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Kreis Neu-Ulm: Sie ist Chefin von drei Filialen: Wie eine Apothekerin kämpft

Kreis Neu-Ulm

Sie ist Chefin von drei Filialen: Wie eine Apothekerin kämpft

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    Franziska Utzinger ist Apothekerin aus Leidenschaft. Mit Service versucht sie, sich zu behaupten.
    Franziska Utzinger ist Apothekerin aus Leidenschaft. Mit Service versucht sie, sich zu behaupten. Foto: Alexander Kaya

    Die Uhr im Kirchturm gegenüber der Büttel-Apotheke in Nersingen schlägt eins. Mittagszeit. Eigentlich. Doch Franziska Utzinger muss jetzt, wo die Kunden gerade nicht da sind, noch ein paar Dinge erledigen. Die Alarmanlage einrichten, Mitarbeiter-iPads wegräumen. Dann lässt sich die 36-Jährige auf ihren grünen Schreibtischstuhl fallen, greift kurz nach dem Smartphone und schaut, ob es von zu Hause Neuigkeiten gibt.

    Sechs Jahre ist es her, dass sie die Büttel-Apotheke und eine weitere Filiale von ihrem Vater übernommen und eine dritte Filiale dazugekauft hat. Mit 30 Jahren. Damals war gerade ihre erste Tochter auf die Welt gekommen. Ein bisschen später folgte ein Zwillingspaar. Bald wird sie noch eine vierte

    Die Zahl der Apotheken sinkt

    Schaut man sich die Zahlen an, die der Apothekenverband Abda einmal im Jahr herausgibt, dann ist Utzinger nicht nur deshalb eine Ausnahme. Sondern auch, weil sie es überhaupt gewagt hat, sich selbstständig zu machen. Chefin von 35 Mitarbeitern zu werden.

    Alleine in diesem Jahr haben bisher in Deutschland 300 Apotheken geschlossen. In der Region kommen inzwischen im Schnitt auf 100.000 Einwohner etwa 22 Apotheken. Das hört sich nach viel an – der europäische Durchschnitt liegt aber bei 31 Apotheken. Die Zahl der Apotheken sinkt, auch weil Eigentümer, die in den Ruhestand gehen, keine Nachfolger finden. Das liegt nicht daran, dass das Pharmazie-Studium unattraktiv geworden wäre: So sind die Studentenzahlen seit Jahren konstant. Dass Apotheken aufgegeben werden, liegt dagegen oft daran, dass der Nachwuchs sich nicht mehr so bereitwillig selbstständig machen will. Einige scheuen das kaufmännische Risiko. Viele Apotheker sehen das ähnlich: 71 Prozent blicken negativ in die Zukunft. Vor zwei Jahren war knapp die Hälfte so pessimistisch eingestellt. Deshalb setzt sich der Apothekerverband nun für die Apotheke vor Ort ein und wirbt damit, dass das rote Apotheken-A für viele Menschen ein Symbol für Heimat sei. Und der Verband stellt heraus, dass ein Dorf ohne Apotheke keine jungen Menschen halten könne, weil ein wesentlicher Teil der Nahversorgung fehle – vor allem, wenn es um Notdienste geht.

    Klischees ärgern Franziska Utzinger

    Wie behauptet sich also eine junge Frau in diesem Geschäft? Utzinger macht sich zwar auch Gedanken über die Lage der Branche. Doch Jammern liegt ihr nicht. Sie will etwas tun. Schon als Jugendliche stand für Utzinger fest, dass sie in den Familienbetrieb einsteigt. „Ich liebe meinen Beruf“, sagt die 36-Jährige. Gleichzeitig merkt auch sie, dass es nicht einfacher wird. Im Schnitt erwirtschaften ihre Apotheken jeweils einen Umsatz von 1,5 bis 2,5 Millionen Euro im Jahr. Damit liegt Utzinger etwa im bundesweiten Durchschnitt, wie Zahlen aus dem Jahr 2017 zeigen. Eine durchschnittliche Apotheke macht demnach rund 2,3 Millionen Euro Jahresumsatz. Davon fließen etwa drei Viertel in den Materialeinsatz, also Medikamente oder die Ausstattung der Apotheke. Die Personalkosten machen vom Rest etwa die Hälfte aus. Für den Apotheker bleibt im Schnitt nach Abzug aller Kosten etwa sechs Prozent des Umsatzes übrig: Das sind rund 144.000 Euro im Jahr. Bei einer Filial-Apotheke sei es weniger, sagt Utzinger. Denn jede Filiale braucht einen Leiter.

