Startseite
Icon Pfeil nach unten
Wirtschaft
Icon Pfeil nach unten

Kommentar: Der schöne Schein an der Börse trügt

Kommentar

Der schöne Schein an der Börse trügt

    • |
    An der Börse steigen die Kurse nach dem Corona-Schock wieder.
    An der Börse steigen die Kurse nach dem Corona-Schock wieder. Foto: Arne Dedert, dpa

    Im Märchen vom Rumpelstilzchen macht ein Gnom aus Stroh pures Gold. Er verlangt dafür einen hohen Zins, nämlich das erste Kind der Müllerstochter. Sie errät schließlich seinen Namen, behält ihr Kind und regiert als Königin. Das Gold hat sie letztendlich ohne Gegenleistung bekommen.

    Diese wundersame Geldvermehrung gibt es jetzt nicht nur im Märchen, sondern in der realen Wirtschaft. Geld ohne Zins lautet die Zauberformel, die die Weltwirtschaft aus der tiefsten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg führen soll. Die großen Zentralbanken haben die Schleusen geöffnet. Weil sie die Leitzinsen schon lange auf oder nahe null halten, wird jetzt mit dem Ankauf von Wertpapieren in unvorstellbaren Größenordnungen nachgelegt. Einerseits soll damit der Zins als Preis des Geldes noch weiter nach unten gedrückt, andererseits die Regierungen flüssig gehalten werden. Sie können dadurch mit großen Konjunkturpaketen versuchen, den Absturz der Wirtschaft zu bremsen.

    Die Krise ist noch nicht vorbei - auch nicht für den Aktienmarkt

    Die Börse feiert diese Rettungspolitik. Die Kurse haben schon fast wieder die Höhen vor dem Corona-Schock erreicht. War es das schon mit der Krise? Sicher, Börsenprofis und private Anleger setzen auf Zukunft. Aber in diesem Hochgefühl geht unter, dass sich die Welt noch mitten in der Pandemie befindet. Die Industrieländerorganisation OECD hält eine zweite Zwangspause für Unternehmen und neue Ausgangssperren für genauso wahrscheinlich wie die erfolgreiche Eindämmung der Seuche.

    Selbst wenn das Virus bis zur Verfügbarkeit eines Impfstoffs einigermaßen in Schach gehalten wird, werden viele Unternehmen schwer zu kämpfen haben. Es drohen magere Jahre, vielleicht Entlassungen oder gar die Pleite. Gefühlt ist in Deutschland die volle Härte des Abschwungs noch gar nicht angekommen. Staatshilfen für Unternehmen, Selbstständige und das Kurzarbeitergeld für Beschäftigte haben einen Kahlschlag verhindert. Die hohen Kurse an der Börse stehen in keinem Verhältnis zu den trüben Gewinnaussichten. Die Aktien erscheinen überbewertet und viel zu teuer. Wegen der Geldflut der Zentralbanken bleiben Anlegern jedoch wenig Alternativen als der Kauf von Anteilsscheinen von Firmen. Das Ersparte auf dem Konto wirft schon lange keine Zinsen mehr ab. Das Gleiche gilt für Staatsanleihen. Für Immobilien in guten Lagen werden in Deutschland Mondpreise aufgerufen. Gold ist ebenfalls schon sehr teuer und an den Märkten immer ein Wackelkandidat.

    Der Zins hat seine Wirkung verloren

    Die Preisblasen sind die direkte Folge des billigen Geldes. Der Zins hat seine Steuerungswirkung verloren. Früher zeigte er an, wie riskant es war, einer Firma oder einem Staat Geld zu leihen. Im Aktienkurs spiegelte sich die Leistungsfähigkeit von Unternehmen. In der neuen Ordnung ist das passé. Selbst marode Betriebe bekommen günstig Kredit. Die Kurse an den Börsen werden beinahe automatisch nach oben getrieben.

    Die Zentralbanken sind nicht allein für die niedrigen Zinsen verantwortlich. Schon seit etwa drei Jahrzehnten sinkt der Preis des Geldes schleichend. Die Erklärung der Ökonomen dafür lautet, dass in der modernen Wirtschaft weniger Kapital gebraucht wird. Der Aufbau von digitalen Konzernen wie Facebook, Google oder Amazon verschlingt weniger Geld als früher der Bau von Stahlwerken und Autofabriken. Weil weniger Kapital nachgefragt wird, ist es billiger zu haben. Die Politik der Zentralbanken verschärft diesen wirtschaftlichen Großtrend. Gilt damit für die Anleger wie im Märchen „Ende gut, alles gut“? Nein. Wenn die Geschichte der Aktienmärkte etwas lehrt, dann, dass es irgendwann wieder abwärts geht.

    Lesen Sie dazu auch: Zurück zu alten Rekorden? Wie es an der Börse weitergeht

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden