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Kommentar: Kraftfahrtbundesamt hat im Diesel-Skandal versagt

Kommentar

Kraftfahrtbundesamt hat im Diesel-Skandal versagt

Michael Kerler
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    Das Audi-Logo
    Das Audi-Logo Foto: Marijan Murat, dpa (Symbolbild)

    Wagen wir einen Blick in einen ganz anderen Bereich. Zu den Lebensmitteln. Denn die meisten Skandale folgen einem ähnlichen Muster. Erinnern Sie sich an den Bayern-Ei-Skandal? Im Sommer 2014 wurden in vielen Ländern Europas Menschen krank, weil sie sich über Eier mit Salmonellen infiziert hatten. Die Spur führte zum Unternehmen Bayern-Ei. Die Behörden schienen damals geschlampt zu haben, bei den Salmonellen-Tests ließ man sich lange Zeit.

    Ob es Fehler gab, ist nach einem Untersuchungsausschuss umstritten. Gerade im Lebensmittelbereich aber wiederholt sich der Vorwurf, dass amtliche Kontrolleure nicht genau hinsehen – Experten also, die einen ähnlichen Hintergrund haben wie die, die sie kontrollieren. Bei der Diesel-Affäre findet sich das Muster wieder.

    Staatsanwälte decken auf, wo das Kraftfahrtbundesamt versagt hat

    Der Ablauf des Diesel–Skandals in Deutschland ist ein Fall von Behördenversagen erster Güte. Jahrelang gelang es den Autoherstellern, Fahrzeuge auf die Straßen zu schicken, die zwar auf dem Prüfstand beste Abgaswerte zeigten, im realen Betrieb aber Dreckschleudern waren. Zuständig für die Zulassung war das Kraftfahrtbundesamt in Flensburg, das bekannt ist, weil es die Verkehrssünderkartei führt. Die Manipulationen an den Diesel-Motoren passierten das Amt jahrelang offenbar anstandslos. Aufgedeckt hat den Skandal am Ende die Umweltbehörde der USA.

    Wenn heute Zweifel über die Unabhängigkeit des Kraftfahrtbundesamtes laut werden, ist dies legitim. Angedockt ist es am Verkehrsministerium. Und dieses wird seit Jahren von CSU-Politikern geführt, derzeit von Andreas Scheuer. Im CSU-Land Bayern sitzen die großen Autohersteller BMW und Audi. Wenn es stimmt, dass die Deutsche Umwelthilfe bereits vor dem Diesel-Skandal dem Ministerium und dem Kraftfahrtbundesamt Hinweise auf Manipulationen gab, diese aber nicht weiter verfolgt wurden, wäre dies skandalös. Aber auch kurz nachdem die Diesel-Affäre im Jahr 2015 aufgedeckt wurde, scheint das Amt nur lasch kontrolliert zu haben. Es ist ein Trauerspiel, dass heute Staatsanwälte aufdecken müssen, wo zuvor die Behörde versagt hat. Aber ist es wirklich so einfach?

    Fataler Kuschelkurs mit der Industrie

    Ein Amt ist nur so gut, wie die Kontrollen, die es ausführen kann. In Gaststätten ist für die Hygiene entscheidend, dass Kontrolleure einen Blick in die Küche werfen. Das Kraftfahrtbundesamt scheint aber gar keine eigenen Messungen auf Abschaltvorrichtungen durchgeführt zu haben. Dazu sei man nicht in der Lage gewesen. Ein Zulassungsverfahren bleibt so eine stumpfe Waffe. Die Politik soll die heimische Industrie fördern und darf sie nicht durch Aktionismus kaputt trampeln. Aber ein Kuschelkurs zwischen Kontrollbehörden und Industrie ist ein Fehler.

    Die bösen Folgen davon sehen wir heute: Die Autobauer nämlich haben so Milliarden Euro in die Fortentwicklung der Diesel-Technik investiert, die heute beschädigt und in den USA verbrannt ist. VW, Audi & Co. zahlen horrende Strafen – Geld, das für die Entwicklung neuer Antriebe fehlt. Den Schaden haben auch tausende Verbraucher, deren Autos an Wert einbüßen.

    In Zukunft muss das Kraftfahrtbundesamt schärfer kontrollieren. Zu seiner Unterstützung hat man 2018 einen Beirat eingeführt. Dort sind Umweltschützer vertreten, aber auch die Autoindustrie. Das Amt kann inzwischen auch Fahrzeuge im Realbetrieb testen. Die Frage aber ist, ob es nicht mehr Unabhängigkeit bräuchte und ob das Verkehrsministerium wirklich der beste „Dienstherr“ ist.

    E-Mails, die wie schon passiert „mit industriefreundlichem Gruß“ unterschrieben werden, darf sich das Kraftfahrtbundesamt nicht mehr leisten.

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