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Kontoüberziehung: Wenn Banken den Kunden den Dispozins verschweigen

Kontoüberziehung

Wenn Banken den Kunden den Dispozins verschweigen

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    Das Konto leer, das Auto kaputt? Kein Problem, denn Girokonten kann man überziehen. Doch der Preis für den kleinen Kredit ohne Papierkram ist hoch.
    Das Konto leer, das Auto kaputt? Kein Problem, denn Girokonten kann man überziehen. Doch der Preis für den kleinen Kredit ohne Papierkram ist hoch. Foto: Jens Kalaene, dpa

    Das Konto leer, das Auto kaputt? Kein Problem, denn Girokonten kann man überziehen. Doch der Preis für den kleinen Kredit ohne Papierkram ist hoch. Viele Banken verlangen zweistellige Dispozinsen, teils mehr als 14 Prozent, wie die jüngste Untersuchung der Stiftung Warentest zeigt. Erschreckend: Oft mussten die Tester fast detektivisch vorgehen, denn viele Banken rücken ihre Zinssätze nicht heraus - obwohl sie Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) gerade erst Besserung versprochen haben.

    "Die Dispozinsen sind viel zu hoch", sagt Warentest-Vorstand Hubertus Primus. Der Grund sei mangelnder Wettbewerb, weil Kunden die Zinsen nur schwer vergleichen können. 1566 Institute hat die Stiftung Warentest befragt, teilweise Filialen persönlich besucht. Die Konditionen von fast einem Drittel blieben trotzdem im Dunkeln. "Wir fordern daher, die Banken gesetzlich zu verpflichten, auch im Internet einen Preisaushang zu veröffentlichen", sagt Primus.

    Eine lukrative Einnahmequelle für die Banken

    Auch die teuerste Bank im Test verschwieg ihren Dispozins von 14,25 Prozent zunächst. Wer bei dieser Raiffeisenbank ein halbes Jahr lang ständig mit 1000 Euro in den Miesen ist, zahlt 71 Euro Zinsen. Bei einer der günstigsten, einer Direktbank mit einem Zinssatz von 5,25 Prozent, dagegen nur 26 Euro.

    Der Dispo ist eine lukrative Einnahmequelle für die Banken. Einer Forsa-Umfrage zufolge hat fast jeder vierte Deutsche in diesem Jahr bereits sein Girokonto überzogen. Laut Bundesbank summierten sich die Überziehungskredite im August auf 39,8 Milliarden Euro - da bringt jeder Prozentpunkt bei den Dispozinsen den Banken 398 Millionen Euro.

    Banken kommen billig an Geld

    Dabei kommen Banken und Sparkassen selbst schon lange deutlich billiger an Geld. Zur Linderung der Finanzkrise senkte die Europäische Zentralbank (EZB) ihren Leitzins auf ein Rekordtief von derzeit 0,75 Prozent. Auch der Euribor, zu dem sich Banken untereinander Geld leihen, steht günstiger als im Vorjahr.

    "Es liegt also nahe, dass die Erträge aus dem Dispokreditgeschäft die Kosten, die dem Kreditinstitut für dieses Produkt entstehen, deutlich übersteigen", heißt es auch in einem Gutachten des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und des Institut für Finanzdienstleistungen. Die Banken nutzen die Einnahmen wohl zur Quersubventionierung oder zur Gewinnsteigerung. Dabei müssten Banken bei dem aktuellen Zinsniveau mit Dispozinsen unter zehn Prozent profitabel arbeiten können, schätzen Gutachter und Warentester.

    Kleine Institute schlagen richtig zu

    Im Schnitt verlangen die Institute der Stiftung Warentest zufolge aber 11,76 Prozent. Das ist auch im Vergleich mit Deutschlands Nachbarländern hoch. So nehmen niederländische Banken im Schnitt 6,69 Prozent, österreichische sogar nur 5,52 Prozent. Die besten Konditionen in Deutschland haben Direkt- und Genossenschaftsbanken. Vor allem kleine Institute dagegen schlagen richtig zu. Mehrere machen die Dispozinsen sogar von der Bonität ihrer Kunden abhängig und nehmen laut Internet-Preisaushang bis zu 15,32 Prozent.

    Die Deutsche Kreditwirtschaft - die Dachorganisation von Banken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken - weist die Vorwürfe zurück. Jeder Kunde könne auf dem Kontoauszug den aktuellen Zinssatz sehen oder sich per Aushang informieren. Für eine Bank seien Dispokredite aufwendiger als andere - und müssten deshalb teurer sein. Außerdem gebe es gar keinen direkten Zusammenhang zum EZB-Leitzins.

    Bundesländer fordern gesetzliche Begrenzung

    Mehrere Bundesländer fordern dennoch eine gesetzliche Begrenzung der Überziehungszinsen. Sie scheiterten aber am vergangenen Freitag im Bundesrat. Auch Aigner ist dagegen - sie fürchtet, ein gesetzliches Limit könnte nach hinten losgehen und es unter dem Strich für alle teurer machen. Primus dagegen fordert: Erst Zinsen senken, dann fest an EZB-Leitzins oder Euribor koppeln.

    Was derzeit schon zu helfen scheint, ist Öffentlichkeit. In mehreren Fällen genügte scheinbar schon eine Anfrage der Stiftung Warentest, damit Banken ihre Zinsen senkten. Und einfach wieder beliebig erhöhen, das ist gesetzlich bereits jetzt verboten. (dpa)

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