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Kommentar: Deutschland darf in der Corona-Krise nicht nur den Großen helfen

Kommentar

Deutschland darf in der Corona-Krise nicht nur den Großen helfen

Stefan Stahl
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    Auch die Gastronomie braucht jetzt Unterstützung.
    Auch die Gastronomie braucht jetzt Unterstützung. Foto: Sebastian Kahnert, dpa (Symnbol)

    Wenn der Krise etwas Gutes eigen ist, dann die Erkenntnis, dass nicht nur Branchen wie das Finanzgewerbe systemrelevant sind. Den Eindruck konnte man noch während des letzten großen ökonomischen Bebens in den Jahren 2008 und 2009 gewinnen, als Geldhäuser kollabierten. Nun wissen wir: Mindestens so systemrelevant für das Wohlergehen eines Gemeinwesens ist die Gesundheitswirtschaft, also Arztpraxen, Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, Pharma-Unternehmen, Maskenhersteller und Produzenten von Beatmungsgeräten. Daher klatschen wir Ärzten, Pflegern und Krankenschwestern zu. Endlich erhalten sie nun zumindest die ihnen gebührende ideelle Wertschätzung. Mehr Lohn muss bald folgen.

    Autoindustrie kann sich nicht über mangelnde Empathie beklagen

    Dabei gibt es mit der Autoindustrie einen Wirtschaftszweig, der sich über mangelnde Empathie gerade seitens der Politik, wie auch immer Bundesregierungen in den vergangenen Jahrzehnten zusammengesetzt waren, nicht beklagen kann. Die Branche hält sich selbst für mega-systemrelevant, arbeiten für sie doch mehr als 800.000 Menschen. Wenn die Autoindustrie hustet, kann Deutschland eine Lungenentzündung bekommen.

    Deshalb verdient der Schlüssel-Wirtschaftszweig wie schon während der Finanzmarktkrise die Unterstützung der Bundesregierung. Doch es darf nicht bei einer Kopie der einstigen Umwelt- oder Abwrackprämie für den Kauf eines Neuwagens bleiben. Dieses Mal muss die Gewährung eines solchen Bonus noch viel stärker an ökologische Auflagen gekoppelt werden. Käufer sollten nur dann einen staatlichen Zuschuss – also ein Geschenk der Steuerzahler-Gemeinschaft – erhalten, wenn sie sich für ein Fahrzeug entscheiden, das besonders wenig CO2 und Stickoxide ausstößt, ja dessen Reifenabnutzung so wenig wie möglich Feinstaub erzeugt.

    Somit spricht vieles dafür, vor allem kompakte Elektro- und Hybridautos noch einmal zusätzlich zu fördern. Die Autoindustrie braucht Hilfe, denn die Hersteller können nur dann ihre Fabriken wieder rentabel hochfahren, wenn die Bürger trotz Corona-Unsicherheit bereit sind, viel Geld in ein neues Auto zu investieren. Dass nun der Wehklage- und Forderungschor der mächtigsten deutschen Lobbygruppe nach Subventionen Gehör findet, darf indes als gesichert betrachtet werden.

    Bundesregierung darf die 2,4 Millionen Beschäftigten in der Gastronomie nicht vergessen

    Die Bundesregierung sollte jedoch einen anderen Wirtschaftszweig nicht vergessen, dessen gute Dienste derzeit so viele Menschen sehnsüchtig vermissen. In Zeiten sozialen Abstands wird immer mehr Bürgern klar, wie relevant Kneipen, Restaurants, Cafés, Biergärten, Pensionen und Hotels sind. Gaststätten bilden Wärme- und existenzielle Kontaktpole unseres Lebens. Wenn dann die Wirte und Hoteliers auch endlich wieder mit wahrscheinlich hohen Auflagen öffnen dürfen, sollten wir auch ihnen zuklatschen, etwa dafür, dass sie solange durchgehalten haben und wieder für uns da sind. Das massenhafte isolierte Dauerkochen in deutschen Quarantäne-Haushalten ist jedenfalls keine Dauerlösung.

    Doch wenn sich die Politik nicht sputet, kommt für manche Gaststätten- und Hoteleigner jede Hilfe zu spät. Dann gehen viele der Betriebe pleite. Die Branche findet in Berlin zwar schwerer Gehör als die Autoindustrie, ist aber ebenso gesellschaftlich relevant mit 223.000 gastgewerblichen Betrieben und rund 2,4 Millionen Beschäftigten.

    Die Gastronomen haben eine spürbare Starthilfe verdient, wenn sie wieder loslegen dürfen. Viele von ihnen halten sicher durch, wenn Berlin ihren heißesten Wunsch erfüllt und den Mehrwertsteuersatz von 19 auf sieben Prozent senkt.

    Die Reform ist überfällig und wirkt systemerhaltend.

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