Während der Corona-Krise hat sich unser Konsum drastisch verändert. Zumindest kurzzeitig sah es so aus, als könnte die von Umweltschützern schon lange geforderte Wende zum Weniger wirklich gelingen. Was vorher oft als absurdes Wunschdenken abgetan wurde, war plötzlich Wirklichkeit. Verhaltensänderungen wurden quasi über Nacht möglich: Die Menschen verzichteten auf Restaurant- und Konzertbesuche, ebenso auf den klassischen Einkaufsbummel. Das Interesse an regionalen Produkten stieg. Der Personenverkehr ging deutlich zurück.
Nun kehrt die Normalität Schritt für Schritt zurück. Und die Politik lässt die Chance, jetzt den Grundstein für ein verändertes Wirtschaften zu legen, ungenutzt verstreichen.
Funktioniert unsere Gesellschaft wirklich nur, wenn die Menschen immer weiter konsumieren?
Bislang galt stets, dass die Menschen immer weiter konsumieren müssen, damit unsere Gesellschaft funktioniert. Schon der schottische Ökonom Adam Smith, der als Begründer der Nationalökonomie gilt, sah im Konsum „den einzigen Grund allen Wirtschaftens“. Würden wir nur das kaufen, was wir wirklich brauchen, würde unser Wirtschaftssystem zusammenbrechen. Erste Auswirkungen davon haben wir in den vergangenen Monaten zu spüren bekommen: Das Bruttoinlandsprodukt sank auch deswegen um historische 10,1 Prozent. Der Konsumklimaindex stürzte auf ein historisches Tief. Der Deutsche Aktienmarkt brach so schnell ein wie nie zuvor.
Unser Wirtschaftssystem beruht auf der Idee, dass es nur durch ständiges Wachstum weiter bestehen kann. Doch exponentielles Wachstum kann nicht ewig weitergehen, das ist rein rechnerisch nicht möglich. Keine Ressource ist in endlosem Maß vorhanden, kein Baum wächst ins Unendliche. Wieso soll ein System, das auf Ausbeutung natürlicher Ressourcen beruht, das können?
Dennoch produzieren wir immer mehr, verbrauchen immer mehr Rohstoffe. Von unserem Wachstum profitieren derweil längst nicht alle Länder. Auch nachfolgende Generationen müssen mit den Konsequenzen unseres heutigen Handels leben. Der Versuch, die Umwelt langfristig weiter dem Markt zu unterwerfen, wird scheitern. Wir brauchen deshalb jetzt den Mut zu großen Veränderungen unserer Lebens- und Wirtschaftsweise, unserer Denkweisen und Ansichten.
Die Politik darf den Schwarzen Peter nicht weiter den Konsumenten zuschieben
Die Verantwortung für einen neuen Konsum liegt nicht nur bei jedem Einzelnen von uns, sondern zu großen Teilen bei der Politik. Unternehmen richten sich nach den Konsumenten. Die Politik muss deshalb endlich konkrete Zielvorgaben gestalten, damit Fleisch nicht mehr in Massentierhaltung produziert, Kleidung nicht mehr unter ausbeuterischen Bedingungen hergestellt, Recycling schon im Produktionsprozess mitgedacht wird. Bislang wurde der Schwarze Peter den Konsumenten zugeschoben, die angeblich billiges Fleisch, billige Kleidung und billige Elektronik unbedingt haben wollen. Gleichzeitig darf gesunder, nachhaltiger Konsum kein Privileg sein, das sich nur ein bestimmter Teil der Gesellschaft leisten kann. Aber es kann auch nicht sein, dass Konsum stets auf Kosten der Umwelt, des Tierwohls oder der Arbeiter in der Produktion geht.
Wir können nicht mit der Natur verhandeln. Deshalb können wir nicht weiter auf Marktlösungen setzen, sondern brauchen staatliche Steuerung. Die Herausforderung liegt darin, jetzt den Übergang zu einem nachhaltigen Wirtschaften einzuleiten. Der Staat muss dabei unterstützen. Mit unserem jetzigen Wirtschaftssystem, das entweder Krise oder Wachstum kennt, können wir die riesige Veränderung, die uns bevorsteht, nicht bewältigen.
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