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Landwirtschaft: Warum machen nicht mehr Bauern Bio?

Landwirtschaft

Warum machen nicht mehr Bauern Bio?

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    Stephan Kreppold mit seinen Rindern.
    Stephan Kreppold mit seinen Rindern. Foto: Erich Echter

    Der Deutsche Bauernverband schlägt Alarm: Die Lage vieler Landwirte wird immer schwieriger. Bayerische Familienbetriebe verdienten zwischen Juli 2014 und Juni 2015 im Schnitt 22,5 Prozent weniger. Der 69-jährige Stephan Kreppold hat seinen Bioland-Betrieb in Wilpersberg im Wittelsbacher Land bereits an seinen Sohn Johannes übergeben. Seit 33 Jahren bewirtschaftet die Familie den Hof biologisch. Wir haben ihn gefragt, wie schlimm die Lage in unserer Region wirklich ist.

    Herr Kreppold, Sie gehören der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft an und betreiben einen Bioland-Betrieb im Landkreis Aichach-Friedberg. Wie dramatisch ist die Lage der Bauern in unserer Region?

    Kreppold: Die schwierige Lage, die Bauernpräsident Joachim Rukwied und der bayerische Bauernchef Walter Heidl schildern, trifft auf unsere konventionellen Milch- und Schweinebetriebe auch voll zu.

    Wo sehen Sie die Ursachen?

    Kreppold: Es ist eindeutig das Ergebnis der über Jahrzehnte von der Politik gepredigten Idee des Produzierens um jeden Preis, auf Teufel komm raus. Wir stoßen mit unserem Wachstumskurs an unsere Grenzen. Damit wird der bäuerliche Berufsstand kaputtgemacht. Im Übrigen zeigt sich auch im Herbeireden des geplanten Freihandelsabkommens mit den USA die Hilflosigkeit der

    Sie glauben also nicht an die erwarteten Exportchancen?

    Kreppold: Ganz im Gegenteil. Was eintreten wird, ist, dass Länder wie Nordamerika ihren Exportanteil in Richtung Europa noch stärker ausdehnen werden. Die können viel billiger produzieren als wir und haben beispielsweise auch viel günstigere Stallbaukosten. TTIP gehört daher zurück in die Schublade.

    Russland-Embargo und gesunkene Weltmarktpreise werden zur Bedrohung für die Bauern

    Aber TTIP gibt es ja noch gar nicht und schon jetzt leiden die Bauern.

    Kreppold: Weil viele schon jetzt spüren, was es heißt, als auf den Export ausgerichtete Landwirte von internationalen Märkten so abhängig zu sein und dem nichts entgegensetzen zu können: Gesunkene Weltmarktpreise und das Embargo nach Russland werden zur existenziellen Bedrohung. Hinzu kommt, dass wir aufgrund unserer klimatischen Bedingungen etwa in der Schweinemast gar nicht wettbewerbsfähig sind mit Ländern wie Amerika oder Brasilien. Daher halte ich diese Empfehlungen, sich auf den Export auszurichten, für zu riskant. Das geht in die völlig falsche Richtung.

    Der Bauernpräsident prangerte aber erneut auch den Lebensmittelhandel in Deutschland an, der Milch und Fleisch immer billiger anbietet, was die Bauern massiv unter Druck setzt.

    Kreppold: Ich habe hier eine differenzierte Meinung: Man kann nicht davon ausgehen, dass die paar großen Lebensmittelhändler, die wir haben, Wohlfahrtstäter sind. Das sind harte Wirtschaftsbetriebe. Die sehen, dass etwa Milch einfach zu viel auf dem Markt ist und machen sie deswegen billiger. Ich bin längst der Ansicht, dass der Einzelhandel in Abstimmung mit der Politik der Philosophie folgt, dass

    Was ist aus Ihrer Sicht zu tun, damit sich die Lage der Bauern bessert?

    Kreppold: Wir Bauern müssen – gerade bei der Milcherzeugung – von unseren Überschüssen runter. Daran führt kein Weg vorbei. Dafür müssen wir unter staatlicher Koordination Instrumente entwickeln. Freiwillig schaffen die Bauern das nicht. Man könnte den etwa 30 000 Milchbauern in Bayern empfehlen, auf etwa zwei Kilogramm Kraftfutter, mit dem drei oder vier Kilogramm Milch zusätzlich erzeugt werden, zu verzichten, damit insgesamt die Milchmenge um fünf bis acht Prozent sinkt und wir dann wieder verhandeln können. Aber Kraftfutterreduzierung ist leider noch ein Thema, auf das viele Landwirte skeptisch reagieren. Obwohl ja auch der Bund deutscher Milchviehhalter ein sogenanntes Bonus-Malus-System bereits vorgeschlagen hat: Bauern, die weniger Milch produzieren, sollten belohnt werden und diejenigen, die weiter zu große Mengen liefern, müssten eine Abgabe bezahlen.

    Immer mehr Bauern steigen von konventioneller Landwirtschaft auf Bio um

    Und was muss bei den Schweinemästern passieren?

    Kreppold: Bei denen haben wir das gleiche Problem: Die bayerische Regierung hat im Rahmen von Agrarinvestionsförderungen zuletzt zwischen 2009 und 2015 rund 80 Millionen Euro Zuschüsse ausgegeben, für den Bau neuer Schweinställe. Wohl wissend, dass dies in absehbarer Zeit zu viel sein wird, dass dies in eine Überproduktion führen wird. Und ich fürchte, dass das Tal der Tränen bei den Schweinemästern noch nicht erreicht ist. Momentan liegt der Preis pro Kilogramm Schlachtgewicht bei uns bei 1,35 Euro. Die Nordamerikaner können es für 1,10 Euro anbieten. Dieser Preis könnte noch sinken. Das wird für viele Schweinebauern existenzgefährdend, zumal viele ja noch durch die Baumaßnahmen Schulden haben.

    Konventionelle Milch- und Schweinebauern kämpfen um ihre Existenz, Öko-Landwirte konnten ihre Erträge steigern. Und die Nachfrage nach Bio-Produkten wächst. Warum steigen nicht mehr auf Bio um?

    Kreppold: Ein Umdenken ist schon zu beobachten. Rund 6000 Öko-Betriebe haben wir in Bayern. Landwirtschaftsminister Brunner hat ja Anfang 2014 das Ziel ausgegeben, dass diese Zahl bis 2020 verdoppelt werden sollte. Das wären etwa 1000 Neue pro Jahr, schon im ersten Jahr wurde dieses Ziel aber verfehlt.

    Aber warum?

    Kreppold: Also die Preismisere auf den konventionellen Märkten bringt gerade viele Milchbauern aktuell dazu, in die Beratung zu kommen und ihren Betrieb durchrechnen zu lassen. Es kommt hier aber noch ein anderes Problem hinzu: Nehmen wir an, ein konventioneller Bauer hat 60 Kühe und will auf Bio umstellen. Dann darf er ja wesentlich weniger Kraftfutter füttern. Er braucht also mehr Fläche für den Anbau von Grünfutter. Doch wir haben einen so rabiaten Flächenwettbewerb, dass so mancher Bauer fürchtet, dass er gar nicht mehr Fläche dazu pachten kann. Dennoch: Der Umstieg auf Bio wäre dringend notwendig.

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