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Kommentar: Neue Diesel-Enthüllen: Wie die Auto-Industrie ihre Macht missbraucht

Kommentar

Neue Diesel-Enthüllen: Wie die Auto-Industrie ihre Macht missbraucht

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    Affen und auch Menschen mussten wohl Abgase eines VW-Beetle einatmen, so sollte die Sauberkeit von Dieselautos bewiesen werden.
    Affen und auch Menschen mussten wohl Abgase eines VW-Beetle einatmen, so sollte die Sauberkeit von Dieselautos bewiesen werden. Foto: Soeren Stache, dpa (Archiv)

    Wer das hilflos wirkende Verhalten heimischer Politiker im Diesel-Skandal betrachtet, kann der Selbsterkenntnis Horst Seehofers aus dem Jahr 2010 schwerlich widersprechen: „Diejenigen, die entscheiden, sind nicht gewählt, und diejenigen, die gewählt werden, haben nichts zu entscheiden.“ Es geht um die ausufernde und schon lange nicht mehr akzeptable Macht der Lobbyisten. Der CSU-Mann weiß, von was er spricht, hat er doch als Ex-Bundesgesundheitsminister schmerzhafte Bekanntschaft mit einem der renitentesten Macht-Blöcke gemacht: der Pharmabranche.

    Politiker wechseln fliegend in die Industrie

    Erfolgreicher in der Durchsetzung von Interessen ist wohl nur die Autoindustrie. So beginnt das kluge Buch „Die Lobby-Republik“ von Hans-Martin Tillack mit der Schilderung eines Daimler-Empfangs in Berlin, als der Autokonzern den CDU-Hochkaräter Eckart von Klaeden 2014 als seinen neuen Mann für Politik-Kontakte präsentiert hat. Die Personalie ist sicher ein Skandal, wenn auch ein kleiner, weil der fliegende viel zu wenig auf die Finger schaut, geschweige denn klopft.

    Deshalb ist das Kraftfahrt-Bundesamt ein zahnloser Tiger, der im Diesel-Skandal im Gegensatz zu den strengeren Behörden in Kalifornien nicht durch Aufklärungswillen aufgefallen ist. Dass dies so ist, hängt mit Verkehrsministern und Kanzlern zusammen, die, was die Autobranche betrifft, nach der Devise der drei Affen verfahren: Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen – außer natürlich Gutes.

    Die Politik lässt die Autoindustrie gewähren

    So war das unter Gerhard Schröder – und lange auch unter dessen Nachfolgerin im Kanzleramt. Doch im Zuge des Diesel-Skandals wagt Angela Merkel zumindest hin und wieder ein im Ansatz kritisches Wort. Das lässt sich auch nicht mehr vermeiden, wirken die Konzerne – allen voran Volkswagen – doch wie vom wilden Affen gebissen. Sonst hätten die Wolfsburger mit anderen Automobil-Größen nicht eine Lobby-Gruppe namens „Europäische Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor“ finanziell unterstützt, die selbst vor Tierversuchen an Affen nicht zurückgeschreckt ist. Auf diese Weise sollte der Beweis geführt werden, wie sauber moderne Dieselautos im Vergleich zu alten sind.

    Volkswagen: Die Geschichte der Abgasaffäre

    Volkswagen ist seit dem 18. September 2015 offiziell in einen Abgasskandal verstrickt. Der Skandal wird auch VW-Abgasaffäre oder Dieselgate genannt.

    Was hinter der Affäre steckt? VW hatte illegal eine Abschalteinrichtung in die Motorsteuerung aller Diesel-Fahrzeuge eingebaut. Mit der Software wollte man den Abgasnormen in den USA entgehen.

    Dieselgate wurde von der US-Umweltbehörde Environmental Protection Agency (EPA) mit aufgedeckt.

    Die Software wurde nach Angaben von Volkswagen in etwa elf Millionen Fahrzeugen mit der Motorenreihe VW EA189 weltweit eingebaut, in den USA ist demnach auch die Nachfolgereihe VW EA288 betroffen. Anderen Berichten zufolge wurde die Software allerdings für vier verschiedene Motorentypen angepasst.

    Der Skandal weitete sich auch auf Fahrzeuge von Porsche und Audi aus. Der Vorstandsvorsitzende der Volkwagen AG, Martin Winterkorn, zog die Konsequenzen aus dem Skandal und trat zurück. Sein Nachfolger wurde Matthias Müller, bislang Vorstandsvorsitzender der Porsche AG.