    Als Selbstständiger muss der Apotheker vom Ertrag noch Steuern, Versicherungsbeiträge und die Altersvorsorge abziehen – und Rücklagen bilden für Investitionen. „Es bleibt genug Geld, um davon zu leben“, meint Utzinger. Das Klischee des Porsche fahrenden Apothekers ärgert sie aber: „Ich trage die Verantwortung für meine Mitarbeiter und bin Haupternährerin meiner Familie.“ Deshalb spüre sie auch wirtschaftlichen Druck. Allerdings ist ihr Gestaltungsspielraum begrenzt, weil Apotheker zum Beispiel die Preise von verschreibungspflichtigen Medikamenten nicht selbst festlegen können und immer bestimmte Produkte auf Lager haben müssen.

    Schließlich sind die Betriebe an Verträge mit den Krankenkassen gebunden und müssen Nacht- und Notdienste leisten. Seit zwei Jahren klagen Apotheker deshalb über den Versandhandel aus dem Ausland. Die ausländischen Apotheken müssen sich nicht an die Preisbindung für rezeptpflichtige Arzneimittel halten. Sie dürfen ihren Kunden Rabatte einräumen.

    "Viele Dinge, die ich anbiete, lassen sich nicht über den Preis abbilden"

    Rezeptpflichtige Arzneimittel machten etwa 85 Prozent ihres Umsatzes aus, sagt Utzinger. Wenn die Kunden die Medikamente günstiger im Internet bestellen, sieht sie die Gefahr, dass ihr Geschäft wegbricht: „Ich merke im Gespräch, dass wir mehr diskutieren müssen.“ Die Kunden wollten wissen, warum es manche Dinge im Netz günstiger zu kaufen gebe und ihnen Utzinger nicht die gleichen Rabatte geben könne. „Viele sagen dann: Ja, eine Apotheke vor Ort ist schon wichtig. Aber wenn ich sparen kann, kaufe ich Arzneimittel doch lieber im Netz.“ Das findet die Apothekerin unfair, „weil es den Wettbewerb verzerrt“. Und sie argumentiert: „Viele Dinge, die ich anbiete, lassen sich nicht über den Preis abbilden.“ So berichtet sie von einer Kundin, die jeden Tag zum Blutdruckmessen komme, weil sie das alleine nicht könne. Utzinger bietet den Service gerne an. Eine Beziehung zu Kunden ist ihr wichtig. Wenn es dann am Ende doch nur ums Geld gehe, ärgert sich die Apothekerin: „Einen Preiskampf mit Online-Apotheken kann ich nur verlieren.“

    Gleichzeitig ist Utzinger bewusst, dass es nichts bringt, nur zu hoffen, dass die Politik handelt und – wie es Apothekerverbände fordern – den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Medikamenten verbietet. Zwar hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) den Apothekern versprochen, etwas gegen die ausländischen Internet-Wettbewerber zu tun.

    Doch Utzinger glaubt, nur jene Apotheken könnten bestehen, die sich um ihre Kunden bemühen. Deshalb bieten ihre Apotheken etwa an, dass Kunden per WhatsApp Medikamente bestellen und diese dann später abholen können. Und an Spahn gerichtet sagt sie: „Ich ergreife gerne die Initiative oder bilde Mitarbeiter weiter. Aber es wäre schön, wenn am Ende ein Gesetz herauskommt, dass Apotheken vor Ort auch finanziell stärkt.“

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