Zum Beispiel bei der Günzburger Steigtechnik: Rund 400.000 Leiternteile werden im Donauried pro Jahr gefertigt. Wichtigster Rohstoff ist Aluminium. Das braucht es vor allem. Nicht nur für Leitern, sondern auch für Rollgerüste oder Sonderkonstruktionen, die das Familienunternehmen global an seine Kunden ausliefert. Und das Aluminium, sagt Geschäftsführer Ferdinand Munk, ist in den letzten Monaten um rund 40 Prozent teurer geworden. „Da haben wir eine Steigerung beim Kilopreis von bisher 3 auf nun 4,20 Euro.“
40 Prozent. Die globale Wirtschaft zieht nach den Pandemie-Wellen wieder an, in vielen Betrieben könnte es nun steil nach oben gehen, aber die steigenden Preise für Rohstoffe und Lieferengpässe bleiben eines der größten Post-Corona-Probleme. Aluminium ist nur ein Beispiel von vielen: Holz, Kunststoffe oder Computer-Chips sind weitere. Die Ursachen variieren je nach Branche und Material, aber die Folgen sind überall gleich: Inflation, es wird teurer.
Die Günzburger Steigtechnik ist gut durch die Krise gekommen, musste aber einen Materialzuschlag erheben
Die Günzburger Steigtechnik ist gut durch die Krise gekommen. „Wir sind zufrieden mit der Auftragslage“, sagt Munk. Und von Lieferengpässen seien sie nicht betroffen. Munk erklärt: „Uns hilft, dass wir gut gepflegte, partnerschaftliche Beziehungen zu unseren Presswerken haben und europäisch aufgestellt sind. Sonst könnten wir die angefragten Mengen gerade nicht ausliefern oder hätten Verzögerungen.“ Man habe sich, als klar wurde, dass es bald eng werden könnte, rechtzeitig und gut aufgestellt.
Aber: Auch für die Günzburger Steigtechnik und ihre Kunden haben die Teuerungen, etwa beim Aluminium, Folgen. Munk sagt: „Erstmalig in der Firmengeschichte waren wir gezwungen einen Materialzuschlag zu erheben, der auf den bisherigen Preis draufgeschlagen wird.“ Das sei nötig, auch wenn so nur „ein Bruchteil“ der Kosten weitergegeben würde, die dem Unternehmen gerade wegen der gestiegenen Rohstoffpreise entstehen. Sobald die Rohstoffpreise wieder sinken, soll der Zuschlag wieder abgeschafft werden. Bis dahin will der Leiter-Spezialist versuchen, über effizientere Prozesse das derzeitige Kosten-Problem zu regeln. Die Kunden sollen jedenfalls keine Einbußen an Qualität oder Service haben. Aber reagieren musste auch Munk.
Wie viel weiter könnte der Aufschwung schon sein?
Die Frage ist: Wie viel weiter könnte der Aufschwung schon sein, wenn es die Rohstoffprobleme in der Breite nicht gäbe. Bei der Juni-Umfrage des Ifo-Instituts meldeten 92 Prozent der deutsche Industriefirmen Preissteigerungen für Material in den vergangenen drei Monaten. Bei Textilien, Holz, Gummi, Kunststoffe, Pappe und Papier. Felix Leiss, Umfrageexperte beim ifo Institut, spricht etwa bei Stahl oder beim Schnittholz, von „teils dramatischen Preisbewegungen“. Wegen des Holzmangels seien nun mancherorts sogar Paletten knapp geworden. Aber auch bei Aluminium- und Kupferprodukten gebe es Lieferprobleme. Auch synthetische Grundstoffe seien knapp. Es fehle an Garnen, an Folien, an Verpackungsmaterialien, an Dämmstoffen und anderen Kunststoffprodukten. Man könnte das fortführen.
Leiss sagte im Gespräch mit unserer Redaktion: „Solche Engpässen haben wir bisher noch nicht erlebt. In der Industrie und auch insbesondere auf dem Bau ist das ein historischer Höchststand. Jedes zweite Unternehmen im Bauhauptgewerbe hat Probleme Holz zubekommen.“ Wie viel weiter die Wirtschaft sein könnte, ist noch nicht messbar, klar aber ist, sagt Leiss: „Die Auftragsbestände laufen sehr gut. Die exportorientierte, deutsche Wirtschaft profitiert vom Erstarken der Konjunktur in den USA und China. In Anbetracht der exzellenten Auftragslage würden wir eigentlich eine größere Ausweitung der Produktion erwarten.“
Institut für Weltwirtschaft in Kiel: Lieferengpässe kosten auf Jahressicht 25 Milliarden Euro
Das Institut für Weltwirtschaft in Kiel (IfW) teilte jüngst mit, dass die Lieferengpässe die deutsche Volkswirtschaft auf Jahressicht rund 25 Milliarden Euro kosten würden. Und auch von den Kieler Ökonomen heißt es: Die Industrieproduktion liege gegenwärtig deutlich unter dem Niveau, das die Auftragslage hergibt. Grund: fehlende Zulieferungen.
Der IfW-Analyse zufolge legten Schätzungen nahe, „dass die deutsche Industrieproduktion mindestens 5 Prozent höher sein könnte, als sie es derzeit ist, wenn ausreichend Produktionsmaterialien und Zwischenprodukte zur Verfügung stünden.“ Das Problem bleibe „noch bis weit ins dritte Quartal hinein“ eine Belastung. Erst danach dürfte sich „eine deutliche Besserung einstellen“. Immerhin: Ein großer Teil der derzeit verhinderten Produktion könne laut IfW nachgeholt werden, was dann die Konjunktur in 2022 unterstütze.
IHK-Experte Matthias Köppel: "Die Lage ist nach wie vor sehr ernst"
Auch Matthias Köppel, Leiter des Geschäftsbereiches Standortpolitik bei der IHK Schwaben, sagt: „Im Moment ist die Lage nach wie vor sehr ernst.“ Und auch er rechnet damit, dass die Preise über den Sommer weiter steigen können. Köppel hält – als Reaktion auf die derzeitige Misere – allerdings nichts von der Rückverlagerung von Produktionsstätten. „Dass man den Gedanken hat, Industrien könnten nur noch auf regionale Lieferketten setzen, ist eine Illusion. Regionalität funktioniert bei Lebensmitteln. Nicht aber bei Investitionsgütern.“