    Auch an Dieselfahrzeugen anderer Hersteller aus Deutschland und von internationalen Herstellern wurde nach Bekanntwerden der Abgasaffäre nachgeforscht. Häufig wurden ebenfalls überhöhte Schadstoffwerte festgestellt. Dieselgate von Volkswagen war Auslöser einer internationalen Krise der gesamten Automobilindustrie.

    Anfang 2016 soll die vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) angeordnete Rückrufaktion gestartet werden. In ganz Deutschland sollen bundesweit im Laufe des Jahres 2,4 Millionen Diesel-Autos in die Werkstatt. Der Start der Rückrufaktion verzögert sich.

    Die Amerikaner verklagen Volkswagen. In den USA sollen mehr als 600.000 Fahrzeuge von der Abgasaffäre betroffen sein.

    Außerdem bestätigt das Landgericht Braunschweig gegenüber dem NDR, dass 278 Aktionäre Volkswagen auf insgesamt 3,255 Milliarden Euro verklagent. Die Anleger fordern Schadenersatz als Ausgleich für die Kursverluste durch den Diesel-Skandal.

    Für Volkswagen wird allein die Aufarbeitung des Skandals in den USA immens teuer. Die Entschädigungen und Strafzahlungen sollen sich auf 14,7 Milliarden Dollar (13,3 Milliarden Euro) voraussichtlich belaufen. (AZ)

    Bayern hat als erstes Bundesland eine Klage gegen VW angekündigt. Voraussichtlich im September werde der bayerische Pensionsfonds Klage auf Schadensersatz wegen Pflichtverletzungen von Volkswagen einreichen, sagte eine Sprecherin des bayerischen Finanzministeriums. Die Vorbereitung der Klage laufe bereits. Bayern will sich mit der Klage einen sogenannten Kursdifferenzschaden zurück holen.

    Dazu mussten die Tiere wohl Abgase eines VW-Beetle einatmen. Kaum zu glauben: Zur Beruhigung sollen die Affen Zeichentrickfilme vorgeführt bekommen haben. Lobbyisten wie die bizarre und zum Glück aufgelöste pseudowissenschaftliche Truppe der heimischen Autoindustrie überschreiten moralische Grenzen, wenn die hinter ihnen stehenden Konzerne dies nicht unterbinden. Besser hätten Volkswagen & Co Untersuchungen gesponsert, wie sich die Stickoxidbelastung in Städten wie Stuttgart und München dauerhaft auf die Atemwegsorgane sowie das Herz-Kreislaufsystem von Anwohnern besonders belasteter Straßen auswirkt.

    US-Studien: Tausende Tote durch Stickoxide

    Dann wären die Autobauer jedoch zur Erkenntnis gelangt, dass ein permanenter Stickoxid-Konsum bis zum Tod führen kann.  Nach Erkenntnissen von renommierten US-Forschern (Environmental Health Analytics in Washington) sollen jährlich allein in der EU etwa 11.400 Menschen sterben, weil die Stickoxid-Grenzwerte überschritten werden. Um das letztlich zu verschleiern, haben frühere VW-Manager Abgaswerte von Dieselautos manipuliert und Lobby-Gruppen finanziert.

    Die europäische Forschungsvereinigung hat sogar eine Studie gefördert, bei der 25 gesunde Nichtraucher Stickoxide einatmen mussten. Das Ergebnis wirkt wie von der Autoindustrie bestellt, auch wenn die Konzerne nichts mit der Untersuchung zu tun haben wollen: Demnach gab es bei den Test-Personen keine nennenswerten Auswirkungen auf die Lungenfunktion. Das ist kein Wunder, handelt es sich doch lediglich um Kurzzeittests.

    Wie wäre es, wenn die Autoindustrie es mal mit der Wahrheit versucht: So müssten Manager einräumen, noch mehr große und PS-starke Wagen verkaufen zu wollen, weil sie höhere Renditen bringen. Kunden kaufen solche SUV gerne als vergleichbar sparsame Dieselfahrzeuge. Dadurch wird die Stickoxidbelastung dennoch weiter hoch bleiben. Marge geht also vor Gesundheit – und viele Menschen (also Autokäufer) machen mit.

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