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Kommentar: Warum die Dax-Rekorde mit Vorsicht zu genießen sind

Kommentar

Warum die Dax-Rekorde mit Vorsicht zu genießen sind

Michael Kerler
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    Der Dax ist der wichtigste Aktienindex in Deutschland.
    Der Dax ist der wichtigste Aktienindex in Deutschland. Foto: Fredrik von Erichsen, dpa (Symbolbild)

    Verwundert reibt man sich die Augen. Da tobt in Europa das Coronavirus, Deutschland verschärft den Lockdown, trotzdem erreichen die Börsen Rekordwerte, der Dax pendelt um die 14.000 Punkte. Dies alles findet statt, während die Unternehmensgewinne unter Druck geraten und man Heulen und Zähneknirschen unter den Händlern erwarten würden. Erklären lässt sich die bizarre Rekordjagd mit der besonderen Logik am Finanzmarkt. Die Höchststände gründen zum großen Teil auf Hoffnung, zum anderen Teil auf billigem Geld.

    Dax-Rekorde: Börsen rechnen mit dem Post-Corona-Boom

    Börse ist Emotion. Hier werden nicht nur Papiere gehandelt, sondern auch Hoffnungen, dann steigen die Kurse. Und Befürchtungen, dann fallen sie. Es ist noch kein Jahr her, da verbuchte der Dax den größten Einbruch seiner Geschichte. Am 12. März 2020 ging es angesichts von Corona mehr als zwölf Prozent nach unten. Inzwischen sind Impfstoffe da, Ökonomen erwarten, dass Corona im Laufe des Jahres immer weniger Thema sein wird.

    Dann können Menschen wieder in die Gasthäuser gehen, ins Kino, in Konzerte. Ein Post-Corona-Boom könnte die Wirtschaft erfassen. Dass der neue US-Präsident Biden zwei Billionen Dollar für die Konjunktur in Aussicht stellt, beflügelt die Märkte weiter. Die hohen Börsenkurse sind eine optimistische Wette auf die Zukunft. Ob es so kommt? Hoffentlich.

    Vielleicht wären die Kurse nicht so hoch, gäbe es nicht noch eine Triebfeder. Seit der Finanzkrise 2008 versorgt die Europäische Zentralbank die Märkte mit günstigem Kapital, am Donnerstag ließ sie den Leitzins bei null Prozent. Anleihekaufprogramme bringen zusätzliches Geld in den Markt. Das hilft der Wirtschaft, der fatale Nebeneffekt ist, dass sich für die Anleger Zinsanlagen kaum mehr rentieren. Wem für größere Summen auf dem Konto Strafzinsen drohen, will sein Geld an anderer Stelle unterbringen. In Immobilien, Aktien, ja in Bitcoins. So sind die Preise für Häuser und Wohnungen drastisch gestiegen, genauso wie die Aktienkurse, obwohl viele Firmen weniger verdienen.

    Im Krisenjahr 2020 ist neues Interesse an Aktien erwacht, Banken werben für Fonds und ETFs, Smartphone-Apps wie Traderepublic machen jungen Leuten die Börse schmackhaft. Wasserstoff-Aktien erleben einen Hype und schießen in astronomische Kurs-Höhen.

    Durch die ultralockere Geldpolitik der Notenbanken wirken die Kurse zu einem gewissen Teil künstlich angefacht, ja aufgeblasen. Dies ist der Luft-Faktor im Börsen-Boom. Die Dax-Rekorde sind zu einem gewissen Teil auch mit Vorsicht zu genießen.

    Privatleger: Rüsten für die steigende Abhängigkeit von der Börse

    Wer nicht zusehen will, wie sein Geld durch Inflation an Wert verliert, kommt in den nächsten Jahren für einen bestimmten Teil des Ersparten an Aktien und Fonds nicht mehr vorbei. Manche Fachleute befürchten ein Nullzins-Jahrzehnt. Trotzdem ist Umsicht gefragt. Denn mit dem zunehmenden Engagement an der Börse steigt die Abhängigkeit der persönlichen Vermögensbildung und Altersvorsorge vom Finanzmarkt. Sparer und Anleger brauchen künftig ein stärkeres Nervenkostüm. In den letzten Jahren gab es einige Krisen zu durchleiden. Vom Platzen der Dotcom-Blase bis zu Corona. Der nächste Absturz kommt sicher, wann, ist kaum zu sagen.

    Der Privatanleger wird sich für Schwankungen rüsten müssen. Er darf sich nicht zu stark abhängig machen, indem er sein ganzes Geld an die Börse bringt. Er darf sein Kapital später auch nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt sofort brauchen. Wer weiß, wo der Dax dann steht. Aktien- und Fondssparpläne bieten sich seit einiger Zeit als Hilfe an. Breit streuen, an vielen verschiedenen Zeitpunkten investieren, langfristig denken, die Risiken kennen, das ist angesichts des Börsen-Hochs wichtiger denn je.

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