-die-Welt-Referent Stig Tanzmann ist auch für die Welthungerhilfe ein stärkeres Bewusstsein bei den privaten Haushalten entscheidend.So sei es auf allen Ebenen unverzichtbar, den Wert von Lebensmittel wieder höher einzustufen. "Wir geben nur 13 Prozent unseres Einkommens für Lebensmittel aus, in vielen Entwicklungsländern müssen Familien bis zu 70 Prozent dafür aufbringen", sagt Simone Pott, Pressesprecherin der Welthungerhilfe.
Aber auch sie sieht eine positive Entwicklung: "Das Bewusstsein in Deutschland hat sich verändert. In Schulen wird das Thema diskutiert und die Gesellschaft hat das Problem erkannt". Für die Zukunft wünsche sie sich eine veränderte Einstellung gegenüber Lebensmitteln. So solle jeder seine Sinnesorgane benutzen, statt dem Mindesthaltbarkeitsdatum blind zu vertrauen.
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