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Kommentar: Deutschland hinkt beim Trend um den E-Roller hinterher

Kommentar

Deutschland hinkt beim Trend um den E-Roller hinterher

Lea Thies
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    Über die Zulassung von E-Scootern, auch E-Tretroller oder Elektro-Tretroller genannt, stimmt der Bundesrat am Freitag ab.
    Über die Zulassung von E-Scootern, auch E-Tretroller oder Elektro-Tretroller genannt, stimmt der Bundesrat am Freitag ab. Foto: Christoph Soeder

    Keep it simple, stupid – das ist der Leitsatz des weltweit bekannten KISS-Prinzips: Halte die Dinge so einfach wie möglich. Unter Ingenieuren, Designern, Managern und Problemlösern ist dieses Erfolgsrezept weitverbreitet. Selbst Apple-Gründer Steve Jobs, einer der erfolgreichsten Innovatoren der Geschichte, predigte stets, einfach zu denken, was zwar nicht einfach sei, aber dabei helfe, Berge zu versetzen.

    Im Bundesverkehrsministerium allerdings scheint „Keep it simple“ noch nicht überall angekommen zu sein. Zumindest kann dieser Eindruck entstehen, wenn man die Entstehungsgeschichte der Elektrokleinstfahrzeugeverordnung mitverfolgt hat, über die der Bundesrat heute endlich abstimmt. Obwohl sie für die Zukunft des Verkehrs immens wichtig ist, war sie weniger von KISS geprägt, sondern vielmehr von einer Art KICC: Keep it complex, complicated. Was in vielen anderen europäischen Ländern schnell und recht unbürokratisch ablief, gestaltete sich hierzulande als kompliziert und langwierig. Deutschland hatte die Chance, Vorreiter in Elektrokleinstmobilität zu sein – stattdessen hat es aufgrund der Bürokratie nun die Rolle des Nachzüglers inne.

    Eigentlich hatte Deutschland die Chance erkannt

    Das ist besonders schade, weil die Bundesregierung schon in der letzten Legislaturperiode den Trend und das Zukunftspotenzial der emissionsarmen und platzsparenden Vehikel erkannt hatte. 2014 gab sie bei der Bundesanstalt für Straßenwesen eine entsprechende Verkehrsstudie in Auftrag – danach ging es aber im Schneckentempo weiter. Als die Ergebnisse dann erst Ende 2018 veröffentlicht und diskutiert wurden, waren sie zum Teil schon wieder veraltet. Anstatt sich mit anderen Ländern konstruktiv auszutauschen, arbeitete Deutschland an einem Sonderweg.

    Die Folge: Als bei uns noch über Lichtbestimmungen, Höchstgeschwindigkeiten, Bremsanlagen und Versicherungsmodalitäten der Mini-Kraftfahrzeuge gesprochen wurde, waren in Frankreich, Österreich und der Schweiz Menschen schon längst auf Elektrotretrollern unterwegs. In vielen Ländern wurden diese Vehikel einfach wie Fahrräder oder Mofas eingestuft und entsprechend versichert.

    Ein klarer Fall von Überregulierung

    Selbstverständlich ist es die Aufgabe eines Gesetzgebers, zum Schutz der Bürger Neuerungen zu prüfen und zu regulieren – aber er kann es, wie in diesem Fall, auch überregulieren. Beispielsweise schlug Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer in einem Verordnungsentwurf vor, Elektrotretroller bis 12 km/h auf Gehwegen fahren zu lassen – und kassierte dafür von allen Seiten Kritik. Dabei hätte er bloß den einzigen Nachzüglervorteil nutzen und mal nach Frankreich schauen müssen, um zu sehen, welch Chaos die Vehikel auf den Gehwegen ausgelöst haben und deshalb nun von den Trottoirs verbannt wurden.

    Für Verwirrung und Verzögerung sorgt auch der Anforderungskatalog vom Team Scheuer, den die meisten Elektrotretroller gar nicht erfüllen – und möglicherweise nie erfüllen werden. Zum Beispiel bei der Beleuchtung, dem Tempo oder den Bremsen. Ein Insider sagt gegenüber unserer Redaktion: „In Asien brummen die Fabriken, weltweit gibt es einen Run auf Elektrotretroller – und nun kommt Deutschland mit seinen Extrawünschen. Für den winzigen Markt lohnt sich das Umrüsten für die Hersteller doch gar nicht.“

    Die E-Roller-Kunden haben ein Problem

    Besonders problematisch: Weil es aus Berlin immer hieß, „die Zulassung kommt bald“, kauften sich tausende Kunden bereits E-Tretroller. Selbst wenn der Bundesrat der Verordnung heute zustimmt, dürfen die meisten ohne Umrüstung nicht im öffentlichen Raum bewegt werden. Wer’s dennoch tut, begeht eine Straftat, ganz simpel.

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