In der Arbeitswelt ist nichts mehr, wie es war. Alles wirbelt durcheinander. Den Eindruck könnte man bekommen, wenn man sich anschaut, was gerade passiert. Viele Unternehmen versuchen, ihre Arbeitszeiten zu flexibilisieren. Sich den Wünschen ihrer Mitarbeiter anzupassen. Sie richten Ruheräume ein, stellen Tischkicker auf und schaffen den festen Schreibtisch ab. Jeder soll arbeiten wann und wo es ihm am besten passt. Manchmal fallen Sätze wie: „Kostenloses Obst ist ja schon Standard.“ Aber vielleicht ist in dieser neuen Arbeitswelt auch nicht alles ganz verrückt, sondern so wie es eigentlich sein sollte.
Denn all diese Maßnahmen versuchen im Grunde nur eines – eine angenehmere Atmosphäre für die zu schaffen, die ein Unternehmen erst erfolgreich machen: die Mitarbeiter. Die Idee dahinter ist ganz leicht zu verstehen. Um die besten Fachkräfte anzulocken und zu halten, müssen Betriebe ihnen etwas bieten. Und ein höheres Gehalt reicht oft nicht mehr aus.
Die Deutschen haben 2,1 Milliarden Überstunden angesammelt
Nur: Etwas überdreht ist das Ganze schon. Es scheint, als würde dabei vergessen, was ein Arbeitsplatz in erster Linie ist: ein Platz zum Arbeiten. Keine Kneipe, in der man ein Feierabendbier trinken möchte. Und auch kein Wohnzimmer, in dem man sich zum Beisammensein mit der Familie trifft. Die meisten Deutschen verbringen sowieso schon viel zu viel Zeit am Arbeitsplatz. 2,1 Milliarden Überstunden haben sie vergangenes Jahr angesammelt. So viele wie noch nie.
Klar, es ist schön, wenn das Büro nicht ein liebloses Sammelsurium von Schreibtischen, Drehstühlen und Computerbildschirmen ist. Wenn es nicht mehr aussieht wie in den 80er Jahren. Und natürlich ist es toll, wenn Mitarbeiter ihre Pause in einem gemütlichen Sozialraum verbringen können. Wer sich wohlfühlt, kommt auch gerne in die Firma. Aber mal ehrlich: Braucht es dafür einen Kicker oder einen Raum zum Power-Napping? Nein.
Wer glückliche Mitarbeiter will, der muss etwas ganz anderes verändern als die Räumlichkeiten – die Unternehmenskultur. Er muss die Beschäftigten ernst nehmen. Und das ist viel aufwendiger, als einmal die Woche auf Firmenkosten Obst zu verteilen. Denn jeder Mitarbeiter ist anders. Jeder steckt gerade in einer anderen Lebensphase, hat deshalb andere Ansprüche. Jeder hat andere Stärken und Schwächen. Für Firmenchefs heißt das: Führen geht eben nicht einfach nebenher. Es ist anstrengend.
Chefs müssen sich öffnen, sich mit ihren Angestellten auseinandersetzen. Sie müssen eine Debattenkultur im Unternehmen anstoßen, lernen richtig zu loben und angemessen Kritik zu verteilen. Ein „Ich will das aber und deshalb machen wir das jetzt“-Stil kommt nicht mehr an. Mitarbeiter wollen ernst genommen werden. Egal ob es um ihre Argumente geht oder um ihre Anliegen – etwa mehr Freiraum für die Familie. Zeit also, sich von der „Nicht geschimpft ist schon genug gelobt“-Mentalität zu verabschieden.
Liebe kann man sich nicht kaufen. Man muss sie verdienen
Wenn ein Chef sich darauf einlässt, profitieren am Ende beide Seiten: das Unternehmen, weil es motivierte Mitarbeiter hat. Die Mitarbeiter, weil sie wertgeschätzt werden und das auch zurückgeben. Denn darauf lassen sich doch alle Konzepte, die momentan durch die Arbeitswelt schwirren, reduzieren: Wertschätzung.
Ändert sich nichts an der Unternehmenskultur, ist es für Unternehmen reine Geldverschwendung, einen Tischkicker aufzustellen und Ruheräume einzurichten. Zufriedener werden die Mitarbeiter davon nicht. Das ist wie bei Kindern: Liebe – oder in diesem Fall Loyalität und Zufriedenheit – kann man sich nicht mit Geschenken kaufen. Die muss man sich verdienen.
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