Vorsicht! Die Wirtschaftskrise kommt - oder doch nicht?
Im vergangenen Jahr wurden die Konjunkturprognosen immer schlechter. Es war das Schlimmste zu befürchten. Nun sind wieder ganz andere Töne zu hören. Wie kann das sein?
Die Anzahl der Firmen, die Kurzarbeit beantragen, steigt. Der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger macht sich Sorgen um die Konjunktur im Freistaat. Der Abschwung kommt in Schwaben an. Der Mittelstandspräsident fürchtet eine Rezession. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier will kein Konjunkturpaket schnüren. Das sind ein paar Beispiele für Überschriften, die so oder ähnlich in den vergangenen Wochen veröffentlicht wurden.
Es gibt einen Hoffnungsschimmer: Kommt doch keine Wirtschaftskrise?
Sie alle zeichnen ein Bild: Die Konjunktur kühlt sich ab. Der deutschen Wirtschaft geht es schlechter, sie bricht ein. Die Industrie im Allgemeinen bekommt weniger Aufträge. Die Autoindustrie steckt im Strukturwandel: Weg vom Verbrennungsmotor hin zum E-Auto. Beides führt dazu, dass Industrie-Unternehmen weniger Mitarbeiter brauchen. Doch nun sind plötzlich andere Töne zu hören. Positivere. Man könnte auch sagen: Es gibt einen Hoffnungsschimmer. Ist die Krise vielleicht vorbei, bevor sie auf dem Arbeitsmarkt angekommen ist?
Aber was heißt das überhaupt: positivere Töne? Erstens wäre da das Gutachten, das der Sachverständigenrat der Bundesregierung - besser bekannt als die Wirtschaftsweisen - am Mittwoch vorgestellt hat. Darin heißt es, die Wirtschaft wachse in diesem Jahr um 0,5 Prozent. Das ist nicht besonders viel. Aber: Die Experten sagen auch: Eine schwere Krise wird es voraussichtlich nicht geben.
Dazu kommt zweitens eine Meldung vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Das Konjunkturbarometer, das die Forscher einmal im Monat veröffentlichen, ist im Oktober im Vergleich zum September leicht gestiegen. Die Talfahrt ist beendet. Dazu schreibt das DIW: "Im laufenden vierten Quartal wird es aber wohl zumindest nicht weiter bergab gehen. Die Wirtschaftsleistung dürfte dann in etwa stagnieren."
Konjunktur-Experte: Nur die Industrie-Konjunktur schwächelt
Und drittens kommt auch das Münchner Ifo-Institut zu einem hoffnungsvolleren Ergebnis als zuletzt. Die Stimmung in der Industrie hat sich verbessert, schreiben die Münchner Wissenschaftler am Dienstag. "Der Abschwung beim Auftragseingang hat sich verlangsamt. Die Zahl der Pessimisten nimmt ab, überwiegt aber noch", heißt es in der Mitteilung. Wie kann das sein? Kommt doch keine Wirtschaftskrise?
Naja. Ganz so einfach ist das nicht, erklärt Professor Timo Wollmershäuser. Er ist beim Ifo-Institut in München für die Konjunkturprognosen zuständig. Und erklärt, dass es in Deutschland momentan zwei verschiedene wichtige Bereiche gebe, die in unterschiedliche Richtungen weisen. Zum einen ist das die Industriekonjunktur, also die wirtschaftliche Lage in der Auto- und Chemieindustrie und im Maschinenbau. Sie macht etwa ein Viertel des deutschen Bruttoinlandsprodukts aus - und sie hat zuletzt ziemlich geschwächelt. "Wir konnten in der Industrie auch einen Beschäftigungsrückgang feststellen", sagt Wollmershäuser. Zwar seien nicht im großen Stil Stellen gestrichen wurden. Aber solche die frei wurden, wurden eben nicht nach besetzt.
Woran die Schwäche lag? Die deutschen Industrieunternehmen sind sehr exportorientiert. Aber gerade der Außenhandel war mit viel Unsicherheit belegt: Treten die Briten aus der EU aus oder nicht? Und falls ja, kommt ein harter oder ein weicher Brexit? Streiten sich USA und China weiter über Handelszölle? Belegt Trump auch die europäische Autoindustrie mit Strafzöllen? All diese Fragen machten das Planen für Industrie-Unternehmen schwer.
Brexit und Handelsstreit: Industrie sieht die Zukunft positiver
Die große Frage war nun, ob die Industrie-Schwäche auf die anderen Wirtschaftsbereiche überspringen würde. Die Industrie ist in Deutschland wichtig, sie steht dennoch nur für ein Viertel der Wirtschaftsleistung, sagt Wollmershäuser. Bleiben noch drei Viertel übrig. Und die bekamen bislang wenig vom Abschwung zu spüren. Der Handel, das Baugewerbe und das Handwerk sind weiter gewachsen. "In diesen Branchen werden auch noch weiter Fachkräfte gesucht", sagt der Ifo-Konjunkturexperte.
Das hätte anders ausgesehen, wenn es etwa in der Industrie zu Massenentlassungen gekommen wäre. Die Kaufkraft im Land wäre gesunken, die Menschen hätten weniger konsumiert. Die noch gute wirtschaftliche Lage im Handel, der Gastronomie, dem Handwerk und in der Baubranche wäre ebenfalls eingebrochen. Doch von diesem schlimmsten Fall war bislang keine Konjunkturprognosen ausgegangen. Und das scheint sich nun zu bestätigen.
Dazu kommt: Auch die Chefs in der Industrie sind wieder optimistischer. "Vermutlich wird es keinen harten Brexit geben", sagt Wollmershäuser. Auch der Ton zwischen den USA und China ist nicht mehr so rau, die Auto-Zölle für die EU scheinen vorerst vom Tisch. Die Auftragslage hat sich nicht weiter abgeschwächt. Sie stagniere eher. All das lässt hoffen und lässt die Chefs in der deutschen Industrie wieder etwas besser gestimmt in die Zukunft blicken. Also werden auch die Konjunkturprognosen wieder besser.
Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.
Die Diskussion ist geschlossen.