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Kommentar: Trotz Strapazen: Die Pandemie hat die Arbeitswelt positiv verändert

Kommentar

Trotz Strapazen: Die Pandemie hat die Arbeitswelt positiv verändert

Stefan Stahl
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    Am hybriden Arbeiten - also im Büro und im Homeoffice - führt kein Weg mehr vorbei.
    Am hybriden Arbeiten - also im Büro und im Homeoffice - führt kein Weg mehr vorbei. Foto: Fabian Strauch, dpa (Symbol)

    Siemens ist fortschrittlicher als die CDU. Kanzlerin Angela Merkel, Wirtschaftsminister Peter Altmaier und auch Parteichef Armin Laschet haben einen Rechtsanspruch auf mindestens 24 Tage Homeoffice pro Jahr abgeblockt und Arbeitsminister Hubertus Heil mit seinem entsprechenden fortschrittlichen Vorstoß im Herbst 2020 ins Leere laufen lassen. Das war ein letztes, großes Aufbäumen der Verfechter einer konservativen, möglichst auf Dauerpräsenz ausgerichteten Kontroll-Arbeitskultur, die der Realität in immer mehr Betrieben zuwiderläuft. Der neue Siemens-Chef Roland Busch hat dagegen so viele positive Erfahrungen mit dem flexiblen Arbeiten gesammelt, dass es rund 140.000 Beschäftigten des Konzerns an zwei bis drei Tagen pro Woche freigestellt sein soll, von zu Hause aus zu arbeiten. Der Manager interessiert sich für Ergebnisse und nicht für Präsenz der Mitarbeiter im Büro. Das ist ein Vertrauensvotum gegenüber Beschäftigten.

    Die CDU kann sich nicht dauerhaft gegen ein Recht auf Homeoffice wehren

    In den Reihen führender CDU-Politiker wurde hingegen altväterliches Misstrauen offenbar und der Vorstoß von Heil damit abgebügelt, dass so eine Regelung zu bürokratisch sein könnte. Doch in der deutschen Corona-Wirklichkeit räumen Firmen seit mehr als einem Jahr notgedrungen Arbeitnehmern ganz unbürokratisch ein, aus ihren Wohnungen und Häusern arbeiten zu dürfen. Nun erhöht die Bundesregierung mit dem Infektionsschutzgesetz auch noch den Druck auf Arbeitnehmer, im Homeoffice zu bleiben und das Arbeitgeber-Angebot anzunehmen.

    Dabei klappt die neue Heimarbeit überwiegend gut, auch wenn es für Familien mit Kindern strapaziös sein kann, zwischen Homeoffice, Homeschooling und Hausarbeit einen für alle akzeptablen Weg zu finden. Flexibles Arbeiten und Betreuen von zwei Kindern auf 80 Quadratmetern ist eine Herausforderung. Viele Väter und Mütter werden froh sein, wenn sie nach dem Dauer-Homeoffice nur noch ein bis zwei Tage die Woche von zu Hause arbeiten müssen. Doch Arbeitsminister Heil wollte die Beschäftigten nicht zur mobilen Arbeit zwingen, sondern ihnen einen Anspruch darauf gewähren. Auf Dauer kann sich die CDU eines solchen Rechts auf Homeoffice nicht erwehren. Spätestens nach der Wahl kommt das Thema wieder auf den Tisch, zumal die Grünen hier den Struktur-Konservativismus von Laschet & Co. nicht teilen.

    Deutschland hat sich durch die Pandemie notgedrungen lockerer gemacht

    So kommen auch am Tag der Arbeit am 1. Mai Beschäftigte wie Arbeitgeber nicht um eine wichtige Corona-Erkenntnis umhin: Als Folge des Schrecklichen entstand Gutes. Deutschland hat sich notgedrungen lockerer gemacht. Es wird endlich digitaler und flexibler gearbeitet. Die Pandemie hat das Land zu einem Modernisierungsschub in Rekordtempo gezwungen. Dabei wurden Schwächen wie die zum Teil analog-anachronistische Arbeitsweise von Verwaltungen offenbar, in denen das Fax- und Zettelkasten-Zeitalter immer noch nicht überwunden ist. Auch hier setzte aber bereits ein Modernisierungsschub ein. Doch wie arbeiten wir nach Corona? Sicher weiter digitaler und flexibler als vor Corona. In vielen Betrieben werden sich Mischformen aus Tätigkeiten im Büro und von zu Hause aus etablieren. An einem solchen hybriden Arbeiten führt kein Weg vorbei.

    Den Rahmen dafür geben Betriebsvereinbarungen in immer mehr Unternehmen. Firmen, die modernes Arbeiten abblocken, werden auf dem Arbeitsmarkt rasch abgestraft: Sie laufen Gefahr, im Kampf um Talente den Kürzeren zu ziehen. Und Nachfragen in Bewerbungsgesprächen, ob Homeoffice möglich ist, werden Standard. Da hilft es wenig, solche Wünsche mit einem möglichen Mehr an Bürokratie wie die CDU abzubügeln.

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