Es geht um sehr viel Geld und die Zeit drängt. Auf dem Papier also schlechte Voraussetzungen, um eine gute Lösung zu finden. Doch bei einer Herkulesaufgabe wie der Formulierung der künftigen Gemeinsamen europäischen Agrarpolitik (GAP), liegen die Dinge etwas anders. Dort geht es nicht nur darum, extrem viele, häufig unvereinbare Interessen unter einen Hut zu bringen – groß gegen klein, konventionell gegen bio oder auch nur die verschiedenen Vorstellungen der europäischen Länder. Es müssen auch Lösungen für drängende Probleme wie den Schutz von Umwelt und Klima gefunden werden. Ohne Druck geht da wohl nichts voran.
Von dieser Woche an, steigt der Druck fast täglich. Am Dienstag traf sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit der von ihr angeregten Zukunftskommission Landwirtschaft in Berlin. Das Beratergremium der Regierung wurde als Reaktion auf die Proteste von Landwirten in Deutschland gegründet und soll dazu beitragen, einen gesellschaftlichen Konsens über die Ausrichtung der Landwirtschaft in Deutschland zu finden. Eine Aufgabe, die an sich schon schwer genug ist. Das zeigt exemplarisch die Diskussion um einen besseren Schutz von Nutztieren, bei der Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) seit Monaten nicht vorankommt.
Landwirtschaft: Die Vorschläge der Borchert-Kommisson liegen seit einem Jahr vor
Vor einem Jahr hat die sogenannte Borchert-Kommission – noch ein Beratergremium der Regierung –, ein Konzept vorgelegt, wie die Bedingungen für Schweine und Rinder verbessert werden könnten und vor allem: wie das zu finanzieren wäre. Doch nun naht die Bundestagswahl – und es ist offen, ob bis dahin noch etwas geschieht. Bereits vor der Sitzung mit Merkel machten einzelne Vertreter der Zukunftskommission ihrem Unmut Luft: Landwirtschaftsministerin Klöckner interessiere sich kaum für ihre Arbeit. Es drohe die Gefahr, dass einmal wieder viel Papier mit wenig Wirkung erzeugt werde.
Über mangelndes Interesse der Bundeslandwirtschaftsministerin können sich ihre Kolleginnen und Kollegen aus den Ländern nicht beklagen. Am Mittwoch kommen sie zu einer Sondersitzung zusammen, um sich auf die Grundsätze der Umsetzung der GAP in Deutschland zu einigen. Bis Ende Juni muss das nationale Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen sein, sonst wird es wohl nichts mehr mit der termingerechten Einreichung des nationalen Strategieplans in Brüssel. Klöckner drückt aufs Tempo. Am kommenden Mittwoch soll ihr Gesetzentwurf im Kabinett beraten werden. Dabei ist bislang längst nicht klar, wie genau die Vorgaben aus Brüssel am Ende lauten werden.
Noch immer basiert die EU-Agrarpolitik wesentlich auf Direktzahlungen. Sebastian Lakner, Professor für Agrarökonomie an der Universität Rostock, sagte am Dienstag in einem Pressegespräch des Science Media Center dazu: „In der jetzigen Form ist die GAP schwer zu rechtfertigen. 70 Prozent der Mittel werden zur Sicherung von Einkommen und Wettbewerbsfähigkeit aufgewandt. Da bleibt nicht mehr viel, um steuernd mit Umweltmaßnahmen einzugreifen.“
Eco Schemes sollen für mehr Umweltschutz in der Landwirtschaft sorgen
Die GAP wird immer für mehrere Jahre festgeschrieben. In der abgelaufenen Förderperiode standen allein für Deutschland jedes Jahr rund 6,2 Milliarden Euro zur Verfügung. Doch das Geld ist ungleich verteilt. Europaweit bekommen 20 Prozent der Betriebe 80 Prozent der Mittel. Das liegt vor allem daran, dass über die sogenannte Erste Säule, Landwirte Direktzahlungen für jeden Hektar Fläche bekommen, teilweise gekoppelt an die Erbringung von Umweltleistungen, sogenannten Greenings. Rund 4,85 Milliarden Euro wurden so jedes Jahr in Deutschland verteilt.
Rund 1,3 Milliarden Euro flossen dazu in Maßnahmen aus der sogenannten Zweiten Säule. Hier gibt es Geld aus Brüssel für Projekte zur Stärkung des ländlichen Raums oder für freiwillige Umwelt- oder Klimaschutzmaßnahmen der Landwirte, wenn Bund, Länder oder Gemeinden sich an der Finanzierung beteiligen.
Künftig soll nach den Vorstellungen der Kommission mehr Geld aus der Ersten Säule in Umweltschutzmaßnahmen fließen, das Reizwort dafür lautet Eco Schemes. Welche Maßnahmen darunter fallen, sollen die Mitgliedsstaaten der EU-Kommission individuell vorschlagen. Die Teilnahme für die Landwirte soll freiwillig sein und jedes Jahr neu beantragt werden können. Doch die große Frage ist nun: Wie viel Geld wird von den Direktzahlungen in diese Eco Schemes fließen?
Die geplante Mittelverteilung in der Landwirtschaft steht in der Kritik
Uwe Latacz-Lohmann ist Leiter des Instituts für Agrarökonomie an der Uni Kiel und berät als Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz auch Landwirtschaftsministerin Klöckner. Er warnt im Media-Center-Pressegespräch vor zu hohen Erwartungen: Bisher geplant seien 20 Prozent oder umgerechnet rund 900 Millionen Euro pro Jahr für Deutschland. Das reiche bei weitem nicht aus, um den anstehenden Aufgaben bei den Themen Biodiversität, Klima- und Gewässerschutz, Tierwohl und Luftreinhaltung gerecht zu werden. Die Landwirte seien grundsätzlich bereit, Umweltleistungen zu erbringen, wenn sie dafür bezahlt werden. Das ist der Kern aller Verhandlungen in Berlin und Brüssel: Wer bezahlt für die Einhaltung von Umweltstandards?
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