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Kündigungen: Die Folgen des Bausparkassen-Urteils

Kündigungen

Die Folgen des Bausparkassen-Urteils

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    Von Geldanlagen mit drei oder vier Prozent Zinsen können Sparer im Moment nur träumen. Kein Wunder, dass sie ihre alten Bausparverträge zu den günstigen Konditionen der 80er oder 90er Jahre ausreizen, solange es eben geht. Die Bausparkassen machen mit solchen Kunden inzwischen allerdings oft kurzen Prozess. Chancen, sich dagegen zu wehren, gibt es nach einem Grundsatz-Urteil des Bundesgerichtshofs, kurz BGH, kaum noch. Aber von Anfang an.

    Wo liegt überhaupt das Problem?

    Vorrangig gedacht ist das Bausparen zum Finanzieren von Hausbau, Wohnungskauf oder Renovierung. In der ersten Zeit zahlt der Kunde Beiträge ein und spart einen Teil der Bausparsumme selbst an. Darauf bekommt er Zinsen. Wird der Vertrag „zuteilungsreif“, kann er sich das Ersparte auszahlen lassen und den restlichen Betrag als Darlehen in Anspruch nehmen. Dafür zahlt er in dieser zweiten Phase Zinsen an die Bausparkasse. Normalerweise sind die Zinsgewinne beim Sparen vergleichsweise unattraktiv. Dafür kann man sich später zu einem verlässlichen, eher niedrigen Zinssatz Geld leihen. Aber in der Niedrigzinsphase funktioniert das nicht mehr: Kredite sind überall günstig zu haben – andererseits gibt es fürs Sparen kaum Zinsen.

    Welche Folgen hat das?

    Langjährige Bausparer haben nicht viel davon, das Darlehen in Anspruch zu nehmen. Oft ist es vorteilhafter, den Vertrag als Anlage mit üppigen Zinsen weiterlaufen zu lassen – so lange, bis die Bausparsumme irgendwann komplett angespart ist. Die Bausparkassen bringt das in Bedrängnis, sie sehen ihr Geschäftsmodell in Gefahr. Um die wirtschaftlich belastenden Altverträge loszuwerden, haben sie seit 2015 bereits schätzungsweise 250000 Kündigungen verschickt. Zur Rechtfertigung heißt es, die Institute müssten das Wohl sämtlicher Bausparer im Blick haben. Verbraucherschützer werfen den Bausparkassen aber vor, die Verträge früher selbst auch aktiv als Geldanlage beworben und damit gut verdient zu haben. Jetzt müssten sie die Konsequenzen tragen.

    Und die rechtliche Seite?

    Dass Verträge gekündigt werden dürfen, die zu hundert Prozent bespart sind, steht außer Frage. Die jüngste Kündigungswelle trifft aber Kunden, die die vereinbarte Bausparsumme noch nicht erreicht haben. Gemeinsam ist allen Fällen, dass die Verträge seit mindestens zehn Jahren zuteilungsreif sind, das Darlehen aber nicht abgerufen wurde. Branchenweit stützen sich die Kassen dabei auf einen Paragrafen im Bürgerlichen Gesetzbuch, aus dem sie eine Art Sonderkündigungsrecht ableiten, sobald ein Jahrzehnt verstrichen ist.

    Was haben die Karlsruher Richter nun entschieden?

    Sie sagen: Der Paragraf 489 im Bürgerlichen Gesetzbuch schützt jeden Schuldner vor überhöhten Forderungen – egal ob Verbraucher oder Unternehmen. Also können sich auch die Bausparkassen darauf berufen. Der Senat stellt in seinem Urteil heraus, dass das Einzahlen dazu gedacht sei, eine bestimmte Summe und damit den Anspruch auf das Darlehen zu erreichen. Danach kann der Bausparer zwar weitersparen – der Vertragszweck sei aber erfüllt. Wenn die Bausparkasse nach zehn Jahren nicht mehr mitspielen will, darf sie deshalb die Kündigung verschicken.

    Welche Folgen hat das Urteil?

    Der Richterspruch segnet sämtliche Kündigungen der Vergangenheit ab. Und die Bausparkassen können ohne Bedenken weitermachen – um die 60000 Kündigungen dürften nach Schätzung vom Jahresanfang im Laufe von 2017 folgen. Bankenexperte Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg sieht nur für ganz wenige Bausparer einen Funken Hoffnung. Nämlich für jene, denen ihre Verträge nachweislich als „Renditeknaller“ verkauft wurden. Wenn es dazu noch Unterlagen gebe, könnte sich ein Rechtsstreit vielleicht lohnen, meint er.

    Ist der Streit um die Bausparverträge damit geklärt?

    Der nächste Konflikt bahnt sich an. Die meisten Bausparkassen haben aus der Misere gelernt. In vielen neuen Verträgen findet sich eine Klausel, die 15 Jahre nach Abschluss die Kündigung ermöglicht. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg sieht die Kunden dadurch benachteiligt und hat zwei Institute verklagt. Anja Semmelroch und Wolf von Dewitz, dpa

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