Die Welt der Aktiengesellschaften ist nicht frei von Moden. Manchmal entsteht wie im richtigen Leben ein regelrechter Hype. Wie zuletzt immer mehr Männer sich einen Bart wachsen ließen und Frauen den als „Notfallnummer unter den Frisuren“ (Myself) geltenden Dutt, also Haarknoten, kultivierten, neigen auch Manager zum Herdentrieb. Konnte ein Konzern früher nicht groß genug sein, wurde also etwa Daimler mit Chrysler aufgebläht, sind derartige „Konglomerate“, wie sie nicht nur für Ex-Siemens-Chef Joe Kaeser ein Graus sind, out. Denn, so die hinter der Haltung steckende Ideologie, Konglomerate seien zu schwerfällig. Sparten wären eben zu abhängig von der Muttergesellschaft und bekämen nicht genug Freiraum und Finanzen, um sich zum Gewinnwohl der Aktionäre voll zu entfalten. Was fällt dabei auf?
Die Zerschlagung solcher Riesen, die nun auch Daimler droht, wird amüsanterweise mit einem ähnlichen Argument untermauert, wie die einst grassierende Fusionitis. Herrlich war etwa die Begründung für den Zusammenschluss der beiden Münchner Finanzhäuser Hypo und Vereinsbank. Damals hieß es doch wirklich in einer Broschüre: „1 + 1 = 3.“
Wenn es nicht derart traurig wäre, hätte man über den – ausgerechnet – Bankern unterlaufenen Rechenfehler lachen können. Bekanntlich waren 1 + 1 wie stets im Leben nicht 3, sondern bei der dann geborenen HypoVereinsbank nicht mal 2. Am Ende wurde das Bankhaus von Italienern geschluckt. Auch die Fusion von Daimler und Chrysler addierte sich, anders es der einstige Konzern-Großrechenmeister Jürgen E. Schrempp weismachen wollte, nicht zu einer 3.
Warum man sich bei Daimler an Hypo erinnert - und an Chrysler
Die angeblich im „Himmel geschlossene Ehe“ wurde ein Fall für den Scheidungsrichter. Am Ende stand eine glatte 3- zu Buche, ein Desaster für Daimler. Insofern ist es für Anleger ratsam, drei Schritte skeptisch zurückzutreten, wenn Konglomeratszertrümmerer wie Daimler-Chef Ola Källenius oder Kaeser zum Beil greifen. Denn sie verteidigen ihre Hack-Akionen auffällig in gleicher Weise wie einstige Konglomeratserschaffer.
Auch durch Abspaltungen soll nach ihrer Doktrin ein Mehrwert für die Aktionäre entstehen. Kaeser hat etwa Siemens in drei Aktiengesellschaften filetiert, die bisherige AG sowie eine Energie- und eine Medizintechnikfirma. Dabei gilt derzeit, zumindest, was die Aktienkurse betrifft, wirklich die wundersame Siemens-Rechnung, dass 1+1+1 = 4 ist. Denn an der Börse entwickeln sich alle drei Teile gut, sodass insgesamt ein Mehrwert geschaffen wurde.
Doch wie lange bleibt das so? Was passiert, wenn sich die Siemens-Renditeträume mit Öko-Energie nicht verwirklichen, auch weil Konkurrenten besser sind? Und wie wirkt es sich aus, wenn Zukäufe wie zuletzt in der Medizinsparte einmal floppen? Das will derzeit keiner hören. Der Zerschlagungssog ist zu stark. Investoren, vor allem große Fondsgesellschaften, sind voll auf Scheidungskurs. Sie erwarten sich durch die Trenneritis wie früher durch die Fusionitis mehr Rendite, höhere Kurse, also Reibach.
Daimler-Boss Ola Källenius nimmt an Siemens-Ex-Chef Joe Kaeser Maß
Källenius nimmt an Kaeser Maß, wenn er die Lkw-und Bussparte von Mercedes-Benz abspaltet und an die Börse bringt, was übrigens schon Volkswagen mit seinem Lastwagenbereich unter dem sperrig-sonderbaren Namen Traton getan hat. Am Ende könnte sich einmal die spezielle Konstellation ergeben, dass in einem – wie geplant – von 30 auf 40 Werte vergrößerten Aktienindex Dax drei Mal Siemens und zwei Mal Daimler stecken.
Der Schwede Källenius, der gerade die ihm von seinem Vorgänger Dieter Zetsche aufgetürmten Hinterlassenschaften nüchtern sortiert und radikal aufräumt, steht unter einem Zusatzdruck – und der stammt aus China. Denn fast die Hälfte eines Zackens des Daimler- Sterns ist längst rot. Der chinesische Investor Li Shufu, der auch hinter dem erfolgreichen Autobauer Volvo steckt, hält als größter Daimler-Aktionär 9,7 Prozent an dem Unternehmen.
Rechnet man den fünfprozentigen Anteil der ebenfalls aus dem asiatischen Land stammenden BAIC-Group hinzu, befinden sich fast 15 Prozent des Daimlers, wie der Autobauer in Stuttgart heißt, in chinesischen Händen. Investoren aus dem Land sind, wie das Beispiel des Augsburger Roboter- und Anlagenbauers Kuka zeigt, stark gewinngetrieben. Ihre Augen leuchten, wenn eine Aktiengesellschaft ordentlich Ebit, als Gewinn vor Steuern, hamstert. Dabei ist reichlich Ebit für Källenius auch ein Schutz davor, dass die beiden chinesischen Anteilseigner sich nicht noch üppiger bei Daimler einkaufen und den Kurs stärker bestimmen.
Der Aktienkurs geht, wie bei Daimler jüngst geschehen, verlässlich nach oben, wenn das Management zuvor den heiligen Zerschlagungseid geschworen hat. Das macht es wiederum für die Chinesen teurer, sich einen ganzen Zacken vom Stern zu kaufen und ihn rot zu färben. Doch auch mit rund 15 Prozent können sie derart viel Druck auf die Deutschen ausüben, dass Produktion (Motoren, Smart) immer mehr nach China wandert.
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