Wenn am Montag die Auto Shanghai eröffnet, könnte in China die Corona-Krise fast in Vergessenheit geraten. Zumindest wirtschaftlich. Denn Chinas Wirtschaft hat diese weitgehend überwunden und wächst schon wieder rekordmäßig: Wie das Pekinger Statistikamt am Freitag mitteilte, legte die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt in den ersten drei Monaten um 18,3 Prozent zu im Vergleich zum ersten Quartal des Vorjahres. Es handelt sich um den größten Sprung seit Beginn der quartalsweisen Auswertung vor gut 30 Jahren.
Chinas Regierung hatte im bevölkerungsreichsten Land der Welt eine „Null-Covid-Strategie“ verfolgt. Ein rigoroser Lockdown und scharfe Einreisekontrollen führten dazu, dass – von kleineren lokalen Ausbrüchen abgesehen – bereits seit gut einem Jahr nur noch sehr wenige Corona-Fälle auftreten. Seitdem befindet sich die Wirtschaft auf Erholungskurs.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) schätzt, dass China 2021 um weitere 8,1 Prozent zulegen könnte
Generell habe sich im ersten Quartal eine „stabile Erholung“ fortgesetzt, teilte Chinas Nationales Statistikamt mit. „Wir müssen uns jedoch bewusst sein, dass sich die Covid-19-Pandemie immer noch weltweit ausbreitet“, so die Behörde weiter, die vor Unsicherheiten und möglicher Instabilität warnte.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) schätzt, dass die chinesische Wirtschaft in diesem Jahr um weitere 8,1 Prozent zulegen könnte. Die chinesische Regierung ist vorsichtiger und legte ihr offizielles Wachstumsziel auf dem gerade in Peking zu Ende gegangenen Volkskongress auf einen Wert von „über sechs Prozent“ fest.
China verleiht der Weltwirtschaft Schwung
Besonders ein starker Außenhandel half Chinas Wirtschaft zuletzt auf die Sprünge. Chinas Fabriken liefen auf Hochtouren, um medizinische Güter wie Corona-Tests und Schutzmasken in alle Welt zu exportieren. Auch Laptops und andere Ausstattung für das Homeoffice kommen oft aus China. Die Industrieproduktion zog im ersten Quartal um 24,5 Prozent an. Gut entwickelte sich in den ersten drei Monaten auch der Binnenkonsum. Wie schon in der Finanzkrise 2008 hilft China, der Weltwirtschaft Schwung zu verleihen. Deutsche Autobauer und auch viele andere Firmen, die auf dem chinesischen Markt agieren, konnten sich dort zuletzt über üppige Gewinne freuen.
Wie Paul Berenberg-Gossler aus der Abteilung Konjunkturpolitik am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) im Gespräch mit unserer Redaktion erläuterte, scheinen die neuesten Quartalszahlen im Vergleich zum Vorjahresquartal natürlich ungewöhnlich stark, sind aber vor allem auf einen statistischen Effekt der Vergleichsperiode zurückzuführen. „Während die Effekte der Corona- Krise in Europa erst später zu spüren waren, so kam es in China im ersten Quartal 2020 zu einem fast Totalstillstand. Damals brach das Wirtschaftswachstum im Vergleich zum Vorquartal um satte 9,7 Prozent ein. Im Vergleich zum vierten Quartal 2020 wuchs die chinesische Wirtschaft im jetzigen ersten Quartal 2021 um bescheidenere 0,6 Prozent.“
Woher aber kommt aus seiner Sicht das Wachstum? Berenberg-Gossler bestätigt: „Vor allem zu Beginn der Corona-Krise in der westlichen Welt hat China stark von der ausländischen Nachfrage nach Datenverarbeitungsgeräten, medizinischer Schutzkleidung und diversen medizinischen Produkten profitiert. Chinas Konjunktur – insbesondere die Industrie – läuft somit seit dem zweiten Quartal 2020 auf Hochtouren.“ Dieser Effekt, so die Einschätzung des Wissenschaftlers, dürfte aber längerfristig nachlassen.
Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer: "China fährt allen davon"
Der Automarkt aber boomt. Das belegt die jüngste Studie Ferdinand Dudenhöffers zur Shanghai Auto-Show, die unserer Redaktion vorliegt. „China fährt allen davon“, schreibt der Leiter des Center Automotive Research. „Das Wirtschaftswachstum ist enorm und das spürt man ganz besonders im Automarkt“, erklärt Dudenhöffer.
„Der größte Automarkt der Welt ist 2021 dabei, seinen Abstand zum Rest der Welt erheblich zu erweitern.“ In den ersten drei Monaten dieses Jahres seien die Autoverkäufe in China im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um satte 76 Prozent gestiegen, berichtet Dudenhöffer. Der Anstieg sei zum großen Teil zwar auf den Corona-Lockdown vor einem Jahr zurückzuführen, doch Dudenhöffer geht von weiterem Wachstum der Verkäufe aus. Für das Gesamtjahr erwarte er 24,7 Millionen Pkw-Verkäufe in China.
Grund für die Wachstumshoffnung sei, dass der chinesische Automarkt zwar der größte der Welt, aber längst nicht gesättigt sei. Zu Beginn des Jahres 2021 seien auf chinesischen Straßen 287 Millionen Fahrzeuge gefahren. „Bei 1400 Millionen Menschen entspricht dies einer Fahrzeugdichte von 205 Fahrzeugen pro 1000 Einwohner“, rechnet Dudenhöffer vor. Zum Vergleich: In den USA betrage die Fahrzeugdichte 871 Autos pro 1000 Einwohner. China habe also noch großes Wachstumspotenzial.
Mercedes, BMW, Audi und Tesla profitieren
Unter den Premiumherstellern profitiert davon vor allem Mercedes, dicht gefolgt von BMW, dann kommen Audi und Tesla. Im ersten Quartal dieses Jahres habe Mercedes in China 222.500 Neuwagen abgesetzt. Tesla kommt nur rund auf ein Drittel – holt aber auf. Dazu kommen viele chinesische Hersteller, die auf der Shanghai Auto-Show eine große Rolle spielen werden. Firmen wie Geely mit seiner Marke ZEEKR, Great Wall Motor oder das Start-up XPeng sind in Europa kaum bekannt, in China aber gewinnen die heimischen Hersteller an Boden. Neben Tesla streben chinesische Marken selbst ins Premiumsegment, berichtet Dudenhöffer. „So etwa die Marke Hongqi, die als Premiumtochter des chinesischen FAW-Konzerns bereits Volvo im ersten Quartal überholte“, sagt der Experte.
Die Konsequenz sei, dass an China für die deutschen Hersteller längst kein Weg mehr vorbeigeht: „Die Automesse in Shanghai zeigt die Stärke des Reichs der Mitte: selbstbewusste chinesische Autobauer, die mit Hightech auftrumpfen, eine selbstbewusste Nation, die in hohem Tempo und mit unvergleichbarer Dynamik Technologiethemen nach vorne treibt“, sagt der Autofachmann.
„Es ist wichtig, einen vernünftigen Austausch mit China zu haben“, mahnt Dudenhöffer deshalb. „Sich zu isolieren und zu glauben, mit Sanktionen die Welt zu verändern, ist falsch.“ (mit dpa)
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