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Krise: Kommt eine Kaufprämie? Die Autoindustrie steht vor entscheidenden Wochen

Krise

Kommt eine Kaufprämie? Die Autoindustrie steht vor entscheidenden Wochen

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    Wird die Autoindustrie mit einer Kaufprämie unterstützt?
    Wird die Autoindustrie mit einer Kaufprämie unterstützt? Foto: Sebastian Gollnow, dpa (Symbolbild)

    Für die unter der Corona-Krise leidende Autoindustrie beginnen entscheidende Wochen. Vor dem großen Autogipfel am Dienstag in Berlin werden sich am Montag die Ministerpräsidenten der „Autoländer“ – Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen – zu einer eigentlich schon für vergangene Woche vorgesehenen Videokonferenz zusammenschalten. Die Fragen, um die es dabei geht, sind bekannt: Soll der Staat den Herstellern mit Prämien für Autokäufe wieder helfen? Und, falls ja: Wie sollen diese Kaufanreize ausgestaltet werden?

    Mögliche Antworten darauf werden indes immer heftiger diskutiert: Während die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, in der Welt am Sonntag erneut für eine „breite Förderung“, also nicht nur von Elektro- und Hybrid-Autos warb und schnelle Unterstützung forderte, machten Umweltschützer sehr deutlich, was sie von einer etwaigen Neuauflage der Abwrackprämie halten: und zwar gar nichts.

    Wirtschaftsminister Aiwanger fordert 4000 Euro Prämie

    Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte jüngst eine „Innovationsprämie“ ins Spiel gebracht, um den Absatz alternativ angetriebener Autos zu fördern. Der Ministerpräsidenten-Videoschalte vom Montag wollte ein Sprecher der bayerischen Staatskanzlei „nichts vorwegnehmen“. Dafür wurde der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) umso konkreter. Auf die Frage hin, ob Bayern eine Kaufprämie begrüßen würde, sagte Aiwanger unserer Redaktion: „Natürlich ist es für Wirtschaft und Umwelt im Autoland Bayern wichtig, dass wir alte Autos durch neue, sparsamere und schadstoffärmere ersetzen. Jeder, der ein Auto ab Schadstoffklasse 6 kauft, sollte eine Prämie bekommen, beginnend bei 4000 Euro für den fabrikneuen Wagen, heruntergestaffelt auch für Jahreswagen und Autos bis circa drei Jahre mit 2000 Euro, wenn sie eben schon Schadstoffklasse 6 haben.“

    Aiwanger macht sich dafür stark, nicht nur fabrikneue Autos zu fördern, „sonst bleiben die Autowerkstätten und Händler auf den sehr guten Jahreswagen sitzen“. Genau diese neuwertigen Autos seien aber wichtig, um die alten zunehmend zu ersetzen. Aiwanger drückt auch aufs Tempo. Es sei wichtig, dass diese Prämien „baldmöglichst“ kämen, „um Handel und Produktion in unserer Leitindustrie Automobil wieder in Schwung zu bekommen. Gerade in Zeiten von Corona zeigt sich auch, dass der Individualverkehr mit dem Auto systemrelevant und im Sinne der Seuchenprävention ist, weil damit der überfüllte ÖPNV entlastet werden kann und Infektionsrisiken reduziert werden.“

    Auch Aiwanger ist für die Förderung neuer Antriebe. Er sagte: „Jeder schadstoffarme Antrieb muss technologieoffen unterstützt werden, nicht nur wie derzeit Elektroautos. Die Wasserstofftechnologie ist in meinen Augen die Riesenchance, einen neuen Wirtschaftszweig zu begründen, bei dem wir deutsche Technik weltweit exportieren und zugleich die fossilen Energieträger ersetzen können. Das bezieht sich sehr stark auch auf den Antrieb von Autos, Lastwagen, Zügen und hat viele weitere Anwendungen.“

    Was kommt, wird sich zeigen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte zuletzt deutlich gemacht, dass am Dienstag noch mit keiner Entscheidung zu rechnen sei.

    DIW-Expertin Claudia Kemfert: ökologischer und ökonomischer Unsinn

    Kaufanzreize bleiben höchst umstritten. Claudia Kemfert, Expertin für Energieforschung und Klimaschutz beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), sagte unserer Redaktion: Eine Umweltprämie 2.0 oder eine Innovationsprämie sei „ökologischer und ökonomischer Unsinn und sozial ungerecht“. Ökologisch unsinnig, da es, um die Pariser Klimaziele erfüllen zu können, weniger Fahrzeuge mit fossilem Verbrennungsmotor auf den Straßen bedürfe. „Heute gekaufte Autos produzieren über 15 Jahre klimagefährliche Emissionen, Stickoxid und Feinstaub. Wir schlagen uns heute mit den Folgen der letzten Abwrackprämie herum mit zu hohen Treibhausgas-, Feinstaub- und Stickoxidemissionen aus dem Straßenverkehr.“

    Ökonomisch seien Prämien unsinnig, da „die deutsche Autobranche weniger stark als andere Branchen vom Shutdown beeinträchtigt wurde“. Durch Kurzarbeitergeld und direkte Wirtschaftshilfen sei ihr schon „erheblich geholfen“. Eine Kaufprämie werde „das Absatzproblem der Autobauer jedoch nicht lösen“. Denn der größte Teil der von deutschen Autobauern produzierten Fahrzeuge werde im Ausland verkauft, nur ein kleiner Teil hierzulande. Somit helfe sie in erster Linie ausländischen Autobauern.

    Bilanz der Abwrackprämie „verheerend“

    Die Bilanz der Abwrackprämie aus dem Jahr 2009 ist laut Kemfert „verheerend“. Warum? „Sie war mit fünf Milliarden Euro enorm teuer. Sie führte zu Vorzieh- und Mitnahmeeffekten und nicht zu der konjunkturell gewünschten Wirkung, da die deutschen Autobauer die Fahrzeuge zu großen Teilen im Ausland verkaufen. Die Preisstrukturen wurden dauerhaft beschädigt.“ Und darüber hinaus habe sie sich auch als „sozial ungerecht“ erwiesen: „Zwei Millionen Autokäufer bekamen 2500 Euro geschenkt, finanziert von 27 Millionen Steuerzahlern. Ein Drittel der Bevölkerung in Deutschland kann sich gar kein Auto leisten. Die Abwrackprämie war und ist das Sinnbild der sozialen Ungerechtigkeit.“ Eine Kaufprämie in Deutschland sei also eher ein „populistisches Strohfeuer, konjunkturell unwirksam und nichts als rausgeschmissenes Geld“.

    Um die Autobranche und deren Beschäftigte langfristig und dauerhaft zu stärken, seien „Investitionsallianzen zwischen Staat und Unternehmen“ viel geeigneter: „Digitale Mobilitätsdienstleistungen, Batterieforschung und -produktion, klimaschonende Antriebe und individualisierter öffentlicher Nahverkehr – das sind die Arbeitsfelder, auf denen wir qualifizierte Fachkräfte benötigen.“ Statt einer Abwrackprämie bräuchte es eine „Mobilitätsprämie, etwa für den Kauf einer Bahncard, eines Fahrrads oder einer ÖPNV-Jahreskarte“.

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