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Kommentar: Elektroautos: Der Weg zur umweltgerechten Mobilität ist noch weit

Kommentar

Elektroautos: Der Weg zur umweltgerechten Mobilität ist noch weit

Stefan Stahl
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    Bald an jedem Neubau Pflicht? Ein Elektroauto steht an einer Ladesäule mit Ökostrom.
    Bald an jedem Neubau Pflicht? Ein Elektroauto steht an einer Ladesäule mit Ökostrom. Foto: Jan Woitas, dpa (Archivbild)

    Wer hätte das vor fünf Jahren gedacht: Ausgerechnet die Autoindustrie fordert von der Bundesregierung eine ökologische Energiepolitik ein. Unternehmen wie Volkswagen, Audi und Daimler, die vor nicht allzu langer Zeit die Menschheit mit der Mär vom sauberen Öko-Diesel vorsätzlich angelogen haben, tauschen die Rolle des Umwelt-Getriebenen mit der des Umwelt-Treibers.

    Das Management von VW und Co. und selbst die lange erzreaktionäre Auto-Lobby VDA appellieren derzeit auf der Messe IAA Mobility in München an die Politik, endlich dafür zu sorgen, dass mehr Strom aus regenerativer Energie zur Verfügung steht. VDA und Volkswagen argumentieren dabei wie die Grünen, eine Partei, über die sich die einstige PS-Front über Jahrzehnte echauffierte, ja sie bekämpft hat. Der Grund für die Ökologisierung der Automobilwirtschaft ist simpel und renditegetrieben: Die Konzerne können nur mehr Menschen vom Kauf eines Elektroautos überzeugen, wenn neben dem Ausbau der Lade-Infrastruktur vor allem eines passiert: Wer so ein Fahrzeug bestellt, will das in der Gewissheit tun, dass er es vor allem mit grünen Strom auflädt und nicht wie heute noch gut zur Hälfte mit Energie aus der bösen Welt der Kohle- und Atomkraft sowie der Gaserzeugung.

    Stromer sind gut fürs Gewissen - für mehr ist auch Ökostrom nötig

    Bürgerinnen und Bürger informieren sich immer intensiver über Elektroautos. Sie wissen: Stromer sind zwar gut fürs Gewissen. Wer sie fährt, bekommt aber bei weitem keine ökologische Absolution erteilt, auch wenn Werbeversprechen der Autohersteller etwas anderes verheißen. Zumindest zum Dreiviertel-Ökoauto wird das Elektrofahrzeug erst, wenn es fast ausschließlich mit umweltfreundlicher Energie befüllt wird. Der Weg dorthin ist noch weit, wobei seine Beschleunigung eine Kernaufgabe der neuen Bundesregierung sein muss.

    Doch selbst wenn heute jemand sein E-Auto mit selbst erzeugtem Solarstrom auflädt, darf er sich nicht im siebten Öko-Himmel wähnen. Denn grünes Autofahren bleibt eine Utopie, solange bei der Erzeugung der Autos – wie das heute noch vielfach der Fall ist – reichlich Energie aus fossilen Quellen eingesetzt wird. Je schwerer ein solcher Wagen ist – und große SUVs sind stark übergewichtig –, desto mehr dreckiger Strom könnte in die Fahrzeug-Fertigung eingeflossen sein.

    Die Branche ist noch weit vom wirklich grünen Auto entfernt

    Selbst wenn die Pläne der Autohersteller aufgehen und sie Zulieferer auf ihre CO2-Reduktionsziele einschwören, ja beinahe alle Teile eines Wagens mit Ökostrom produziert werden, ist die Branche weit von wirklich grünen Autos entfernt. Dazu müssten die Teile der Fahrzeuge im Sinne einer etwa von BMW angestrebten radikalen Kreislaufwirtschaft weitgehend wiederverwertet werden. Das ist heute noch schwer, wenn selbst eine simple Fußmatte aus mehreren Materialien besteht, die sich nur schwer voneinander trennen lassen und damit das Recycling behindern.

    Auch wenn das zentrale Problem gelöst ist, bleiben weitere das Gewissen belastende Fragen übrig, wie etwa: Stammt das Lithium in der Batterie aus Chile? Trägt es dazu bei, dass durch den Abbau indirekt die Trockenheit in dem Land gefördert wird? In die moralische Zwickmühle können Besitzerinnen und Besitzer eines E-Autos auch kommen, wenn sie recherchieren, dass in der Batterie Kobalt steckt, das von Kindern in der Demokratischen Republik Kongo abgebaut wurde. Damit ist klar: 100-prozentige ökosoziale Flitzer wird es wohl nie geben. Dennoch führt an der E-Mobilität nichts vorbei: Sie ist ein Hebel unter vielen, um die Klimakatastrophe aufzuhalten. Wer sich ein Elektroauto kauft, muss mit reichlich Widersprüchen leben, tut aber etwas Gutes, was noch viel besser werden muss.

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