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Kommentar: Für die Autoindustrie beginnt ein dramatischer Umbruch

Kommentar

Für die Autoindustrie beginnt ein dramatischer Umbruch

Michael Kerler
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    Arbeiter im Mercedes-Benz Werk Bremen: Die deutsche Wirtschaft stellt sich auf unruhigere Zeiten ein.
    Arbeiter im Mercedes-Benz Werk Bremen: Die deutsche Wirtschaft stellt sich auf unruhigere Zeiten ein. Foto: Carmen Jaspersen

    Es geht Schlag auf Schlag. Der Autozulieferer Continental will ganze Werke schließen, darunter im bayerischen Roding, wo Benzin- und Dieselpumpen hergestellt werden. Bosch baut am Standort Bamberg massiv Stellen ab. Und Autobauer wie BMW und Audi wollen nach den goldenen Jahren vor allem eines: sparen. Die Autoindustrie steckt im Umbruch.

    Der Klimaschutz und die Diesel-Affäre sind nicht länger politische und juristische Themen, sondern schlagen hart in der Realität durch. Das Forschungsinstitut von Autofachmann Ferdinand Dudenhöffer hat kürzlich errechnet, dass 125.000 der 834.000 Arbeitsplätze in der deutschen Autoindustrie bis zum Jahr 2030 verloren gehen könnten.

    Und das dürfte die Dimension des Umbruchs sogar noch verschleiern, da für Batteriefahrzeuge und die Entwicklung des autonomen Fahrens andere Qualifikationen nötig sind als für den Bau eines Dieselautos. Dass sich die USA mit China und Europa bittere Handelsgefechte liefern, verschärft die Lage noch.

    Geht Deutschland mit der Diesel-Kritik zu weit?

    Mit Recht muss man die Frage stellen, ob es Deutschland mit dem E-Auto nicht übertreibt und mit der Diesel-Kritik zu weit gegangen ist. Mit viel Technik (und dem Verzicht auf betrügerische Abgas-Software) lassen sich heute recht saubere Diesel-Fahrzeuge bauen, die kaum Stickoxide ausstoßen. Doch bei genauem Hinsehen verfängt die Parole der AfD – „Ja zum Diesel!“ – nicht: Der Trend zu neuen Antrieben ist kein deutscher Alleingang einer Öko-Elite, sondern weltweit spürbar: Der US-Autobauer Tesla ist mutig voranmarschiert, Toyota setzt in Japan auf Brennstoffzellentechnik.

    Dieser Modernisierungsschub lässt sich nicht mehr umkehren. Es wäre fatal, wenn die deutschen Hersteller allein am Verbrennungsmotor festhalten würden. Die Absatzmärkte für Daimler, BMW & Co. liegen nicht nur in Deutschland, sondern auch in Kalifornien und China.

    Die Zeichen hat auch Deutschlands mächtige Gewerkschaft IG Metall erkannt. Der Umbruch in der Autobranche, Klimaschutz und Digitalisierung sind die Hauptthemen von IG-Metall-Chef Jörg Hofmann. Beachtenswert ist, dass die

    Die IG Metall will nun schwierige Zeiten nutzen, um die Beschäftigten auch weiterzubilden. In den vergangenen Tarifverhandlungen hat Hofmann zudem viel erreicht, was den Bedürfnissen vieler Arbeitnehmer entgegenkam, die Kinder erziehen oder die Eltern pflegen. Die IG Metall hat 85000 neue Mitglieder gewonnen und müsste vor Kraft strotzen. Trotzdem ist Hofmann diese Woche nur mit mäßigem Ergebnis wiedergewählt worden. Der kluge IG-Metall-Boss hat ein Kommunikationsproblem.

    Autoindustrie muss Menschen von den neuen Antrieben überzeugen

    In Krisenzeiten, wenn Firmen Jobs streichen, erwarten Arbeitnehmer, dass ihre Gewerkschaft fest hinter ihnen steht. Vielen klassischen Metallarbeitnehmern mag es aber so erscheinen, dass sich Hofmann zu sehr um Klima, E-Autos und die Digitalisierung kümmert statt um ihre unmittelbaren Interessen. Den Stahlarbeiter bei Thyssen-Krupp oder den Angestellten einer Diesel-Zulieferfirma erreicht Hofmann bisher schwer. Der Umbruch in der Autoindustrie stellt die IG Metall vor eine Zerreißprobe. Der Riss zieht sich auch durch die Gesellschaft. Hier die Diesel-Hasser, dort die Diesel-Freunde.

    Der Graben lässt sich nur schließen, wenn es Industrie und Verbänden gelingt, die Menschen von den neuen Antrieben zu überzeugen. Auf den Straßen die Fahrer, in den Fabriken die Arbeitnehmer.

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