Ungeachtet der Kritik von Umweltaktivisten und Naturschutzverbänden hat das Europaparlament seine Position zur geplanten milliardenschweren EU-Agrarreform verabschiedet. Eine Mehrheit der Abgeordneten stimmte am Freitag einem Kompromiss zu, der Ergebnis mehrerer Abstimmungsrunden diese Woche war. Bereits am Mittwoch hatten sich die EU-Staaten auf eine Linie verständigt. Somit können beide Seiten in Kürze Verhandlungen miteinander über die Reform aufnehmen.
EU will Junglandwirte unterstützen
Die Entscheidung des Parlaments sieht vor, dass künftig 30 Prozent der Direktzahlungen für Öko-Regelungen reserviert werden. Allerdings falle das Parlament bei der Konditionalität und der Qualität der sogenannten Eco-Schemes noch hinter die Position der EU-Staaten zurück, befand der Naturschutzbund Deutschland. Die EU-Staaten hatten sich auf 20 Prozent Öko-Regelungen geeinigt. Dies sind Umweltmaßnahmen, die über die Pflicht-Anforderungen für Bauern hinausgehen. Erfüllt ein Landwirt sie, bekommt er zusätzliches Geld.
Weiter sieht die Parlamentseinigung vor, dass die EU-Staaten selbst keine höheren Standards etwa beim Tier- und Umweltschutz setzen dürfen. So sollen gleiche Wettbewerbsbedingungen garantiert werden.
Im Vorschlag des Parlaments ist zudem vorgesehen, dass vier Prozent der Direktzahlungen für die Unterstützung von Junglandwirten verwendet werden. Wer den EU-Anforderungen nicht nachkommt, soll dem Entwurf zufolge härter bestraft werden: Bis zu zehn Prozent der Ansprüche sollen gekürzt werden dürfen. Bisher sind es fünf Prozent.
Grüne kritisieren Formulierung der Artenschutzbestimmungen
Zur Förderung der Artenvielfalt sieht die Parlamentsposition vor, dass mindestens fünf Prozent der landwirtschaftlichen Fläche eines jeden Betriebes nicht bewirtschaftet werden dürfen. Sie sollen brachliegen, um Pflanzen und Tieren Gelegenheit zu geben, sich dort anzusiedeln. Der österreichische Grünen-Abgeordnete Thomas Waitz kritisierte jedoch, die Formulierung sei zu vage. Letztlich seien darin nur der Einsatz von Dünger und Pestiziden untersagt.
Der Vorsitzende des Umweltausschusses des EU-Parlaments, Pascal Canfin, erklärte hingegen, das Reformpaket sei ein guter Kompromiss. "Das Europäische Parlament hat den Text erheblich verbessert." Norbert Lins von der CDU sagte: "Die Position des Europaparlaments für eine Agrarreform ist zeitgemäß und innovativ."
Mehrere Abgeordnete beklagten jedoch Chaos bei den digital durchgeführten Abstimmungen über die rund 1900 Änderungsanträge. So wurde der Zeitplan mehrfach kurzfristig geändert.
Greta Thunberg ruft zur Ablehnung des Beschlusses auf
Der Präsident des Naturschutzbundes Deutschland, Jörg-Andreas Krüger, hatte noch kurz vor der Abstimmung an die Abgeordneten appelliert, den Beschluss abzulehnen. Andernfalls "würde die Erfüllung der weltweit gegebenen Biodiversitäts- und Klimaversprechen so gut wie unmöglich und das Ansehen der EU und dieses Parlaments bei UN-Konferenzen schwer beschädigt".
Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Lasse van Aken sagte: "Europas größte Chance, die Landwirtschaft fit für die Zukunft zu machen, hat des Europäische Parlament heute fahrlässig verspielt."
Unter dem #VoteThisCAPdown (auf Deutsch etwa: "Lehnt diese GAP ab") hatten auch Umweltaktivisten wie Greta Thunberg und Luisa Neubauer dazu aufgerufen, gegen die Position zu stimmen. Sie kritisieren vor allem, dies sei kein Wandel hin zu einer nachhaltigen Landwirtschaft und fördere das Artensterben.
Die Agrar-Subventionen sind der größte Posten im EU-Budget und für einen großen Teil der EU-Treibhausgasemissionen verantwortlich. Für die kommenden sieben Jahre haben die EU-Staaten rund 387 Milliarden Euro vorgesehen. Die EU-Kommission hatte 2018 eine Reform für die Jahre 2021 bis 2027 vorgeschlagen. Weil bis 2021 und 2022 bereits eine Übergangsphase gilt, wird sich erst ab 2023 etwas ändern.
Die Hoffnung liegt auf der EU-Kommission und Ursula von der Leyen
Ebenfalls in dieser Woche hatten sich die EU-Staaten auf eine Linie für das Reformvorhaben verständigt. Naturschützer kritisierten allerdings auch diesen Beschluss als völlig unzureichend.
Neu soll auch sein, dass die EU-Staaten künftig sogenannte Strategiepläne erstellen müssen, die von der EU-Kommission geprüft werden. Die konkrete Agrarpolitik wird somit künftig wohl in den Hauptstädten ausgestaltet. Die Höhe der Agrar-Subventionen hängt weiter von der bewirtschafteten Fläche eines Betriebs ab. Der Nabu kritisierte auch, dass das "Vom-Hof-auf-den Teller"-Konzept oder die Biodiversitätsstrategie nicht berücksichtigt würden. Diese sehen unter anderem Reduktionsziele für Pestizide und Antibiotika bis 2030 vor.
Für die Öko-Regelungen wollen die EU-Staaten zudem eine zweijährige "Lernphase", in der das Geld letztlich doch wieder als Pauschalzahlungen an Landwirte gehen könnte. Konkrete Vorgaben für die Öko-Regelungen gibt es noch nicht. Der Grünen-Abgeordnete Martin Häusling hofft, dass die EU-Kommission unter Ursula von der Leyen doch noch einen besseren Vorschlag einbringt. (dpa)
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