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Landwirtschaft: Der qualvolle Tod ungeborener Kälbchen

Landwirtschaft

Der qualvolle Tod ungeborener Kälbchen

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    Tiere im Transporter - viele Kälber sterben im Schlachthof einen qualvollen Tod im Mutterleib. Tierschützer machen jetzt mobil und fordern neue Gesetze. Symbolbild
    Tiere im Transporter - viele Kälber sterben im Schlachthof einen qualvollen Tod im Mutterleib. Tierschützer machen jetzt mobil und fordern neue Gesetze. Symbolbild Foto: Marcus Merk

    Endstation Schlachthof: Jährlich werden in Deutschland über eine Million Milchkühe durch einen Bolzenschuss betäubt und bluten anschließend aus. Die Bundestierärztekammer (BTK) geht davon aus, dass rund 180000 dieser Tiere trächtig sind. Isabella Timm-Guri vom Bayerischen Bauernverband (BBV) vermutet, dass die Zahl zu hoch gegriffen ist: „Sie beruht auf einer einzigen Studie, die dann hochgerechnet wurde. Bei so einem Vorgehen gibt es immer Fehler.“

    Der Bayerische Bauernverband kennt das Problem, dass trächtige Kühe geschlachtet werden. Dies geschehe nach Ansicht von Timm-Guri aber unbeabsichtigt. „Wir gehen davon aus, dass die Landwirte nicht bemerkt haben, dass die Kuh trächtig war.“ Dem widerspricht Lisa Wittmann von der Tierrechtsorganisation Peta: „Jeder Landwirt weiß, welche seiner Kühe trächtig sind.“ Einen Aufschluss darüber könne nur eine tierärztliche Untersuchung geben. Sichere Befunde gibt es ab der sechsten Woche, sagt Dr. Paul Thierauf, Fachbereichsleiter vom Veterinäramt des Augsburger Landratsamtes. Er bestätigt, dass es vorkommen kann, dass ein Landwirt nichts von der Trächtigkeit eines Tieres mitbekomme. Thierauf ist überzeugt, dass die Bauern kein Interesse daran haben, eine trächtige Kuh zu schlachten. „Eine solche Schlachtung ist ethisch nicht vertretbar und auch gar nicht im wirtschaftlichen Interesse“, sagt Timm-Guri vom BBV.

    Statt Behandlung ab zum Schlachthof?

    Das sehen Tierschützer wie Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, anders: „Milchkühe werden zunehmend aus wirtschaftlichen Gründen aufgrund beginnender Krankheitsgeschehen oder einem Leistungsabfall zum Schlachthof transportiert.“ Bevor Kühe aufwendig behandelt werden, würden sie nach Meinung von Peta-Fachreferentin Wittmann in den Schlachthof gebracht, um zumindest den Schlachtpreis zu erhalten. Dieser beträgt je nach Gewicht und Region rund 500 Euro pro Tier.

    Durch die Schlachtung trächtiger Kühe ersticken nach Ansicht der Bundestierärztekammer etwa 500 Kälber täglich in der Gebärmutter. Dieser Vorgang könne nach Einschätzung von Dr. Kai Braunmiller, Veterinärdirektor in Bayreuth, bis zu 20 Minuten dauern. „Ein Zustand, den wir Tierärzte nicht akzeptieren können“, sagt Dr. Theo Mantel, Präsident der BTK. Die toten Kälber werden Wittmanns Erkenntnissen nach aus der Kuh rausgeschnitten und weggeschmissen. „Die Kälber sind praktisch Abfall.“

    Geschockt von diesem Vorgehen zeigt sich Rainer Hagencord, katholischer Priester und Leiter des Instituts für Theologische Zoologie in Münster. Für ihn ist die Schlachtung trächtiger Kühe ein Affront gegen das Leben. Daran erkennt man seiner Einschätzung nach, wie es eine Gesellschaft mit Respekt und Ehrfurcht gegenüber Tieren halte. „Das ist ethisch nicht zu vertreten und wirft ein erschreckendes Licht auf die Tierhaltung in Deutschland“, sagt Hagencord.

    Deshalb fordern die BTK und Tierschützer ein Schlachtverbot für tragende Rinder, sofern die Mutterkuh nicht unheilbar krank ist, sowie eine verpflichtende Trächtigkeitsuntersuchung. Bisher ist das Schlachten trächtiger Tiere legal.

    Ein Bundesland hat bereits strengere Gesetze erlassen

    Eine Sonderposition nimmt Schleswig-Holstein ein. Als erstes Bundesland formulierte es vergangenes Jahr einen Landeskodex zum Verzicht auf die Schlachtung hochtragender Rinder. Demnach dürfen Rinder im letzten Drittel der Trächtigkeit nicht mehr geschlachtet werden. Außerdem ist vor der Schlachtung eine Trächtigkeitsuntersuchung obligatorisch.

    Doch nicht alle Beteiligten sehen die Lösung in einer strikteren Gesetzgebung. Seit Anfang des Jahres wird an den Schlachthöfen erfasst, ob ein trächtiges Tier geschlachtet wurde. „Wir müssen zuerst valide Zahlen gewinnen und dem Ansatz des Monitorings und der Sensibilisierung eine Chance geben“, sagt Timm-Guri. Erst danach könne man darüber diskutieren, ob ein gesetzliches Handeln erforderlich sei. Die Tierhalter seien dem gegenüber sehr aufgeschlossen.

    Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) bezeichnete die Schlachtung trächtiger Rinder in dem ARD-Magazin „Report Mainz“ als „absolut inakzeptabel“. Er möchte dies „so schnell wie möglich“ verhindern. Peta-Referentin Wittmann hat wenig Hoffnung auf eine schnelle Reaktion. Seit einem Jahr bittet Peta die zuständigen Minister, ein landesweites Verbot einzuführen, aber es wird immer auf die EU verwiesen. Eine im vergangenen Jahr auf der Peta-Homepage gestartete Unterschriftenaktion hat rund 180000 Befürworter – so viele Kälber sterben vermutlich jährlich.

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