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Konjunktur: Zwischen Aufschwung und Krise: So geht es der Wirtschaft in der Region

Konjunktur

Zwischen Aufschwung und Krise: So geht es der Wirtschaft in der Region

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    Die Erholung der Industrie hat auch in Schwaben an Tempo gewonnen.
    Die Erholung der Industrie hat auch in Schwaben an Tempo gewonnen. Foto: Jan Woitas, dpa

    Zweigespalten ist die Wirtschaft in der Region aktuell laut der jüngsten Konjunkturumfrage der IHK Schwaben. Auf der hellen, der Tagseite, steht nach den Worten von IHK-Präsident Andreas Kopton die Industrie. Sie „leuchtet“ nach der schweren Krise bereits wieder, wie er am Mittwoch bei der Vorstellung der Ergebnisse der vom 19. bis 29. April erhobenen Umfrage sagte. Mit mehr Aufträgen, guter oder zumindest befriedigender Geschäftslage und klar positiven Erwartungen stehen die Zeichen nicht mehr auf Krise.

    Vor allem China und die USA, wo Präsident Biden mit einem beispiellosen Konjunkturprogramm in Vorlage gegangen ist, treiben den Aufschwung. Das ist für den starken Produktionsstandort Schwaben, an dem 40 Prozent der Wirtschaftsleistung an dieser Branche hängen, von herausragender Bedeutung. Zum Vergleich: In ganz Deutschland liegt die Quote des produzierenden Gewerbes am Bruttoinlandsprodukt gerade einmal halb so hoch.

    Doch in der Reisebranche, im Gastgewerbe und im Einzelhandel ist die Finsternis weiterhin beinahe total. 34 Prozent der Beherbergungsbetriebe bezeichnen ihren Liquiditätsstatus demnach als „existenzbedrohend“. Auch in der Reisebranche (15 Prozent), der Gastronomie (10 Prozent) und im Einzelhandel (4 Prozent) sind die Sorgen weiter groß – und die Erwartungen an eine schnelle Besserung klein.

    IHK-Präsident Andreas Kopton teilt kräftig aus

    Zwei Gesichter zeigte aber auch die IHK Schwaben bei der Präsentation der Ergebnisse. Hauptgeschäftsführer Marc Lucassen erkannte das Engagement des Staates für die Wirtschaft ausdrücklich an. Allein in Schwaben wurden demnach bislang 30.000 Anträge auf Unterstützung aus den diversen staatlichen Programmen gestellt. 530 Millionen Euro sind im Gegenzug in die Region geflossen. Für ganz Bayern liegen die Zahlen bei rund 240.000 Anträgen und 4,4 Milliarden Euro Unterstützungszahlungen. „Der Staat war nicht untätig. Aber die Hilfe aus Steuergeldern wurden natürlich auch von Unternehmen bezahlt“, so Lucassen. Es seien Fehler passiert, so sei mit Begriffen wie „Novemberhilfe“ ein falsches Erwartungsmanagement betrieben worden. Aber die Wahrnehmung der staatlichen Hilfen in der Wirtschaft sei auch sehr unterschiedlich. „Unternehmer, die Geld bekommen haben, werden sich eher nicht beschweren“, so Lucassen.

    Nach dem Konjunktureinbruch im Vorjahr legt Chinas Volkswirtschaft nun gewaltig zu.
    Nach dem Konjunktureinbruch im Vorjahr legt Chinas Volkswirtschaft nun gewaltig zu. Foto: dpa

    Ganz anders klang dagegen IHK-Präsident Kopton, der zu einer Generalabrechnung mit der Politik ansetzte: „Ich polarisiere gerne“, schickte er warnend voraus. Das war nicht unbegründet. „Menschen, die Geld verdienen wollen, gehen in die Wirtschaft. Menschen, die Macht haben wollen, gehen in die Politik. Diese Macht zu erleben, muss erfüllend sein“, sagte Kopton. Gespürt hätten diese Macht Bürger und Wirtschaft in Form von erzwungenen Geschäftsschließungen und Ausgangssperren. Die Logik vieler Maßnahmen werde nicht hinterfragt. „Wir haben nach dem ersten Lockdown gesagt: ,Nie wieder Lockdown.‘ Die Erfahrungen waren grausig und es hat auch nicht so viel gebracht. Aber die Politik sucht keine Alternativen“, so Kopton.

    So sei auch nach über einem Jahr nicht klar, wer sich wo und wie anstecke. Den Ärger um die Hilfsprogramme hätte man sich ersparen können, wenn die Abwicklung über die Finanzämter auf Basis der zuvor besteuerten Gewinne gelaufen wäre. Überzogener Datenschutz mache die Corona-App wirkungslos. Und auch die Teststrategie der Staatsregierung kritisierte der IHK-Präsident: „Wir testen uns zu Tode. Ich höre von vielen, dass sie sich nicht testen lassen wollen, weil sie nicht mit den Konsequenzen leben wollen.“ Keine Konsequenzen zu fürchten hätten dagegen die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung, wenn offensichtlich werde, dass der Staat etwa bei der Digitalisierung um Jahre zurückhänge.

    Die Tourismusregionen im Allgäu sind besonders betroffen

    Viel Gesprächsbedarf also. Dass auch die Unternehmer in der Region ihre Lage schildern wollen, zeige sich in der außergewöhnlich hohen Rücklaufquote der Umfrage von etwa 50 Prozent, so Lucassen. „Unter normalen Umständen wären 30 Prozent für uns schon ein guter Wert.“ Trotz aller Sorgen und Kritik setze die schwäbische Wirtschaft ihre Erholung fort, wenngleich mit abgeschwächtem Tempo. Problematisch sei die Lage vor allem in den Tourismusregionen im Allgäu, die am stärksten unter Druck stehen. Auch in den Städten wird die Geschäftslage schlechter beurteilt – dort ist die Konzentration von Handel, Gastronomie und Beherbergungsbetrieben höher. Lucassen sagte aber auch: „Aus der ersten Welle der Pandemie wissen wir, dass sich die betroffenen Betriebe schnell erholen können.“

    IHK-Präsident Andreas Kopton (links) und IHK-Hauptgeschäftsführer Marc Lucassen.
    IHK-Präsident Andreas Kopton (links) und IHK-Hauptgeschäftsführer Marc Lucassen. Foto: IHK (Archiv)

    Ein immer größer werdendes Problem für die Unternehmen sind Lieferschwierigkeiten. „Die Industrie war bei diesem Thema bisher nicht sehr breit aufgestellt, es kam vor allem auf die Kosten an. In Zukunft dürfte die Resilienz, also die Widerstandsfähigkeit, eine deutlich größere Rolle spielen“, gab sich Lucassen überzeugt. Dazu kommt Planungsunsicherheit beim Personaleinsatz wegen Quarantäne-Maßnahmen oder Kurzarbeit. Steigende Energie- und Rohstoffpreise sieht die Hälfte der Unternehmen als Risiko für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung. Eine andere, altbekannte Sorge ist ebenfalls wieder da: Der Fachkräftemangel, vor allem in IT-Berufen, ist neben der Krise immer noch einer der größten Bremser des Wachstums.

    Trotz aller Kritik an der Politik forderte IHK-Präsident Kopton aber weitere Hilfen für Reise- und Gastgewerbe sowie den Einzelhandel und ein Konjunkturprogramm.

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